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Keine Spur von den Kondom-Millionen

"Condomi" geht mit Kondomen an die Börse "Condomi" geht mit Kondomen an die Börse
Produktpalette von Condomi: Vom Unternehmen bleibt nur noch heiße Luft
Quelle: dpa
Stürmische Erfolge, Applaus der Aktionäre und gute Presse – die Kölner Condomi AG wurde über Jahre gefeiert. Nun ist das Unternehmen still und heimlich von der Bildfläche verschwunden: Lizenzen und Produktionsstätte sind verkauft, die Geschäftsräume verwaist, die Firmenspitze untergetaucht.

Der sang- und klanglose Untergang des einst von pfiffigen Studenten ins Leben gerufenen Kondom-Herstellers sorgt für mächtigen Wirbel. Das Kölner Amtsgericht befasst sich seit einigen Monaten mit dem früher größten Präservativ-Produzenten in Europa. „Es ist Insolvenzantrag gestellt worden, ein Fremdantrag. Wir prüfen, ob die Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vorliegen“, sagt eine Gerichtssprecherin.

Auch der als Gutachter bestellte Rechtsanwalt Jörg Bornheimer brütet über dem komplizierten Fall: „Es geht vor allem um die Frage, ob überhaupt die Zugriffsmasse für ein Verfahren vorhanden wäre“, erklärt eine Mitarbeiterin. „Zwischen 12 und 20 Millionen Euro sind verschwunden“, schätzt Marcus Sühling von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger. Er hatte im Oktober 2006 Strafanzeige wegen Insolvenzverschleppung gestellt. „Die Anzeige richtet sich gegen den zumindest auf dem Papier amtierenden Aufsichtsrat, von dem aber niemand wirklich weiß, ob es die Leute tatsächlich gibt.“ Sühling sieht einen Verstoß gegen die Rechtsvorschriften für Aktiengesellschaften, da seit Jahren keine Bilanzen mehr vorgelegt und keine Hauptversammlungen (HV) mehr abgehalten wurden: „Die alten Vorstände haben sich verzockt.“ Dennoch hätte die AG wieder fit gemacht werden können, glaubt Sühling, der „Unternehmensraub“ wittert.

Seit 2003 in tiefroten Zahlen

Condomi hat turbulente Jahre hinter sich: 1988 von Studenten um Oliver Gothe ins Leben gerufen, expandierte das Geschäft von Köln aus schnell und auch über die Landesgrenzen hinaus. Das Unternehmen ging 1999 an die Börse. Die Aktie konnte zu Bestform-Zeiten mit 31,50 Euro ihren Ausgabewert fast verdoppeln. Großaufträge kamen aus aller Welt – etwa aus Brasilien, Kenia, Pakistan, Russland, Nigeria oder Namibia. 2001 stellt Condomi 370 Millionen „Lümmeltüten“ her und zählte weit über 400 Mitarbeiter. Zu Top-Zeiten war die AG in 50 Ländern vertreten. Doch dann verzettelten sich die Kölner mit Zukäufen und Beteiligungen wie einem Joint Venture in Südafrika, der Übernahme einer Vertriebsgesellschaft in Frankreich oder dem Einstieg bei einer Werbeagentur.

Umsatz und Gewinn schrumpften zusammen, bis die Condomi AG 2003 in tiefrote Zahlen abstürzte. Nachdem der Erotikkonzern Beate Uhse nach monatelangen Übernahme-Gesprächen abgewunken hatte, übernahm 2005 die damalige polnische Condomi-Tochter Unimil (Dobczyce bei Krakau) das operative Geschäft und die Bankschulden. Aus der einstigen Tochter der Kölner wurde damit deren Muttergesellschaft und ein Kondom-Riese, der sich auch die Condomi-Markenrechte einverleibte sowie die Kondomfabrik in Erfurt. Die Kölner Condomi AG stellte jede Art von Geschäftstätigkeit ein.

Die Aktie wird seit Februar nicht mehr gehandelt

Als Namensvetterin ist in der Domstadt noch die Condomi Health International GmbH als Unimil-Tochter tätig, die als Vertriebsgesellschaft die Kondome über Apotheken, Drogerie-, Verbraucher- und Supermärkte an den Mann bringt. „Von der AG ist hier niemand mehr. Die sind vor ein paar Wochen ausgezogen und haben alles mitgenommen“, sagt eine Sprecherin der GmbH, die sich neben der Condomi AG im Stadtteil Ehrenfeld niedergelassen hatte.

Auch für die Deutsche Börse ist Condomi zum Ärgernis geworden. Die Aktie sei am 20. Februar 2007 vom Handel ausgesetzt worden, sagte eine Sprecherin. Der Kurs schwächelte zuletzt bei 56 Cent. „Wir hatten schon 2005 ein Ordnungsgeld verhängt, aber die fünfstellige Summe wurde bis jetzt noch nicht beglichen.“ Sühling von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger will nicht locker lassen: „Ich bereite gerade eine zweite Strafanzeige gegen die AG vor. Ich vermute, dass hier der Straftatbestand der Veruntreuung vorliegt.“

dpa/lw

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