Beschneidung in Judentum und Islam

3. Juli 2012


Zu den Texten im Zusammenhang mit dem Beschneidungsurteil erreichten mich viele Nachfragen, Kommentare und Mails. Nicht alle kann ich persönlich beantworten, nicht alle will ich persönlich beantworten. Oft wird in den Stellungnahmen der unterschiedliche Status der Beschneidung im Judentum einerseits und im Islam andererseits diskutiert.

Ich hatte des öfteren betont, dass die Beschneidung für Juden eine zentrale religiöse Frage ist, für Moslems hingegen nicht. Für die Juden ist es der biblisch beschriebene Initiationsritus (vergleichbar der Taufe im Christentum), für Moslems eine eher sekundäre Vorschrift, von Bedeutung zwar, doch nicht von der Bedeutung.

In dem gestern hier vorgestellten Buch Moderne Irrtümer und ihre Herkunft: Von Donatisten, Ikonoklasten und anderen Ketzern von Thomas Baumann wird diese Differenz an einer Stelle gut erläutert. Baumann schreibt: „Die Beschneidung im Islam ist etwas ganz anderes als die Beschneidung im Judentum oder die Taufe im Christentum. Man wird nicht Moslem durch die Beschneidung […]. Die Beschneidung findet sich nicht im Koran und ist nur eine (allerdings dringende) Empfehlung des Propheten aus der Überlieferung. Sie steht aber nicht im Kontext der Glaubensübernahme, sondern der Reinheitsvorschriften (tahara).“

Baumann markiert hier zwei gravierende Unterschiede des Islam zum Judentum hinsichtlich der Beschneidung: 1. Das Fehlen einer göttlichen Weisung für die Beschneidung in der für den Islam grundlegenden heiligen Schrift (Koran) und 2. der Charakter der Beschneidung für den muslimischen Glauben: nicht Initiationsritus, sondern Verhaltensnorm.

Im Judentum ist die von Gott geforderte Beschneidung das Zeichen des Bundes. Sie ist der Beginn der Identität des Mensche als Jude. Sie wird eindeutig im ersten Buch Mose beschrieben, hat also ihre normative Grundlage in der für das Judentum verbindlichen heiligen Schrift (Tora). Es lässt sich also leider tatsächlich festhalten: Landgericht Köln verbietet Judentum in Deutschland. Angesichts dessen möchte ich mich den beiden Fragen anschließen, die Hans Michael Heinig, Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland und Professor für Öffentliches Recht (mit Schwerpunkt Kirchenrecht und Staatskirchenrecht) an der Georg-August-Universität Göttingen, im Verfassungsblog stellt: „Welches Signal geht weltweit davon aus, dass ausgerechnet in Deutschland nun ein strafrechtliches Beschneidungsverbot bestehen soll? Dass Juden für die Beschneidung Deutschland verlassen müssen, um ihre Religion entsprechend den eigenen Lehren leben zu können?“ – Zweimal täglich eine Minute drüber nachdenken. Dann lässt der Jubel über das Urteil nach.

(Josef Bordat)

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