(Vatikan) Die einen innerhalb und außerhalb der Kirche bejubeln die spending review von Papst Franziskus. Jede Geste vereinfache die Institution und nähere das Papststum an die Gläubigen an. Die politischen und religiösen Führer der Welt zollen der „Revolution“ des neuen Papstes ihre „Hochachtung“. Obama teilte schriftlich seine Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit. Die brasilianische Staatspräsidentin, ebenfalls politisch linksstehend, spricht von einem „großen Papst“ und scherzt nach der ersten Audienz: „Wenn der Papst Argentinier ist, dann ist Gott Brasilianer.“
Die anderen, vor allem innerhalb der Kirche beobachten mit Zurückhaltung und Sorge, daß der neue Papst Armut mit Pauperismus und seine Person mit dem Papsttum verwechseln könnte. Entblößt und verarmt er seine Person, so sei das zu begrüßen und ehre ihn. Entblößt er durch mißverstandene Selbstbezogenheit jedoch Petrus, den Stellvertreter Christi auf Erden, dann entblöße er die durch das Amt ausgedrückte Herrschaft Jesu Christi, die sichtbare Kirche von ihrer Aufgabe, Gott zu dienen und ihn zu verherrlichen.
Bergoglio Style zwischen Jubel und Sorge
Der neue „Bergoglo Style“ wie ihn Journalisten euphorisch nennen, wird auch in die päpstliche Wohnung Einzug halten. Als Kurienerzbischof Georg Gänswein mit anderen dem neuen Papst die Räumlichkeiten des Papstes im letzten Stock des Apostolischen Palastes zeigte, von dem aus am Sonntag der Angelus gebetet wird, war die erste Reaktion des neuen Hausherrn: „Hier ist ja Platz für 300 Personen“. Die Wohnung wird nun durch Umbauten verkleinert werden. Wer die Bilder der Wohnung zu Zeiten Johannes Pauls II. und Benedikts XVI. kennt, weiß, daß sie so bescheiden eingerichtet ist, daß sie mehr einer einfachen Dienstwohnung in einem königlichen Palast ähnelt, als den Wohnräumen des Königs.
Gestern erfolgte jedoch ein ganz anderer, „weitreichender Bruch mit dem Protokoll“, so Vatican Insider. Franziskus empfing in der Sala Clementina, dem päpstlichen Audienzsaal die Vertreter „der Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften und der verschiedenen Religionen“, die zu seiner Amtseinführung nach Rom gekommen waren. Dafür ließ er den Papstthron und das Podest, auf dem dieser stand, aus dem Saal entfernen und durch einen einfachen Stuhl ersetzen. Der Papst begegnete den Konfessions- und Religionsvertretern auf derselben Ebene als Gleicher unter Gleichen, wenn auch als Primus inter pares. Es ist noch nicht klar, ob die „Thronentfernung“, über die italienische Medien berichten, dauerhaft ist oder anlaßbezogen war, um den Religionsvertretern zu begegnen.
Ohne Thron Gleicher unter Gleichen
Der Oberrabbiner von Rom, Riccardo Di Segni, bereitet unterdessen den Besuch des Papstes in der Stadtsynagoge vor. Di Segni hatte während des Pontifikats Benedikts XVI. mehrfach scharfe Kritik geübt, vor allem im Zusammenhang mit Papst Pius XII., aber auch wegen des Karfreitagsgebets und dem Fall Williamson.
Der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomäus I., hat Franziskus zu einer gemeinsamen Pilgerreise ins Heilige Land eingeladen, um 2014 des 50. Jahrestags der Umarmung zwichen Patriarch Athenagoras (1948–1972) und Paul VI. (1963–1978) zu gedenken. Zwischen beiden wurden mehrere gemeinsame Punkte besprochen, so regte der Patriarch theologische Gespräche, der Papst einen gemeinsamen Einsatz zur Bewahrung der Umwelt an. Für November wurde ein Besuch des Papstes im Fener, dem orthodoxen Vatikan in Istanbul besprochen. Am 25. November 2009 hatte Papst Benedikt XVI. Bartholomäus geschrieben: „Die Kirche versteht das Petrusamt als Geschenk des Herrn an seine Kirche“. Dem Ökumenischen Patriarchen war gestern bei der Audienz ein Ehrenplatz zugewiesen worden, als erster unter den Delegationen zur Rechten des Papstes, aber von den anderen durch einen Abstand deutlich abgehoben.
Kritik an Kommunionteilnahme der Abtreibungsbefürworter Biden und Pelosi
Aber es fehlt nicht an Kritik: US-Vizepräsident Joe Biden und der Fraktionsführerin der Demokratischen Partei im Abgeordnetenhaus Nancy Pelosi, beide Katholiken, wurde bei der Amtseinführungszeremonie am Petersplatz die Heilige Kommunion gespendet. Von verschiedener Seite, vor allem aus den USA gab es dafür heftige Kritik. Beide Politiker sind Abtreibungsbefürworter. Der katholische Priester Frank Pavone, Gründer der Bewegung Priester für das Leben, die sich für den uneingeschränkten Schutz des Lebens einsetzen, gerade dort, wo es am meisten gefährdet ist, im Mutterleib durch Abtreibung, im hohen Alter durch Euthanasie, hatte bereits im Vorfeld der Amtseinführung den Vatikan aufmerksam gemacht, daß die beiden Vertreter der US-Regierung und des US-Parlaments vom Kommunionempfang auszuschließen seien. „Die Heilige Kommunion bedeutet Einheit und sie befinden sich nicht in Einheit mit der Kirche zu grundlegenden Fragen wie dem Lebensrecht“, so Father Pavone.
Mit dem Ausschluß vom Kommunionempfang tut sich die Kirche schwer, allein schon aus logistischen Gründen. Auch 2008, beim Besuch Benedikts XVI. in den USA stellten sich Pelosi, damals Vorsitzende des Repräsentantenhauses, der damalige Senator und heutige Außenminister John Kerry und der Senator Chris Dodd, alle Katholiken und Abtreibungsbefürworter zum Kommunionempfang an. Laut katholischem Verständnis begeht jemand ein Sakrileg, der die Komunion empfängt, obwohl er sie nicht empfangen dürfte.
Jesuiten bieten Papst „jegliche Hilfe“ an, da er nun „Rat, Ideen und Personen brauchen wird“
Pater Adolfo Nicolas Pachon, der Ordensgeneral der Jesuiten, denen der neue Papst angehört, bot Franzikus „alle Mittel an, über die die Gesellschaft Jesu verfügt, da er in seiner neuen Position Ratschläge, Ideen und Personen sicher brauchen wird“.
„Die Demut garantiert die Gegenwart des Herrn: wenn jemand selbstzufrieden ist und alle Antworten für alle Fragen hat, dann ist das ein Beweis, daß Gott nicht mit ihm ist. Selbstzufriedenheit stellt man bei allen falschen Propheten fest, bei den religiösen Führern, die im Irrtum sind, die die Religion für ihr eigenes Ego benutzen“, schreibt Jorge Mario Kardinal Bergoglio im Buch Über den Himmel und die Erde, das er 2010 gemeinsam mit dem jüdischen Rabbiner Abraham Skorka in Argentinien herausbrachte.
„Regierungsprogramm“ in gemeinsamem Buch mit Rabbiner Abraham Skorka enthalten?
Darin spricht Bergoglio von Politik, Religion, interreligiösem Dialog, Fundamentalismus, Atheisten, Holocaust und Kapitalismus. Eine vorweggenommene Skizze seines Pontifikats: das Verhältnis zur politischen Macht, der Dialog mit den anderen Religionen und den Ungläubigen, die Öffnung gegenüber wiederverheiratet Geschiedenen und anderen irregulären Lebensformen, keine Öffnung gegenüber Homo-„Ehe“, Euthanasie und Abtreibung. Und eine Neuorganisation der Römischen Kurie, die schlanker werden und kollegialer geführt werden soll.
2009 schrieb er das Vorwort zu einem Thriller, der im Jersualem des 1. Jahrhunderts angesiedelt ist. Dorthin könnte er, der Nachfolger des Apostels Petrus, bereits im nächsten Jahr mit dem Nachfolger des Apostels Andreas reisen, den er gestern als „mein Bruder“ bezeichnete. Mit dem Judentum pflegte bereits Bergoglio in Buenos Aires ein sehr enges Verhältnis. Von den Moslems sagte der neue Papst beim Empfang in der thronlosen Sala Clementina: „Herzlich begrüße ich […] vor allem die Muslime, die den einen, lebendigen und barmherzigen Gott anbeten und im Gebet anrufen.“
Der Papst präsentierte sich ihnen als Gleicher unter Gleichen. Eine neue Phase des Dialogs scheint begonnen zu haben.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: 30giorni/Wikicommons/screenshot CTV