Heilige Theresa von Ávila

Ordensfrau, Ordensgründerin, Mystikerin, Kirchenlehrerin * 28. März 1515 in Ávila in Spanien † 4. Oktober 1582 in Alba de Tormes bei Salamanca in SpanienMehr
Ordensfrau, Ordensgründerin, Mystikerin, Kirchenlehrerin
* 28. März 1515 in Ávila in Spanien
† 4. Oktober 1582 in Alba de Tormes bei Salamanca in Spanien
augustinus 4
Die hl. Theresa v. Ávila machte das Zusatzgelübde,
immer das Vollkommenere tun zu wollen.
Tina 13
🙏
elisabethvonthüringen
Sie ist heute 500 Jahre alt! Alles Gute zum Geburtstag! 👍 😉
vonarnim
O Herr meiner Seele,
hätte ich doch Worte, um zu beschreiben, was du denen gibst, die sich dir anvertrauen, und was jene verlieren, die diese Gnade erlangen und trotzdem nicht von sich selber lassen.
Lass das, o Herr, niemals mit mir geschehen!
Tust du mir doch viel mehr, da du Wohnung nimmst in einer so elenden Herberge wie meiner.
Sei gepriesen in Ewigkeit.
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O Herr meiner Seele,
hätte ich doch Worte, um zu beschreiben, was du denen gibst, die sich dir anvertrauen, und was jene verlieren, die diese Gnade erlangen und trotzdem nicht von sich selber lassen.
Lass das, o Herr, niemals mit mir geschehen!
Tust du mir doch viel mehr, da du Wohnung nimmst in einer so elenden Herberge wie meiner.
Sei gepriesen in Ewigkeit.

Hl. Theresa von Avila
Caeleste Desiderium
Herr meiner Seele!
Als Du noch in dieser Welt wandeltest, hast Du den Frauen immer deine besondere Zuneigung bewiesen.
Fandest Du doch in ihnen nicht weniger Liebe und Glauben als bei den Männern.
Auch befand sich ja unter ihnen deine Heilige Mutter, deren Verdienste uns zukommen und deren Habe wir tragen.
Die Welt irrt, wenn sie von uns verlangt, dass wir nicht öffentlich für Dich wirken dürfen,…Mehr
Herr meiner Seele!
Als Du noch in dieser Welt wandeltest, hast Du den Frauen immer deine besondere Zuneigung bewiesen.
Fandest Du doch in ihnen nicht weniger Liebe und Glauben als bei den Männern.
Auch befand sich ja unter ihnen deine Heilige Mutter, deren Verdienste uns zukommen und deren Habe wir tragen.
Die Welt irrt, wenn sie von uns verlangt, dass wir nicht öffentlich für Dich wirken dürfen, noch Wahrheiten aussprechen, um derentwillen wir im Geheimen weinen, und dass Du, Herr, unsere gerechten Bitten nicht erhören würdest.
Ich glaube das nicht, Herr, denn ich kenne deine Güte und Gerechtigkeit, der Du kein Richter bist wie die Richter dieser Welt, die Kinder Adams; kurz, nichts als Männer, die meinen, jede gute Fähigkeit bei einer Frau verdächtigen zu müssen.
Aber es wird der Tag kommen, mein König, wo dieses alles bekannt wird.
Ich spreche hier nicht für mich selbst, denn die Welt kennt meine Schwachheit, und das ist mir lieb.
Aber ich werfe unserer Zeit vor, dass sie starke und zu allem Guten begabte Geister zurückstößt, nur weil es sich um Frauen handelt.

Hl. Theresa von Avila
Caeleste Desiderium
O Herr meiner Seele,
hätte ich doch Worte, um zu beschreiben, was du denen gibst, die sich dir anvertrauen, und was jene verlieren, die diese Gnade erlangen und trotzdem nicht von sich selber lassen.
Lass das, o Herr, niemals mit mir geschehen!
Tust du mir doch viel mehr, da du Wohnung nimmst in einer so elenden Herberge wie meiner.
Sei gepriesen in Ewigkeit.
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O Herr meiner Seele,
hätte ich doch Worte, um zu beschreiben, was du denen gibst, die sich dir anvertrauen, und was jene verlieren, die diese Gnade erlangen und trotzdem nicht von sich selber lassen.
Lass das, o Herr, niemals mit mir geschehen!
Tust du mir doch viel mehr, da du Wohnung nimmst in einer so elenden Herberge wie meiner.
Sei gepriesen in Ewigkeit.

Hl. Theresa von Avila
6 weitere Kommentare von Caeleste Desiderium
Caeleste Desiderium
Gepriesen seist du, Herr,
dass du mich so unfähig und nutzlos gemacht hast.
Aber noch mehr preise ich dich, dass du so viele berufen hast, damit sie uns aufrütteln.
Wir sollten häufig beten für jene, die uns Licht bringen.
Was wären wir ohne sie in diesen stürmischen Zeiten, wie sie die Kirche gerade durchlebt?
Hat es unter ihnen auch schlechte gegeben, so leuchten die guten doch um so mehr hervor. …Mehr
Gepriesen seist du, Herr,
dass du mich so unfähig und nutzlos gemacht hast.
Aber noch mehr preise ich dich, dass du so viele berufen hast, damit sie uns aufrütteln.
Wir sollten häufig beten für jene, die uns Licht bringen.
Was wären wir ohne sie in diesen stürmischen Zeiten, wie sie die Kirche gerade durchlebt?
Hat es unter ihnen auch schlechte gegeben, so leuchten die guten doch um so mehr hervor.
Der Herr möge sie an der Hand nehmen und ihnen helfen, dass sie uns helfen.

Hl. Theresa von Avila
Caeleste Desiderium
DIE DRITTE WOHNUNG
ERSTES KAPITEL
Was sollen wir denen, die durch Gottes Erbarmen diese Kämpfe siegreich bestanden haben und beharrlich bis in die dritte Wohnung vorgedrungen sind, anderes sagen als: »Selig der Mann, der den Herrn fürchtet?« Es ist keine geringe Gunst, daß der Herr mich jetzt verstehen läßt, was der spanische Wortlaut dieses Verses hier besagen will; denn für gewöhnlich fällt es …Mehr
DIE DRITTE WOHNUNG
ERSTES KAPITEL

Was sollen wir denen, die durch Gottes Erbarmen diese Kämpfe siegreich bestanden haben und beharrlich bis in die dritte Wohnung vorgedrungen sind, anderes sagen als: »Selig der Mann, der den Herrn fürchtet?« Es ist keine geringe Gunst, daß der Herr mich jetzt verstehen läßt, was der spanische Wortlaut dieses Verses hier besagen will; denn für gewöhnlich fällt es mir nicht leicht, den rechten Sinn eines solchen Textes zu begreifen. Wahrlich, mit Recht nennen wir diesen Mann selig. Kehrt er nämlich nicht um, so geht er – soweit wir es verstehen – auf sicherem Wege seiner Erlösung entgegen. Hier werdet ihr erkennen, Schwestern, wie wichtig es ist, daß die Seele in den vorhergehenden Kämpfen den Sieg erringt; denn ich halte es für gewiß, daß der Herr dann niemals säumen wird, ihr die Sicherheit des Gewissens zu gewähren, und das ist keine geringe Gabe. Ich sage »Sicherheit« und habe mich damit schlecht ausgedrückt; denn die gibt es nicht in diesem Leben. Wenn ich davon rede, so müßt ihr verstehen, daß ich es immer unter dem Vorbehalt meine: falls die Seele nicht aufhört, dem eingeschlagenen Weg zu folgen.
Ein schlimmes, schmerzliches Unheil ist es, daß wir uns in diesem Leben stets so verhalten müssen wie Menschen, vor deren Tor die Feinde liegen, so daß sie weder schlafen noch essen können, ohne Waffen bei sich zu haben, und immer in der Angst leben, die Gegner könnten irgendwo in die Festung einbrechen. O mein Herr und mein Heil! Warum willst Du, daß man ein solch erbarmungswürdiges Leben begehrt? Denn es ist unmöglich, darauf zu verzichten und Dich zu bitten, daß Du uns ihm entreißest, wenn einen nicht die Hoffnung erfüllt, es für Dich zu verlieren, es wahrhaftig in Deinem Dienste hinzugeben, und wenn einem die Erkenntnis mangelt, daß dies Dein Wille ist. Wenn dies Dein Wille ist, mein Gott, dann wollen wir mit Dir sterben, wie der heilige Thomas sagte; denn ohne Dich zu leben, in der Furcht, Dich vielleicht für immer zu verlieren, das bedeutet dasselbe wie oftmals zu sterben. Darum sage ich, Töchter, daß die Seligkeit, um die wir bitten müssen, jenes Glück ist, schon jetzt in Sicherheit bei den Seligen zu sein. Solange wir diese Angst im Herzen haben – welche Freude könnte da der empfinden, dessen ganze Freude es ist, Gott zu erfreuen? Und bedenkt, daß manche Heilige, die in schwere Sünde fielen, dieselbe und eine noch viel größere Angst erfuhren. Und wir sind nicht sicher, daß Gott uns die Hand reichen wird, damit wir dem Bösen entkommen und Buße tun wie sie, durch seinen besonderen Beistand.
Wahrlich, meine Töchter, ich schreibe dies hier mit so viel Angst, daß ich nicht weiß, wie ich es schreibe, noch wie ich überhaupt leben kann, wenn mir dies zu Bewußtsein kommt, und das geschieht sehr oft. Bittet, meine Töchter, daß Seine Majestät immer in mir lebe; denn tut der Herr das nicht – welche Sicherheit kann es dann für ein so übel vergeudetes Leben wie das meine geben? Laßt euch durch diese Erkenntnis nicht so bedrücken, wie ich es manchmal an euch beobachtet habe, wenn ich dies zu euch sagte. Es schmerzt euch, weil es euer Wunsch ist, ich wäre recht fromm gewesen. Und ihr habt recht damit; auch ich wollte dies gern. Doch was soll ich tun, nachdem ich es allein durch meine eigene Schuld vertan habe! Denn ich werde mich nicht über Gott beklagen, daß er mir nicht so viel Hilfe geboten hat, wie ich gebraucht hätte, damit eure Wünsche sich erfüllten. Ich kann das nicht ohne Tränen und ohne große Verwirrung sagen, weil ich sehe, daß ich hier etwas für Menschen schreibe, die mich belehren könnten. Eine harte Gehorsamspflicht ist es mir gewesen! Der Herr gebe – denn es geschieht um seinetwillen –, daß es euch irgend etwas nützt. Bittet ihn, daß er dieser elenden, anmaßenden Person verzeihe. Doch Seine Majestät weiß wohl, daß ich mich nur seines Erbarmens rühmen kann und daß ich nicht aufhören kann, die zu sein, die ich gewesen bin. Es gibt für mich keine andere Rettung, als mich an ihn zu wenden und auf die Verdienste seines Sohnes und dessen jungfräulicher Mutter zu vertrauen, deren Kleid ich unverdienterweise trage. Lobet ihn, meine Töchter, die ihr ebenfalls dieses Kleid traget; denn ihr seid wahrhaftig die Töchter dieser Herrin und müßt euch, da ihr eine solch gute Mutter habt, nicht schämen, weil ich verderbt bin. Folget ihrem Beispiel und bedenkt, wie erhaben die Größe dieser Herrin sein muß und wie groß das Glück, unter ihrer Schutzherrschaft zu stehen; denn meine Sünden und die Art meines Wesens haben nicht ausgereicht, diesem heiligen Orden auch nur das Geringste von seinem Glanz zu nehmen.
Doch ich gebe euch den Rat, euch nicht deswegen in Sicherheit zu wiegen, weil ihr zu diesen Töchtern gehört und eine solche Mutter habt. David war sehr heilig, und ihr wißt ja, was Salomon gewesen. Haltet euch nichts zugut auf die Abgeschlossenheit, in der ihr lebt, noch auf eure Bußübungen. Auch sollt ihr euch nicht in Sicherheit wähnen, weil ihr immer von Gott redet, euch ständig im Gebet übt, so fern von den weltlichen Dingen lebt und sie – wie ihr meint – verschmäht. Das ist alles gut, doch es genügt nicht – wie ich schon sagte –, um uns von der Angst zu befreien; und darum ruft euch oft diesen Vers in die Erinnerung: »Beatus vir, qui timet Dominum.«
Ich weiß nicht mehr, was ich sagte; denn ich bin weit abgeschweift, und wenn ich an mich selbst denke, so zerbrechen mir die Flügel, die ich brauchte, um etwas Gutes zu sagen. Deshalb will ich jetzt damit aufhören und zurückkehren zu dem, was ich euch über jene Seelen zu sagen begonnen hatte, die in die dritte Wohnung gelangt sind und denen der Herr keine geringe, nein, eine sehr große Gnade erwiesen hat, als er sie die ersten Schwierigkeiten überwinden ließ. Ich glaube, solche Seelen gibt es – dank der Güte Gottes – viele auf der Welt. Ihr ernster Wunsch ist es, Seine Majestät nicht zu beleidigen; selbst vor den läßlichen Sünden nehmen sie sich in acht und lieben die Buße, die Stunden der inneren Sammlung; sie machen einen guten Gebrauch von ihrer Zeit, üben sich in Werken der Nächstenliebe, sind sehr zuchtvoll in ihrem Reden, ihrer Kleidung und der Art, in der sie ihr Haus verwalten, falls sie eines haben. Wahrlich, ein Stand, den man sich wünschen muß. Und es scheint keinen Grund zu geben, warum solchen Seelen der Eintritt in die letzte der Wohnungen verwehrt werden sollte. Auch wird der Herr es ihnen nicht verweigern, wenn es ihr Wunsch ist, hineinzugelangen; denn sie sind wohl vorbereitet, die volle Gnade von ihm zu empfangen.
O Jesus! Und wer würde sagen, daß er ein so großes Gut nicht wollte, vor allem wenn er schon das größte Leid erlebt hat? Nicht ein einziger. Wir alle sagen, daß wir es wollen, doch da noch mehr erforderlich ist, damit der Herr die Seele ganz in Besitz nimmt, genügt es nicht, daß wir es sagen – genauso wenig wie es bei dem Jüngling genügte, dem der Herr sagte, was er tun müsse, wenn er vollkommen sein wolle. Seitdem ich von dieser dritten Wohnung zu reden begonnen habe, ist mir dessen Gestalt vor Augen; denn wir sind tatsächlich in genau der gleichen Lage. Für gewöhnlich haben die großen Dürrezeiten, die wir in unserem Gebet erleben, hier ihre Ursache, wenngleich es freilich noch andere Gründe dafür gibt. Verschiedene innere Leiden, von denen viele gute Seelen unerträglich gepeinigt werden und an denen sie nicht die geringste Schuld haben (aus welchen der Herr sie aber stets mit großem Gewinn hervorgehen läßt), will ich einmal beiseite lassen; ebenso die Qualen solcher Menschen, die von der Melancholie und anderen Krankheiten heimgesucht werden. Die Gerichte Gottes müssen wir überhaupt außerhalb unserer Erörterung lassen. Die häufigste Ursache der Dürre ist jedoch meines Erachtens das, was ich gesagt habe. Da diese Seelen von sich selbst wissen, daß sie um nichts in der Welt eine Sünde begehen würden, daß viele von ihnen nicht einmal ein läßliches Vergehen mit Bewußtsein sich zuschulden kommen lassen und daß sie ihr Leben und ihren Besitz gut anwenden, können sie es nicht mit Geduld ertragen, daß ihnen die Tür zu dem Raum verschlossen ist, wo unser König weilt, für dessen Vasallen sie sich halten, und das sind sie ja tatsächlich. Ein irdischer König mag viele Diener haben, und doch dürfen nicht alle in seine Kammer eintreten. Geht hinein, meine Töchter, geht hinein in das Innere. Kommt über eure kleinen, dürftigen Werke hinaus; denn um Christen zu sein, müßt ihr das alles tun und noch viel mehr. Und es sei euch genug, daß ihr Vasallen Gottes seid. Begehrt nicht so viel, daß ihr am Ende leer ausgeht. Schaut die Heiligen an, die in die Kammer dieses Königs gelangt sind, und ihr werdet den Unterschied erkennen, der zwischen ihnen und uns besteht. Fordert nicht, was ihr nicht verdient habt; und es sollte uns nicht in den Sinn kommen, so viel wir auch dienen mögen, daß wir dessen jemals würdig sein könnten – wir, die wir Gott beleidigt haben.
O Demut, Demut! Ich weiß nicht, welche Versuchung ich in dieser Hinsicht fühle; denn ich werde die Vermutung nicht los, daß es demjenigen, der diese Dürrezeiten so bejammert, ein wenig an dieser Eigenschaft mangelt.
Die großen inneren Leiden, von denen ich gesprochen habe, lasse ich – wie gesagt – beiseite; denn sie sind keineswegs nur ein Mangel an Andacht. Prüfen wir uns selbst, meine Schwestern, oder es prüfe uns der Herr, der dies kann, auch wenn wir es oft nicht einsehen wollen. Kommen wir also zu den Seelen, die so rechtschaffen sind, und schauen wir, was sie Gott zuliebe tun. Da werden wir erkennen, daß wir kein Recht haben, uns über Seine Majestät zu beklagen. Denn wenn wir dem Herrn den Rücken kehren und traurig fortgehen, wie der Jüngling im Evangelium, sobald er uns sagt, was wir tun müssen, um vollkommen zu sein – was erwartet ihr dann vom Herrn, der den Preis nach dem Maß der Liebe zuteilen wird, die wir für ihn hegen? Und diese Liebe, Töchter, darf nicht das Werk unserer Einbildung sein, sondern sie muß durch Taten erwiesen werden. Denkt aber nicht, daß der Herr unserer Werke bedarf; er braucht die Entschlossenheit unseres Willens.
Uns, die wir ein geistliches Gewand tragen, das wir aus freien Stücken gewählt haben; die wir alle weltlichen Dinge und unsere Habe ihm zuliebe verlassen haben (seien es auch nur die Netze des heiligen Petrus gewesen; denn viel glaubt der zu geben, welcher gibt, was er hat) – uns mag es so vorkommen, als sei alles schon getan. Es ist eine recht gute Vorbereitung, wenn man standhaft darauf beharrt und sich nicht zurückwendet zu dem Gewürm in den ersten Gemächern, auch nicht mit begehrlichen Gedanken; denn wer sich aller irdischen Dinge entledigt hat und in völligem Verzicht beharrt, wird gewißlich das erreichen, wonach er strebt. Doch nur unter der Bedingung – merkt genau, was ich euch rate –, daß man sich als nutzlosen Knecht betrachtet (wie es der heilige Paulus oder Christus selber gesagt hat) und daß man nicht glaubt, man habe damit unseren Herrn verpflichtet, einem solche Gnaden zu erweisen, sondern vielmehr der Überzeugung ist, daß man als einer, der mehr empfangen hat, ihm um so größeren Dank schuldet.
Was können wir für einen so großmütigen Gott denn tun, der für uns gestorben ist, der uns erschaffen hat und uns das Wesen gibt? Müssen wir uns nicht glücklich schätzen, wenn wir – ohne dafür neue Gnaden und Geschenke zu verlangen – etwas von der Schuld abtragen, die wir ihm gegenüber haben, durch das, was er getan hat in unserem Dienst? (Widerstrebend habe ich dieses Wort gebraucht, doch es ist so: sein ganzes Erdenleben ist nichts anderes als ein Dienen gewesen.)
Achtet genau, meine Töchter, auf verschiedene Dinge, die hier angedeutet sind, wenn auch verworren; denn ich weiß es nicht besser zu erklären. Der Herr wird es euch zu verstehen geben, damit die Dürre euch den Gewinn der Demut bringt und nicht Unruhe euch überkommt, wie es der Satan will. Und glaubt es: wo wahre Demut herrscht, da wird Gott, auch wenn er niemals besondere Gaben gewährt, einen Frieden und Einklang stiften, in dem ihr fröhlicher leben möget als andere, denen Geschenke zuteil werden; denn oft gibt sie die göttliche Majestät, wie ihr gelesen habt, den Schwächsten, von denen ich freilich glaube, daß sie diese Gnaden nicht für die Stärke jener, die in der Dürre leben, zum Tausch geben würden. Wir lieben die Freuden mehr als das Kreuz. Prüfe Du uns, Herr, der Du die Wahrheit weißt, damit wir uns selbst erkennen.
Caeleste Desiderium
DIE ZWEITE WOHNUNG
ERSTES KAPITEL
Laßt uns nun davon reden, welche Seelen es sind, die in die zweite Wohnung eintreten, und was sie darin tun. Ich will mich dabei kurz fassen, denn anderswo habe ich dies recht ausführlich dargelegt. Ich werde nicht umhinkönnen, vieles davon zu wiederholen, weil ich mich nicht mehr genau erinnere, was ich damals gesagt habe. Sollte ich es in wenig veränderter Form …Mehr
DIE ZWEITE WOHNUNG
ERSTES KAPITEL

Laßt uns nun davon reden, welche Seelen es sind, die in die zweite Wohnung eintreten, und was sie darin tun. Ich will mich dabei kurz fassen, denn anderswo habe ich dies recht ausführlich dargelegt. Ich werde nicht umhinkönnen, vieles davon zu wiederholen, weil ich mich nicht mehr genau erinnere, was ich damals gesagt habe. Sollte ich es in wenig veränderter Form wieder aufwärmen, so weiß ich jedenfalls, daß ihr euch nicht darüber ärgert. Wir werden ja auch nie der Bücher müde, die davon handeln, obgleich es so viele gibt.
Es geht hier um diejenigen, die schon begonnen haben, das Gebet zu üben, und die begriffen haben, wie wichtig es für sie ist, nicht in der ersten Wohnung zu verweilen. Sie haben jedoch noch nicht die Entschlußkraft, daß sie darauf verzichten könnten, sich öfters darin aufzuhalten. Sie geben die Gelegenheiten zum Bösen noch nicht auf. Das ist recht gefährlich. Doch es ist eine große Barmherzigkeit von Gott, daß sie zuweilen den Schlangen und anderen giftigen Wesen zu entfliehen suchen und einsehen, wie gut es ist, sich von ihnen zu entfernen.
Diese Seelen haben in mancher Hinsicht sehr viel mehr Leiden zu erdulden als die vorher genannten, obwohl sie nicht in solch großer Gefahr schweben; denn es hat den Anschein, als kennten sie die Gefährdungen schon, und es besteht große Hoffnung, daß sie tiefer vordringen können. Ich sage, sie haben mehr Leiden zu erdulden, weil die Erstgenannten jenen Stummen gleichen, die auch nicht hören können und darum leichter die Qual ertragen, nicht reden zu können. Das fällt denen viel schwerer, die wohl hören, aber nicht sprechen können. Trotzdem wünscht man sich in dieser Lage nicht das Schicksal der anderen, die auch nicht hören; denn schließlich ist es etwas Großes, das zu verstehen, was man uns sagt. So vernehmen die Seelen, von denen wir hier reden, die Rufe, welche der Herr an sie richtet. Da sie tiefer eingedrungen und dem Ort, wo Seine Majestät weilt, näher gekommen sind, haben sie in Ihm, in seiner Barmherzigkeit und Güte, einen sehr guten Nachbarn, auch wenn sie noch immer an unserem Getändel und unseren Geschäften hängen und sich nicht frei gemacht haben von den Vergnügungen und trügerischen Geschäften der Welt, auch wenn sie noch immer in Sünden fallen und sich wieder daraus erheben. Die Tiere, die wild durcheinander wimmeln, sind so giftig, und so gefährlich ist ihre Nähe, daß es ein Wunder ist, wenn sie einen nicht straucheln lassen und zu Fall bringen. Doch dem Herrn liegt so viel daran, daß wir ihn lieben und uns bemühen, zu ihm zu kommen, daß er nicht aufhört, uns wieder und wieder zu rufen, damit wir zu ihm finden. Und diese Stimme ist so lieblich, daß die arme Seele vergeht, wenn sie dann nicht tut, was die Stimme ihr befiehlt. Und darum ist dies – wie gesagt – schmerzlicher, als wenn man sie nicht hört.
Ich sage nicht, daß diese Stimme und diese Rufe den anderen gleichen, von denen ich später reden werde. Die hier dringen zu uns aus Worten, die wir von guten Menschen hören, oder aus Gebeten, aus der Lektüre guter Bücher sowie aus vielen anderen Dingen, von denen ihr gehört habt, daß Gott durch sie die Menschen ruft: seien es Krankheiten, Mühsale oder irgendeine Wahrheit, die er uns in den Augenblicken lehrt, wo wir im Gebet sind. Möge dies noch so schwach sein – Gott schätzt es hoch. Achtet auch ihr, meine Schwestern, diese erste Gnade nicht gering, und verzagt nicht, wenn ihr dem Herrn nicht antworten könnt. Seine Majestät ist geduldig genug, um viele Tage und Jahre zu warten, besonders wenn er Beharrlichkeit und guten Willen sieht. Diese Ausdauer ist hier das Wichtigste, denn mit ihr werden wir nie leer ausgehen, sondern reichen Gewinn erlangen. Doch die Schlacht, welche die Dämonen uns hier mit tausenderlei Waffen liefern, ist entsetzlich und schmerzlicher für die Seele als alles zuvor; denn damals war sie stumm und taub – zumindest hörte sie sehr wenig – und leistete weniger Widerstand, wie einer, der die Hoffnung auf den Sieg zum Teil schon verloren hat. Hier dagegen ist die Vernunft lebendiger, die Geisteskräfte sind wendiger, und die Hiebe sausen so heftig hernieder, die Geschütze donnern so mächtig, daß die Seele es nicht mehr überhören kann. Hier lassen die Dämonen alle Schlangengestalten der weltlichen Dinge einem vor Augen führen; alle Befriedigungen, welche die Erde gewährt, lassen sie hier als etwas beinahe Ewiges erscheinen : das Ansehen, das man auf ihr genießt, die Freunde und Verwandten, die Gesundheit – vor allem dann, wenn man gerade Buße tut (denn immer fühlt die Seele, die hier eintritt, am Anfang das Verlangen, sich einer Buße zu unterwerfen). Solche und tausend andere Anfechtungen begegnen der Seele hier.
O Jesus, welchen Tumult erregen da die Dämonen, und welche Qual befällt die arme Seele, die nicht weiß, ob sie weitergehen oder in die erste Wohnung zurückweichen soll. Die Vernunft freilich deckt ihr die Täuschung auf und gibt ihr den Gedanken ein, daß all dies belanglos ist, verglichen mit dem, wonach sie strebt. Der Glaube lehrt sie, was ihre Pflicht ist. Das Gedächtnis macht ihr klar, wie all diese Dinge enden, indem es ihr den Tod solcher Menschen vor Augen führt, welche die geschauten Dinge im Überfluß genossen hatten; indem es ihr zeigt, wie manche jählings vor ihren Augen hingerafft worden waren und schleunigst von allen vergessen wurden; wie Leute, die sie in großem Reichtum gesehen hatte, unter den Boden kamen, wo jeder über sie hinwegging; wie auch sie selber schon oft über die Gräber derjenigen hinweggegangen war, in deren Leibern nun die Würmer wimmeln. Solche und viele andere Bilder kann die Erinnerung ihr in den Sinn rufen. Der Wille neigt sich in Liebe dahin, wo er so unzählige Taten und Zeichen der Liebe gesehen hat, und möchte sie mit etwas vergelten. Ganz klar und deutlich zeigt sich ihr jedoch vor allem, wie dieser wahre Liebhaber sie nie verläßt, sie treu begleitet, ihr Leben und Wesen schenkt. Dann eilt der Verstand herbei, um ihr zu erklären, daß sie niemals einen besseren Freund gewinnen könne, möge sie noch so viele Jahre leben; daß die ganze Welt voller Falschheit sei und die Freuden, welche der Satan ihr darbiete, aus Mühsal, Sorgen und Widersprüchen bestünden. Und er sagt ihr, daß sie gewißlich außerhalb dieser Burg weder Sicherheit noch Friede finden würde; sie solle nicht länger in fremde Häuser laufen, denn das ihre sei voller Güter, die sie genießen könne, wenn sie nur wolle. Wen gibt es denn, der alles, was er braucht, gleichsam im eigenen Hause findet und der vor allem einen solchen Gastgeber hat, welcher ihn zum Herrn über alle Güter macht, unter der einen Bedingung, daß er nicht wie der verlorene Sohn umherstreunen und vom Fraß der Schweine essen will?
Das sind Vernunftgründe, mit denen man die Dämonen überwinden kann. Doch – o Herr und mein Gott! – die Gewöhnung an die eitlen Dinge und die Erfahrung, daß alle Welt sich mit ihnen abgibt, verderben alles. Unser Glaube ist so tot, daß wir mehr nach dem begehren, was wir sehen, als nach dem, was er uns verheißt; wo wir doch in Wahrheit nichts als schlimmes Unheil an denen sehen, die diesen sichtbaren Dingen nachgehen. Daran sind die giftigen Wesen schuld, mit denen wir uns einlassen. Wird jemand von einer Viper gebissen, so vergiftet dieser Biß den ganzen Leib, und er schwillt an. Genauso ist es hier, weil wir uns nicht genügend vorsehen. Zur Heilung bedarf es natürlich vieler Kuren, und Gott erweist uns eine große Gnade, wenn wir nicht daran zugrunde gehen.
Wahrlich, die Seele erlebt hier viele Leiden, vor allem wenn der Satan merkt, daß sie durch ihre Veranlagung und ihre Sitten die Eignung besitzt, weit voranzukommen. Da wird er die ganze Hölle versammeln, um sie wieder aus der Burg zu vertreiben.
Oh, mein Herr! Hier ist eure Hilfe nötig; denn ohne sie können wir nichts tun. Laßt es nicht zu, um eurer Barmherzigkeit willen, daß die Seele der Täuschung erliegt und das Begonnene aufgibt. Erleuchte sie, damit sie erkennt, daß hierin ihr ganzes Heil liegt, und sich von den bösen Gefährten trennt; damit ihr klar wird, was für eine große, hochwichtige Sache es ist, mit Menschen umzugehen, die nach demselben Ziele streben, und wie sehr es darauf ankommt, sich nicht nur an die zu halten, die im gleichen Räume sind, wo sie sich selber befindet, sondern auch an jene, von denen sie weiß, daß sie schon weiter zur Mitte vorgedrungen sind. Dies wird ihr eine große Hilfe sein, und der Umgang mit ihnen kann dazu führen, daß diese sie zu sich ziehen. Immer sei die Seele darauf bedacht, sich nicht übermannen zu lassen; denn wenn der Satan sieht, daß sie fest entschlossen ist, lieber das Leben und die Ruhe und alles, was er ihr bieten mag, zu verlieren, als in die erste Wohnung zurückzukehren, so wird er sehr bald von ihr ablassen. Sie sei mannhaft und gehöre nicht zu denen, die sich bäuchlings zum Trinken hinwarfen, als man in die Schlacht zog (ich weiß nicht mehr, gegen wen). Entschlossen möge sie den Kampf wider alle Dämonen wagen, in der Überzeugung, daß es keine besseren Waffen gibt als die des Kreuzes. Ich habe es zwar schon des öfteren gesagt, doch will ich es hier, um seiner Wichtigkeit willen, noch einmal wiederholen: Man glaube ja nicht, daß es zu Beginn dieses Unternehmens irgendwelche Annehmlichkeiten gebe. Dies wäre ein schlechtes Fundament für ein solch herrliches, großes Bauwerk. Baut man aber auf Sand, so wird alles einstürzen. Nie wird man das Unbehagen und die Versuchungen loswerden. Denn hier sind noch nicht die Wohnungen, wo es Manna regnet. Die liegen weiter innen. Dort schmeckt alles so, wie die Seele es sich wünscht, weil sie nichts anderes will, als was Gott will. Es ist schon recht seltsam: Noch stecken wir in tausend Schwierigkeiten und Unvollkommenheiten, und die Tugenden haben noch nicht einmal das Laufen gelernt, weil sie ja eben erst sich angeschickt haben, das Licht der Welt zu erblicken (Gott gebe, daß sie sich dazu angeschickt haben!) – schämen wir uns da nicht, vom Gebet Genuß zu erwarten und uns über Dürre zu beklagen? Niemals komme euch so ein Gedanke, Schwestern. Klammert euch an das Kreuz, das euer Bräutigam auf sich nahm, und erkennet, daß dies euer Auftrag ist. Wer mehr zu erleiden vermag, der leide mehr für ihn, und er wird umso mehr die Befreiung erfahren. Das übrige betrachtet als etwas Beiläufiges, und sollte es der Herr euch schenken, so dankt ihm dafür von Herzen.
Ihr meint vielleicht, ihr wäret wohl bereit und entschlossen, die äußeren Leiden auf euch zu nehmen, wenn nur der Herr euch innerlich beschenkt. Seine Majestät weiß besser, was gut für uns ist. Wir haben keinen Grund, ihm Ratschläge zu geben, was er uns schenken soll; denn er kann mit Recht uns sagen, daß wir nicht wissen, was wir bitten, Wer sich dem Gebet zu widmen beginnt – vergeßt das nie, denn es ist sehr wichtig –, der muß allein danach streben, sich mit allem Fleiß und Eifer, mit aller Entschlossenheit, deren er fähig ist, sich darauf einzustellen, daß sein eigener Wille mit dem Willen Gottes übereinstimme. Und nehmt es als ganz gewiß, daß hierin – wie ich euch später noch sagen werde – alle höhere Vollkommenheit besteht, die man auf dem geistlichen Weg erlangen kann. Wer das am vollkommensten vermag, der wird am meisten des Herrn teilhaftig werden und ist am weitesten auf diesem Wege fortgeschritten. Denket nicht, daß es hier außerdem seltsamgeheimnisvolle Rätselreden oder unerhörte und unbegreifliche Dinge gibt; denn in dem Gesagten besteht unser ganzes Heil. Wenn wir am Anfang irren und wünschen, daß der Herr nach unserem Willen verfährt und uns führt, so wie wir uns das vorstellen – welche Festigkeit kann da dieses Bauwerk besitzen? Bemühen wir uns, das zu tun, was an uns liegt, und hüten wir uns vor diesem giftigen Gewürm; denn oft will der Herr, daß böse Gedanken uns verfolgen und quälen, die wir nicht abschütteln können, so daß Dürre über uns kommt. Zuweilen läßt er es sogar zu, daß das böse Getier uns beißt, damit wir uns später besser in acht zu nehmen wissen, und um zu erproben, ob es uns sehr bedrückt, wenn wir ihn beleidigt haben.
Darum laßt den Mut nicht sinken, wenn ihr einmal fallen solltet, und hört nicht auf, vorwärts zu streben; denn auch diesen Sturz wird Gott zum Guten wenden, wie es der Theriakverkäufer tut, der zuerst Gift trinkt, um zu beweisen, daß die Arznei heilkräftig ist. Würden wir nirgends sonst wo unser Elend und den großen Schaden erkennen, den uns das Umherstreunen einbringt, als in dieser Schlacht, die wir durchzufechten haben, um uns wieder zu sammeln, so wäre dies schon genug. Kann es etwas Schlimmeres geben, als daß wir uns in unserem eigenen Haus nicht zurechtfinden? Wie können wir hoffen, in anderen Häusern Ruhe zu finden, wenn wir sie im eigenen nicht zu finden vermögen? Selbst so große, so echte Freunde und Verwandte wie unsere Seelenkräfte, mit denen wir immer, ob wir es wollen oder nicht, zusammenleben müssen, scheinen mit uns im Streit zu liegen, als wären sie verärgert durch die Feindschaft, mit der unsere Laster sie befehdet haben. »Friede, Friede!« – mit diesem Wort, meine Schwestern, ermahnte der Herr so oft seine Jünger. Denn glaubt mir: wenn wir ihn im eigenen Haus nicht haben und nicht dafür sorgen, daß er darin herrscht, so werden wir ihn auch in den fremden Häusern nicht finden. Macht endlich Schluß mit diesem Streit! Um des Blutes willen, das er für uns vergossen hat, bitte ich diejenigen, die noch nicht damit begonnen haben, in sich zu gehen; und die anderen, die schon angefangen haben, flehe ich an, es damit nicht bewenden zu lassen und nicht zurückzuweichen. Sie sollen bedenken, daß der Rückfall schlimmer ist als der Fall. Meinen sie schon ihre Niederlage zu sehen, dann sollten sie auf Gottes Barmherzigkeit vertrauen, nicht auf sich selbst. Und sie werden sehen, wie Seine Majestät sie von Wohnung zu Wohnung führt und in das Land bringt, wo die wilden Tiere sie weder anrühren noch müdehetzen können. Die Seele macht sie vielmehr alle sich untertänig und spottet ihrer, und sie genießt mehr Güter, als sie wünschen könnte, und zwar noch in diesem Leben, das sage ich euch.
Schon am Anfang habe ich gesagt, daß ich bereits anderswo für euch beschrieben habe, wie ihr euch in diesen Verwirrungen, die hier der Satan stiftet, verhalten sollt. Nicht gewaltsam müßt ihr vorgehen, wenn ihr euch zu sammeln beginnt, sondern mit Sanftheit, damit ihr es mit größerer Beständigkeit tun könnt. Ich will hier nichts weiter dazu sagen, als daß es meines Erachtens sehr vorteilhaft ist, sich mit erfahrenen Personen zu besprechen; denn manchmal werdet ihr vielleicht meinen, daß Dinge, die notwendigerweise getan werden müssen, einen schrecklichen Schaden anrichten. Der Herr wird alles zu unserem Nutzen lenken, auch wenn wir niemanden finden, der uns belehren könnte – es sei denn, wir geben es auf; denn gegen dieses Unheil gibt es kein Mittel (außer dem einen, daß man von vorne beginnt), und die Seele erleidet von Tag zu Tag einen immer ärgeren Verlust, und Gott gebe, daß sie es merkt.
Es könnte nun eine von euch auf den Gedanken kommen, wenn es etwas so Schlimmes ist, wieder umzukehren, dann wäre es besser, niemals zu beginnen und außerhalb der Burg zu bleiben. Ich sagte euch schon am Anfang – und der Herr selber sagt es –, daß der, welcher sich in Gefahr begibt, darin umkommt und daß das Tor, durch welches man in diese Burg eintritt, das Gebet ist. Der Gedanke, wir würden in den Himmel kommen, ohne in uns zu gehen, ohne uns selber zu erkennen, unser Elend zu bedenken, unsere Schuld vor Gott, und ohne ihn vielmals um Erbarmen zu bitten, ist also töricht und widersinnig. Der Herr selber sagt: »Niemand kommt zum Vater denn durch mich« (so heißt es, glaube ich; doch ich weiß es nicht genau). Und ferner: »Wer mich sieht, der sieht meinen Vater.« Wenn wir ihn also nie anschauen, wenn wir nie den Tod betrachten, den er für uns erlitten hat, nie bedenken, was wir ihm schulden, so weiß ich nicht, auf welche Weise wir ihn erkennen und in seinem Dienste Werke vollbringen könnten. Denn bringt
der Glaube keine Werke hervor und kommt zu diesen nicht der Wert der Verdienste Jesu Christi, unseres Herrn, hinzu – welchen Wert könnten sie haben und wer erweckte unsere Liebe zu diesem Herrn? Möge es Seiner Majestät gefallen, uns die Einsicht zu geben, wieviel wir ihn gekostet haben, und uns erkennen zu lassen, daß der Diener nicht mehr ist als der Herr; daß wir Werke schaffen müssen, um uns seiner Herrlichkeit zu erfreuen, und daß es deshalb nötig ist zu beten, damit wir nicht immer in Versuchung sind.
Caeleste Desiderium
ZWEITES KAPITEL
Bevor ich fortfahre, möchte ich euch bitten, euch auszudenken, welchen Anblick diese schöne und strahlende Burg bieten mag, diese orientalische Perle, dieser Baum des Lebens, der inmitten der lebendigen Wasser des Lebens, also in Gott, gepflanzt ist –, wenn die Seele in eine Todsünde fällt. Es gibt keine unheimlichere Finsternis, und es gibt nichts, was so dunkel, so schwarz wäre,…Mehr
ZWEITES KAPITEL

Bevor ich fortfahre, möchte ich euch bitten, euch auszudenken, welchen Anblick diese schöne und strahlende Burg bieten mag, diese orientalische Perle, dieser Baum des Lebens, der inmitten der lebendigen Wasser des Lebens, also in Gott, gepflanzt ist –, wenn die Seele in eine Todsünde fällt. Es gibt keine unheimlichere Finsternis, und es gibt nichts, was so dunkel, so schwarz wäre, daß sie daneben nicht noch viel finsterer erschiene. Begehrt nicht mehr zu wissen, als daß es so ist, als wäre die Sonne, die ihr so viel Glanz und Schönheit verlieh, die Sonne, die doch noch immer in der Mitte der Seele ist, nicht mehr vorhanden; als könne die Seele nicht mehr teilhaben an ihm, sie, die doch genauso dazu befähigt ist, sich Seiner Majestät zu erfreuen, wie der Kristall die Sonne in sich aufleuchten zu lassen vermag. Da hilft ihr nichts, und deshalb bleiben alle guten Werke, die sie vollbringt, solange sie in Todsünde lebt, unfruchtbar und dienen nicht dazu, daß sie die Seligkeit erlangt. Weil diese Taten nicht aus dem Urgrund stammen, welcher Gott ist, der unsere Tugend zur Tugend macht, sondern in der Trennung von ihm entstanden sind, können sie seinen Augen nicht gefällig sein. Wer eine Todsünde begeht, hat ja auch nicht die Absicht, ihn zu erfreuen, sondern dem Satan ein Vergnügen zu machen. Da dieser die Finsternis selber ist, so ist auch die arme Seele zur gleichen Finsternis geworden.
Ich weiß von einer Person, der unser Herr zeigen wollte, was aus einer Seele wird, die sich tödlich versündigt. Diese Person behauptet, ihrer Meinung nach könne einer, der dies wirklich begriffen hat, überhaupt nicht mehr sündigen. Lieber würde er alle erdenklichen Leiden auf sich nehmen, um so den Gelegenheiten zur Sünde zu entrinnen. Der Herr flößte dieser Seele zugleich den brennenden Wunsch ein, alle Menschen möchten dies begreifen. Und so möge er auch euch, Töchter, das Verlangen eingeben, viel zu Gott zu beten für jene, die in diesem Zustand leben und gleich ihren Werken zu völliger Finsternis geworden sind.
Wie die Bächlein, die einer sehr klaren Quelle entspringen, rein und lauter sind, so ist es auch die Seele, die in der Gnade lebt. Daß ihre Werke den Augen Gottes und der Menschen wohlgefällig sind, hat seine Ursache nur darin, daß sie jener Quelle des Lebens entspringen, in welcher die Seele wurzelt, eingepflanzt wie ein Baum, der nicht die Frische und Fruchtbarkeit besäße, wenn sie ihm nicht von dorther zuflössen. Dies erhält ihn und macht, daß er nicht verdorrt und gute Frucht bringt. Entfernt sich eine Seele aus eigener Schuld von dieser Quelle und senkt sich in eine andere mit pechschwarzem Wasser von widerlichem Geruche ein, so ist auch alles, was aus ihr hervorgeht, nichts als Schmutz und Unheil.
Hier ist zu bedenken, daß die Quelle, daß jene strahlende Sonne, die sich in der Mitte der Seele befindet, ihren Glanz und ihre Schönheit nicht verliert. Sie bleibt beständig darin, und nichts kann sie ihrer Schönheit berauben. Breitet man aber über einen Kristall, der in der Sonne hegt, ein tiefschwarzes Tuch, so wird freilich, auch wenn die Sonne auf ihn scheint, ihr Leuchten in dem Kristall keine Wirkung hervorbringen.
O Seelen, die ihr losgekauft seid mit dem Blute Jesu Christi! Erkennet euch und habt Erbarmen mit euch selbst! Wie ist es möglich, daß ihr dies versteht und euch nicht bemüht, dieses Pech von dem Kristall zu entfernen? Nie wieder werdet ihr euch an diesem Licht erfreuen, wenn so euer Leben endet. O Jesus, welchen Anblick bietet eine Seele, die von ihm geschieden ist? In welch erbärmlichen Zustand geraten die Gemächer der Burg! Wie verwirrt irren die Sinne umher, die darin wohnen! Und die Seelenkräfte, die zu Burgvögten, Verwaltern und Mundschenken bestellt sind – mit welcher Blindheit treiben sie ihr schlimmes Regiment! Welche Frucht kann auch ein Baum bringen, der in einen Grund gepflanzt wurde, welcher des Teufels ist?
Ich hörte einmal einen geistlichen Mann sagen, daß es ihn nicht vor dem schaudere, was einer, der in Todsünde lebt, tue, sondern vor dem, was er nicht tue. Gott bewahre uns durch sein Erbarmen vor einem solch schrecklichen Übel. Nichts in diesem Leben verdient es, ein Übel geheißen zu werden, außer diesem Unheil; denn es zieht ewige Übel nach sich, die kein Ende haben. Das ist es, Töchter, was wir auf unserem Wege zu fürchten haben. Wir müssen Gott in unseren Gebeten anflehen, daß er uns davor behüte; denn wenn er nicht die Stadt bewacht, so ist unser Tun umsonst, da wir die Vergeblichkeit selber sind. Jener Mann sagte mir, er verdanke der Gnade, die Gott ihm erwiesen habe, zweierlei. Erstens: eine ungeheure Furcht, ihn zu beleidigen; und deshalb flehe er, weil er ein solch entsetzliches Unheil vor Augen habe, den Herrn ständig darum an, ihn nicht fallen zu lassen. Und zweitens: einen Spiegel für die Demut; denn er sehe jetzt, daß eine Wohltat, die wir vollbringen, ihren Ursprung nicht in uns selber hat, sondern in der Quelle, in welche der Baum unserer Seele gepflanzt ist; in der Sonne, die unseren Werken ihre Wärme spendet. Er sagt, dies sei ihm so klar geworden, daß er stets, wenn er irgend etwas Gutes tue oder bei einem anderen gewahre, nach der Herkunft des Guten suche und dann erkenne, wie wir ohne diese Hilfe nichts vermöchten. Dies bewog ihn, Gott zu loben, so daß er meist gar nicht daran dachte, was er selber vielleicht Gutes getan hatte.
Die Zeit, Schwestern, die ihr mit dem Lesen dieser Worte zubringt und die ich aufwende, um sie zu schreiben, wäre nicht verloren, wenn sie uns diese zwei Dinge einbrächte. Den Weisen und Gelehrten sind sie wohl vertraut; doch unser weibliches Ungeschick bedarf dringend aller erdenklichen Hilfe. Darum will der Herr vielleicht, daß uns derartige Vergleiche zur Kenntnis gelangen. Möge es seiner Güte gefallen, uns dazu seine Gnade zu schenken.
Diese inneren Dinge sind so dunkel und schwierig zu verstehen, daß jemand, der so wenig weiß wie ich, zwangsläufig viele überflüssige und sogar unsinnige Dinge sagt, um das eine oder andere treffend auszudrücken. Wer es liest, bedarf derselben Geduld, die ich aufbringe, um etwas zu schreiben, was ich nicht weiß; denn manchmal greife ich nach dem Papier, als wäre ich ein Ding ohne Verstand, und weiß nicht, was sagen und wie anfangen. Dabei verstehe ich wohl, wie wichtig es für euch ist, daß ich euch, so gut ich kann, einige innere Erfahrungen erkläre. Wir hören immer, wie gut das Gebet sei; und unsere Regel schreibt uns vor, ihm bestimmte Stunden zu widmen. Doch man erklärt uns nichts, was wir uns nicht selbst erklären können. Und von dem, was der Herr in einer Seele bewirkt – dem Übernatürlichen, das in ihr geschieht –, wird uns wenig gesagt. Würde dies in vielfältiger Weise uns dargelegt und erläutert, so schenkte man uns damit den großen Trost, dieses himmlische Kunstwerk in unserem Inneren betrachten zu können, das von den Sterblichen so wenig verstanden wird, obgleich so viele darin umhergehen. In anderen Schriften, die ich verfaßt habe, hat der Herr zwar einiges verständlich gemacht, doch ich erkenne, daß ich damals verschiedenes – vor allem von den schwierigsten Dingen – nicht so gut verstanden habe wie später. Mühsam ist nun bloß, daß ich, ehe wir zu diesen gelangen, wohl viele sattsam bekannte Dinge sagen werde, da es meinem unbeholfenen Geist nicht anders möglich ist.
Kehren wir nun also wieder zu unserer Burg mit jenen vielen Wohnungen zurück. Ihr dürft euch nicht vorstellen, daß diese Wohnungen wie aufgereiht eine hinter der anderen liegen. Richtet vielmehr eure Augen auf die Mitte, die das Gemach und der Palast ist, wo der König weilt, und stellt die Burg euch vor wie eine Zwergpalme, bei der viele Hüllen das köstliche Herzblatt umschließen. So liegen dort rings um diesen Raum viele andere Gemächer, und ebenso darüber. Denn die Dinge der Seele muß man sich immer in Fülle und Weite und Größe denken. Damit erhöht man sie keineswegs, sie, die viel mehr vermag, als wir uns vorstellen können, und die überall durchdrungen ist von der Sonne, die in diesem Palaste strahlt.
Sehr wichtig für jede Seele, die sich – viel oder wenig – dem Gebet widmet, ist es, daß man sie nicht in einen Winkel pfercht oder einengt. Man lasse sie durch all diese Wohnungen wandeln, aufwärts und abwärts und nach den Seiten hin; denn Gott hat ihr eine so große Würde verliehen. Auch dränge man sie nicht dazu, lange Zeit in einem einzigen Gemach zu bleiben, nicht einmal in dem der Selbsterkenntnis, so wichtig diese – wohlgemerkt – selbst für diejenigen ist, die der Herr in die gleiche Wohnung eingelassen hat, in welcher er selber weilt; denn so hoch die Seele auch stehen mag – nie wird etwas anderes die Selbsterkenntnis ersetzen können, ob man dies will oder nicht. Die Demut wirkt nämlich wie die Biene, die im Stock den Honig bereitet. Ohne sie geht alles verloren. Bedenkt aber, daß die Biene es nicht versäumt, hinauszufliegen, um den Nektar der Blüten zu sammeln. Genauso muß es die Seele mit der Selbsterkenntnis halten. Glaubt es mir und fliegt zuweilen aus, um die Größe und Majestät eures Gottes zu betrachten. Da wird die Seele ihre Niedrigkeit eher entdecken als in sich selber, und sie wird weniger belästigt sein von dem Gewürm, das in die ersten Gemächer – eben die Selbsterkenntnis – mit eindringt. Obwohl es, wie gesagt, ein großes Erbarmen Gottes bedeutet, wenn man sich darin übt, so kommt es doch auf das rechte Maß an. »Nicht zuviel und nicht zuwenig« – wie man zu sagen pflegt. Und man glaube mir, daß wir mit der Kraft Gottes eine sehr viel höhere Tugend erwirken, als wenn wir zäh an unserer Erde kleben.
Ich weiß nicht, ob ich es recht verständlich gemacht habe; denn es ist eine so wichtige Sache, dieses Erkennen unseres eigenen Ichs, daß ich wünschte, ihr möchtet niemals darin ermatten, so hoch ihr auch in den Himmeln emporgestiegen sein möget. Solange wir uns auf dieser Erde befinden, gibt es nichts, was für uns wichtiger wäre als die Demut. Und darum sage ich nochmals, daß es sehr gut und ganz vortrefflich ist, wenn man danach strebt, zuerst in jenes Gemach zu gelangen, wo es um diese Tugend geht, ehe man zu den anderen fliegt. Denn dies ist der Weg. Und wozu sollten wir, solange wir auf sicherem und ebenem Gelände gehen können, uns Flügel zum Fliegen wünschen, anstatt zu sehen, wie wir auf diesem Wege weiterkommen? Doch nach meiner Ansicht werden wir mit unserer Selbsterkenntnis nie zu Ende kommen, wenn wir nicht danach trachten, Gott zu erkennen. Im Anblick seiner Größe entdecken wir unsere Niedrigkeit, und angesichts seiner Reinheit sehen wir unseren Schmutz. Die Betrachtung seiner Demut läßt uns erfahren, wie weit wir davon entfernt sind, demütig zu sein. Das bringt uns zweierlei Gewinn. Der erste: daß etwas Weißes neben dem Schwarzen offensichtlich sehr viel weißer erscheint, und ebenso umgekehrt das Schwarze neben dem Weißen. Der zweite: daß unser Verstand und Wille sich veredeln und ertüchtigen zu allem Guten, wenn wir, statt mit uns selbst, mit Gott verkehren. Steigen wir nie aus dem Schlamm unserer eigenen Erbärmlichkeit heraus, so bedeutet das ein schweres Hindernis. Von den Menschen, die in Todsünde leben, sagten wir, wie schwarz und übel riechend die Gewässer um sie sind. Und auch bei denen, die immer im Elend unserer Erde stecken bleiben (welche freilich ganz und gar nicht so sind wie die vorigen – Gott bewahre uns davor, daß wir dies mit dem Vergleich sagen!), wird die Strömung nie aus dem Schlamm der Ängste herauskommen, aus der Verzagtheit und Feigheit, die furchtsam fragt, ob man auf mich schaut oder nicht auf mich schaut; ob mir, wenn ich diesem Weg folge, etwa ein Unheil zustößt; ob ich es wagen kann, jenes Werk zu beginnen; ob es Hochmut ist; ob es recht ist, daß eine solch elende Person sich mit einer solch hohen Sache wie dem Gebet befaßt; ob man mich für etwas Besseres hält, wenn ich nicht den allgemeinen Weg gehe. Denn Übertreibungen sind nicht gut, auch nicht in der Tugend. Da ich so sündhaft bin, werde ich sonst nur um so tiefer stürzen und den Guten dadurch schaden. So eine wie ich verdient ja nichts Besonderes.
Oh, Gott bewahre, meine Töchter! Wie viele Seelen hat der Satan durch solche Mattherzigkeit um reichen Gewinn gebracht! All diese Bedenken erscheinen ihnen als Demut, und vieles andere mehr, was ich noch nennen könnte. Die Ursache davon ist, daß wir uns selbst nicht ganz verstehen. Der Satan verdreht unsere Selbsterkenntnis, und wenn wir nie aus uns selbst herausgehen, so wundert es mich nicht, daß solche und ähnliche Ängste in uns auftauchen können. Darum, Töchter, sage ich: Laßt uns die Augen auf Christum richten, unser Heil, wo wir die wahre Demut erfassen, und laßt uns auf seine Heiligen schauen. Dann wird sich, wie ich gesagt habe, unser Verstand veredeln und unsere Selbsterkenntnis davor bewahrt werden, zur Kriecherei und Feigheit zu entarten. Obwohl dies die erste Wohnung ist, birgt sie doch großen Reichtum und ist von hohem Wert. Gelingt es der Seele, hier dem Gewürm zu entrinnen, so wird sie gewiß noch weiter vorankommen. Aber schrecklich sind die Tücken und Ränke, die der Satan ersinnt, damit die Seelen sich nicht selbst erkennen und ihre Wege nicht verstehen.
Aus eigener Erfahrung könnte ich von dieser ersten Wohnung eine recht gute Beschreibung geben. Deshalb sage ich, man möge sich bei dieser Bezeichnung nicht einige wenige Zimmer vorstellen, sondern eine Unzahl von Gemächern. Auf vielerlei Weisen kommen Seelen hier herein, und alle in guter Absicht. Doch da der Satan immer seinen bösen Zweck verfolgt, gibt es dort wohl in jedem Raum viele Legionen von Dämonen, die dafür kämpfen, daß die Seelen nicht zu den nächsten Räumen vordringen können. Weil die arme Seele ahnungslos ist, stellt er uns mit tausenderlei Gaukeleien seine Fallen. Weniger wirksam sind seine Finten bei denen, die dem Orte näher sind, wo der König weilt. Doch hier, wo die Seelen noch von der Welt durchtränkt sind, wo sie noch in irdischen Vergnügungen befangen sind und verwirrt werden von weltlichen Ehren und Ansprüchen, hier haben die Vasallen der Seele – die Sinne und Geisteskräfte, die Gott ihr von Natur aus gegeben hat – noch nicht die nötige Kraft. Und darum werden diese Seelen leicht besiegt, auch wenn sie die Sehnsucht fühlen, Gott nicht zu beleidigen, und obwohl sie gute Werke vollbringen. Wer in dieser Lage ist, der muß, sooft er kann, Seine Majestät um Hilfe angehen, die gebenedeite Mutter als Vermittlerin nehmen und seine Heiligen bitten, daß diese für ihn streiten, weil den eigenen Dienern noch die Kraft mangelt, sich zu wehren. Wahrlich, immer und überall sind wir darauf angewiesen, daß wir diese Kraft von Gott erhalten. Seine Majestät möge sie uns schenken aus seiner Barmherzigkeit, Amen.
Wie erbärmlich ist das Leben, in dem wir uns regen. Da ich schon bei anderer Gelegenheit viel davon gesprochen habe, wie sehr es uns schadet, meine Töchter, wenn wir die Bedeutung der Demut und der Selbsterkenntnis nicht recht erfassen, so will ich es hier damit bewenden lassen, obgleich diese Einsicht für uns das Dringlichste ist. Der Herr gebe, daß ich etwas gesagt habe, was euch von Nutzen ist.
Ihr werdet gewahren, daß in diese erste Wohnung noch beinahe nichts von jenem Lichte dringt, das von dem Palast ausgeht, wo der König weilt. Sie ist zwar nicht so finster und schwarz wie der Zustand einer Seele, die in Sünde lebt, doch ist es auch hier irgendwie düster, so daß derjenige, der darin ist, das Licht nicht sehen kann. Aber nicht das Gemach ist daran schuld – ich weiß nicht, wie ich es verständlich machen soll –, sondern daß so viele böse Wesen, Nattern und Ottern und anderes giftige Getier, mit der Seele herein gelangt sind und ihr nun das Licht verdecken. Es ist, wie wenn jemand irgendwo hineinkommt, wo viel Licht hereinfällt, doch seine Augen sind mit Lehm verschmiert, so daß er sie kaum öffnen kann. Der Raum ist hell, aber die Seele genießt es nicht, weil dieses wilde Getier sie daran hindert. Es zwingt sie, die Augen zu schließen, damit sie nichts sieht außer diesen scheußlichen Wesen. So muß es wohl meines Erachtens einer Seele gehen, die zwar nicht böse lebt, aber doch so tief in den Dingen der Welt steckt, sich so voll gesogen hat mit Besitz oder Ehre oder Geschäften, daß sie, obwohl sie wirklich den Wunsch hat, sich zu sehen und ihrer eigenen Schönheit sich zu erfreuen, der Umgarnung durch so viel Hinderliches anscheinend nicht entschlüpfen kann. Um in die zweite Wohnung gelangen zu können, ist es sehr wichtig, daß man sich – soweit es der Stand erlaubt, dem man angehört – bemüht, sich aller unnötigen Dinge und Geschäfte zu entledigen. Dies ist so dringend erforderlich, daß ich es für unmöglich halte, es könne einer je bis zur Hauptwohnung kommen, wenn er nicht damit den Anfang macht. Er wird sogar in der Wohnung, wo er sich befindet, in großer Gefahr schweben, obwohl er ja bereits in die Burg hereingekommen ist; denn unter so viel giftigem Gewürm ist es undenkbar, daß er nicht den einen oder anderen Biß erhält.
Wie wäre es aber erst, Töchter, wenn Menschen, die schon frei sind von solchen Hemmnissen, wie wir es sind – wenn wir, nachdem wir schon sehr viel tiefer, zu anderen geheimen Wohnungen der Burg vorgedrungen sind, aus eigener Schuld umkehren würden und wieder hinausgingen in jenen Tumult und Wirrwarr? Es gibt sicher viele, denen Gott Gnaden erwiesen hat und die durch eigene Schuld sich erneut in dieses Elend stürzen. Wir hier sind äußerlich frei – gebe Gott, daß wir es auch innerlich sind. Möge er uns frei machen.
Hütet euch, meine Töchter, vor fremden Sorgen. Erkennt, daß es wenige Wohnungen in dieser Burg gibt, wo die Dämonen den Kampf aufgeben. Es ist wahr: in einigen sind die Wächter (das sind die Seelenkräfte, wie ich – glaube ich – bereits gesagt habe) stark genug zum Streit. Doch es ist dringend nötig, daß wir stets auf der Hut sind vor den Tücken des Satans und uns nicht überlisten lassen, wenn er als Engel des Lichts sich uns zeigt; denn es gibt vielerlei Dinge, mit denen er uns schaden kann. Schritt um Schritt schleicht er sich herein, und wir erkennen das Unheil erst, wenn es bereits geschehen ist.
Ich sagte schon ein andermal, daß er wie eine lautlose Feile ist. Wir müssen ihn deshalb gleich zu Beginn erkennen. Ich will ein Beispiel nennen, um euch dies verständlicher zu machen. Einer Schwester flößt er ein heftiges Verlangen nach Buße ein, so daß sie meint, sie finde keine Ruhe, wenn sie sich nicht foltere und martere. Dieser Anfang ist gut. Wenn aber die Priorin geboten hat, ohne ihre Erlaubnis keine Bußübungen zu machen, und der Satan in dieser Schwester nun die Meinung weckt, einer so guten Sache zuliebe dürfe man wohl schon etwas wagen, und wenn sie es heimlich so treibt, daß sie ihre Gesundheit ruiniert und gegen die Ordensregel verstößt, dann seht ihr ja, wo dieser gute Anfang sein Ende nimmt. Einer anderen gibt der Satan ein großes, eifriges Begehren nach Vollkommenheit ein. Dieser Eifer ist sehr gut, doch es könnte so weit kommen, daß ihr jeder kleine Fehler an ihren Schwestern als furchtbares Unheil erscheint; daß sie darüber wacht, ob sie solche Fehlerchen begehen, und dann zur Priorin rennt. Es könnte sogar vorkommen, daß sie vor lauter Eifer um die wahre Frömmigkeit ihre eigenen Fehler übersieht. Und da die anderen ihr nicht ins Herz blicken können, sondern nur sehen, wie sie aufpaßt, so könnte es sein, daß sie darüber ungehalten werden.
Was der Satan hier anstrebt, ist nicht wenig: nämlich das Mitleid und die gegenseitige Nächstenliebe abzukühlen. Gelänge es ihm, so wäre das ein großer Schade. Laßt uns verstehen, meine Töchter, daß die wahre Vollkommenheit die Liebe zu Gott und dem Nächsten ist und daß wir desto vollkommener werden, je vollkommener wir diese zwei Gebote halten. Unsere ganze Ordensregel und ihre Satzungen dienen nur als ein Mittel, damit wir diesen beiden Forderungen immer mehr und immer besser entsprechen. Lassen wir darum alles fürwitzige Eifern, das uns großen Schaden antun kann. Ein jeder schaue auf sich selber. Weil ich an anderer Stelle euch hierüber genug gesagt habe, will ich nicht länger davon reden.
Diese gegenseitige Liebe ist so wichtig, daß ich wollte, ihr würdet sie niemals vergessen; denn wenn wir herumgehen und auf nichtige Kleinigkeiten blicken, die wir an anderen auszusetzen haben und die manchmal gar keine Mängel sind, sondern die wir vielleicht nur wegen unseres beschränkten Wissens als anstößig betrachten, so kann unsere Seele den Frieden verlieren und sogar die der anderen beunruhigen. Schaut, ob solche Vollkommenheit uns nicht zu teuer käme! Der Satan könnte mit derlei Versuchungen auch der Priorin zusetzen – was noch gefährlicher wäre. Da bedarf es vieler Klugheit. Geht es um Dinge, die gegen die Regel und die Satzung sind, so darf man nicht alles ungerügt lassen, sondern muß sie darauf hinweisen, und wenn sie sich nicht bessert, es dem Vorgesetzten melden. Dies gebietet das Mitleid. Das gleiche gilt im Verhältnis zu den Schwestern, wenn es sich um eine schwerwiegende Sache handelt. Alles geschehen zu lassen aus der Furcht, es könnte eine Versuchung für uns sein, das wäre ebenfalls eine Versuchung. Doch sollte man sehr darauf bedacht sein, nicht untereinander davon zu reden; denn daraus könnte der Satan großen Gewinn schlagen und die Gewohnheit der üblen Nachrede entstehen. Wie gesagt: Man sollte sich damit nur an denjenigen wenden, der Abhilfe schaffen kann. Hier sind wir, Gott sei Dank, dieser Gefahr nicht so sehr ausgesetzt, da wir beständiges Stillschweigen üben; doch es ist gut, wenn wir auf der Hut sind.
Caeleste Desiderium
DIE ERSTE WOHNUNG
ERSTES KAPITEL
Wie ich heute unseren Herrn anflehte, er möge durch mich reden – weil ich nichts zu sagen fand und nicht wußte, wie ich mit der Erfüllung dieser Aufgabe beginnen sollte –, da bot sich mir dar, was ich nunmehr sagen und als Fundament gebrauchen möchte: nämlich unsere Seele als eine Burg zu betrachten, die ganz aus einem Diamant oder einem sehr klaren Kristall besteht …Mehr
DIE ERSTE WOHNUNG
ERSTES KAPITEL

Wie ich heute unseren Herrn anflehte, er möge durch mich reden – weil ich nichts zu sagen fand und nicht wußte, wie ich mit der Erfüllung dieser Aufgabe beginnen sollte –, da bot sich mir dar, was ich nunmehr sagen und als Fundament gebrauchen möchte: nämlich unsere Seele als eine Burg zu betrachten, die ganz aus einem Diamant oder einem sehr klaren Kristall besteht und in der es viele Gemächer gibt, gleichwie im Himmel viele Wohnungen sind. Denn wenn wir es recht betrachten, Schwestern, so ist die Seele des Gerechten nichts anderes als ein Paradies, in dem der Herr, wie er selbst sagt, seine Lust hat. Nun, was meint ihr, wie wohl die Wohnstatt sein mag, in der ein solch mächtiger, weiser und reiner König, der so reich an Gütern jeglicher Art ist, sich ergötzt? Ich finde nichts, mit dem sich die große Schönheit einer Seele, ihre Weite und ihre hohe Befähigung vergleichen ließe. Und wahrlich, unsere Einsicht und unser Verstand – so scharfsinnig sie sein mögen – reichen schwerlich aus, sie zu begreifen, genauso wenig wie sie Gott sich auszudenken vermögen; denn er selbst sagt, daß er uns schuf nach seinem Bilde. Ist dies wirklich so – und es ist so –, dann brauchen wir uns nicht abzumühen in dem Verlangen, die
Schönheit dieser Burg zu erfassen. Obgleich zwischen ihr und Gott der Unterschied besteht, der den Schöpfer trennt vom Geschöpf – da sie ja etwas Erschaffenes ist –, so genügt doch das Wort Seiner Majestät, daß sie nach seinem Bilde geschaffen ist, um die große Würde und Schönheit der Seele uns als kaum fassbar erscheinen zu lassen.
Nicht wenig Elend und Verwirrung kommen daher, daß wir durch eigene Schuld uns selber nicht verstehen und nicht wissen, wer wir sind. Erschiene es nicht als eine schreckliche Unwissenheit, meine Töchter, wenn jemand keine Antwort wüßte auf die Frage, wer er ist, wer seine Eltern sind und aus welchem Lande er stammt? Wäre dies ein Zeichen viehischen Unverstands, so herrschte in uns ein noch unvergleichlich schlimmerer Stumpfsinn, wenn wir uns nicht darum kümmerten, zu erfahren, was wir sind, sondern uns mit diesen Leibern zufriedengäben und folglich nur so obenhin, vom Hörensagen, weil der Glaube es uns lehrt, davon wüßten, daß wir eine Seele haben. Aber welche Güter diese Seele in sich bergen mag, wer in ihr wohnt und welch großen Wert sie hat, das bedenken wir selten, und darum ist man so wenig darauf bedacht, ihre Schönheit mit aller Sorgfalt zu bewahren. All unsere Achtsamkeit gilt der rohen Einfassung, der Ringmauer dieser Burg, das heißt: den Körpern.
Denken wir uns also, daß diese Burg – wie ich schon gesagt habe – viele Wohnungen hat, von denen einige oben gelegen sind, andere unten und wieder andere seitwärts, und daß sie ganz innen, in der Mitte all dieser Wohnungen, die allerwichtigste birgt: jene, wo die tief geheimnisvollen Dinge zwischen Gott und der Seele vor sich gehen. Es ist nötig, daß ihr auf dieses Gleichnis achtet. So Gott will, kann ich euch damit etwas von den Gnaden verständlich machen, die Gott nach seinem Belieben den Seelen verleiht, und von den Unterschieden, die zwischen ihnen bestehen (soweit dies nach meinem Verständnis möglich ist; denn alle zu verstehen, vermag niemand, so mannigfaltig sind sie; und schon gar nicht jemand, der so armselig ist wie ich). Denn wenn der Herr euch solche Gnaden erweisen sollte, wird es für euch ein großer Trost sein, zu wissen, daß dies möglich ist; und für die, denen dies nicht widerfährt, wird es ein Grund sein, seine große Güte zu loben. Es schadet uns ja nicht, darüber nachzusinnen, was im Himmel ist und was die Seligen genießen, vielmehr freut es uns und spornt uns an, dasselbe zu erlangen, was sie genießen – und genausowenig wird es uns schaden, wenn wir sehen, daß schon hier in der Verbannung dieser Welt ein solch großer Gott sich mit Würmern abgeben kann, die voll üblen Geruches sind, und daß eine so vollkommene Güte, ein solch unermeßliches Erbarmen uns liebt.
Wem die Erkenntnis der Möglichkeit, daß Gott diese Gnade hier in der Verbannung uns erweist, schaden sollte, dem müßte es – davon bin ich fest überzeugt – sehr an Demut und Nächstenliebe fehlen. Denn wie sollten wir uns sonst nicht darüber freuen, daß Gott diese Gnaden einem unserer Brüder erweist (was ihn ja nicht hindert, sie auch uns zu erzeigen) und daß Seine Majestät ihre Größe offenbart, an wem sie nun will? Manchmal wird der Herr es ja allein zu dem einen Zwecke tun, seine Größe sichtbar zu machen (wie er es sagte, als er dem Blinden das Augenlicht schenkte und die Apostel Ihn fragten, ob dieser wegen seiner eigenen Sünden oder wegen der Sünden seiner Eltern erblindet sei). Er tut es also nicht, weil diejenigen, denen er solche Gnaden erweist, heiliger wären als die anderen, denen er sie nicht erweist, sondern darum, daß man seine Größe erkenne (wie wir es am heiligen Paulus und an der Magdalena sehen) und daß wir ihn preisen in seinen Geschöpfen.
Man könnte nun sagen, diese Dinge erschienen unmöglich, und es sei gut, den Schwachen kein Ärgernis zu geben. Doch es ist weniger verloren, wenn diese Zaghaften nicht glauben, als wenn diejenigen um den Gewinn gebracht werden, denen Gott solche Gnaden erweist und die sich darüber freuen und dadurch ermuntert werden, ihn mehr zu lieben, der soviel Barmherzigkeit erzeigt, obgleich seine Macht und Herrlichkeit so groß sind. Das sage ich mit um so größerer Gewißheit, als ich weiß, daß bei denen, mit welchen ich rede, diese Gefahr nicht besteht; denn sie wissen und glauben, daß Gott noch größere Zeichen der Liebe vollbringt. Auch weiß ich, daß niemand, der hieran nicht glaubt, es aus eigenem Erleben erfährt; denn Gott liebt es sehr, daß man seinen Werken keine Schranke setzt. Und darum, Schwestern, möget ihr, die der Herr nicht auf diesem Wege führt, nie in solchen Unglauben verfallen.
Doch kehren wir zu unserer schönen, beglückenden Burg zurück, und schauen wir, wie wir hineingelangen können. Es scheint, als sagte ich einen Unsinn; denn wenn diese Burg die Seele ist, so ist doch klar, daß man nicht hineingehen muß, da man ja selbst die Burg ist. Genauso närrisch erschiene es, wenn man jemandem sagte, er möge in ein Zimmer gehen, in dem er sich bereits befindet. Doch ihr müßt verstehen, daß zwischen Darinnensein und Darinnensein ein großer Unterschied besteht. Es gibt viele Seelen, die sich im Wehrgang der Burg aufhalten – also dort, wo die Wachen stehen – und denen nichts daran gelegen ist, ihre inneren Anlagen zu betreten. Sie wissen nicht, was an diesem wundervollen Ort zu finden ist, noch wer darin weilt, ja nicht einmal, was für Gemächer die Burg umschließt. In manchen Andachtsbüchern habt ihr gewiß schon den Rat vernommen, die Seele möge in sich gehen. Damit ist genau dasselbe gemeint.
Ein großer Gelehrter sagte mir unlängst, die Seelen ohne Gebet glichen einem gelähmten, bewegungsunfähigen Körper, der zwar Hände und Füße besitze, ihnen aber nicht gebieten könne. Und wahrlich, so ist es. Es gibt Seelen, die so krank sind, die sich so daran gewöhnt haben, in äußeren Dingen befangen zu sein, daß es völlig undenkbar erscheint, sie könnten jemals in sich gehen. Denn es ist ihnen schon so zur Gewohnheit geworden, ständig mit dem Gewürm und Viehzeug umzugehen, das rings um die Burg sich regt, daß sie schon fast ebenso tierisch geworden sind, obwohl sie von Natur aus so reich begabt und fähig sind, mit keinem Geringeren als Gott selber zu reden. Bemühen sich diese Seelen nicht, ihr Elend zu begreifen und ihm abzuhelfen, so müssen sie zur Salzsäule erstarren, weil sie den Blick nicht zurück auf sich selber richten (wie es – umgekehrt – dem Weibe des Lot geschah, weil es zurückschaute).
Nach meiner Erfahrung sind das Gebet und die Andacht das Tor, durch das man die Burg betreten kann. Damit meine ich das mündliche Gebet nicht minder als das Gebet im Geiste; denn um Gebet zu sein, bedarf beides der Ehrfurcht und Andacht. Ein Gebet, bei dem man nicht darauf achtet, mit wem man redet und was man erbittet, wer der Bittsteller ist und wer der Angeflehte, das nenne ich kein das nenne ich kein Gebet, mag man dabei auch noch so viel die Lippen bewegen. Wird manchmal, auch wenn man nicht mit dieser Aufmerksamkeit dabei ist, dennoch ein Gebet daraus, so nur deshalb, weil man bei anderen Gelegenheiten die nötige Andacht aufgebracht hat. Doch wenn jemand gewohnt ist, mit der Majestät Gottes so zu reden, als spreche er mit seinem Sklaven, ohne darauf zu schauen, ob er unrecht rede, sondern einfach so daherschwatzt, was ihm in den Mund kommt und was er von früher auswendig weiß, so halte ich das für kein Gebet, und Gott verhüte, daß irgendein Christ es dafür halte. Ich hoffe auf Seine Majestät, Schwestern, daß dies unter euch nicht geschehe; denn ihr seid es ja gewohnt, euch mit innerlichen Dingen zu befassen. Das ist ein recht gutes Mittel, um nicht in solchen Schwachsinn zu verfallen.
Doch wir wollen nicht mit diesen lahmen Seelen reden, die sich in argem Elend und großer Gefahr befinden, wenn nicht der Herr selber kommt und ihnen (wie jenem Manne, der dreißig Jahre neben dem Teich gelegen war) gebietet, sich zu erheben, sondern wollen zu den anderen Seelen sprechen, die schließlich in die Burg eingehen. Obwohl sie tief in der Welt stecken, haben sie doch ein gutes Verlangen, und zuweilen – wenn auch selten – empfehlen sie sich dem Schutze unseres Herrn und denken darüber nach, wer sie sind, sei es auch nicht sehr gründlich. Auch beten sie jeden Monat irgendwann einmal, von tausend Geschäften erfüllt, mit denen ihre Gedanken fast immer umgehen. Sie sind so daran gefesselt – denn »wo ihr Schatz ist, dahin geht ihr Herz« –, daß sie sich zuweilen vornehmen, sich davon frei zu machen. Von großer Bedeutung ist es da, wenn sie sich selbst erkennen und sehen, daß sie nicht auf dem rechten Wege sind, der zur Burgpforte hineinführt. Endlich treten sie in die ersten der unteren Gemächer ein; doch mit ihnen dringt so viel Gewürm ein, daß sie weder die Schönheit der Burg zu sehen vermögen noch zur Ruhe kommen können. Schwer genug ist es ihnen gefallen, überhaupt hereinzukommen.
Diese Schilderung wird euch unangebracht erscheinen, meine Töchter, da ihr durch Gottes Güte nicht zu diesen Menschen gehört. Ihr müßt Geduld haben, denn ich weiß nicht, in welcher Weise ich euch sonst verständlich machen könnte, wie ich gewisse innere Dinge des Gebets verstehe. Der Herr gebe, daß es mir gelingt, etwas zu sagen. Was ich euch gern erklären würde, ist nämlich recht schwierig zu verstehen, wenn man es nicht selbst erfahren hat. Habt ihr es erlebt, so werdet ihr erkennen, daß es unumgänglich ist, an das zu rühren, wovon wir – so der Herr will – verschont bleiben mögen, um seiner Barmherzigkeit willen.
Caeleste Desiderium
Die innere Burg
JHS
Wenige Dinge, die mir der Gehorsam geboten hat, sind mir so schwer gefallen wie jetzt die Aufgabe, über das Gebet zu schreiben. Einmal, weil ich nicht den Eindruck habe, daß der Herr mir dazu Geist oder Lust verleiht; und zum anderen, weil ich schon seit drei Monaten ein solches Dröhnen und eine solche Schwäche im Kopfe fühle, daß ich selbst die unumgänglichen Schreibarbeiten …Mehr
Die innere Burg

JHS

Wenige Dinge, die mir der Gehorsam geboten hat, sind mir so schwer gefallen wie jetzt die Aufgabe, über das Gebet zu schreiben. Einmal, weil ich nicht den Eindruck habe, daß der Herr mir dazu Geist oder Lust verleiht; und zum anderen, weil ich schon seit drei Monaten ein solches Dröhnen und eine solche Schwäche im Kopfe fühle, daß ich selbst die unumgänglichen Schreibarbeiten nur mühsam erledigen kann. Doch da ich weiß, daß die Kraft des Gehorsams Dinge zu bewältigen pflegt, die unüberwindlich erscheinen, so entschließt sich der Wille, es gern und mit herzlichem Eifer zu tun, auch wenn es der Natur hart anzukommen scheint. Denn der Herr hat mir nicht soviel Tugend verliehen, daß der Kampf mit der ständigen Krankheit und Beanspruchungen vieler Art ausgefochten werden könnte ohne heftigen Widerspruch der eigenen Natur. Möge Er es tun, der andere, schwierigere Dinge vollbracht hat, um mir seine Gnade zu erweisen, und auf dessen Erbarmen ich vertraue.
Ich glaube zwar, daß ich nicht viel mehr zu sagen weiß, als ich bei anderen Gelegenheiten, da man mir zu schreiben befahl, schon gesagt habe. Ich fürchte vielmehr, daß es fast das gleiche sein wird; denn es geht mir genau wie den Vögeln, die man das Sprechen lehrt: sie können nichts anderes sagen, als was man ihnen beigebracht hat oder was sie gehört haben, und wiederholen es
ein ums andere Mal. Will der Herr, daß ich etwas Neues sage, so wird Seine Majestät es mir geben, oder wird er sich damit begnügen, mir das ins Gedächtnis zu rufen, was ich früher gesagt habe. Ich wäre auch damit zufrieden; denn ich habe ein so schlechtes Gedächtnis, daß es mich freuen würde, einiges wieder zu finden, von dem man behauptet hat, es sei gut ausgedrückt gewesen – für den Fall, daß es verloren gegangen sein sollte. Wenn der Herr mir auch dies nicht gewähren sollte, so wird es mir dennoch ein Gewinn sein, um des Gehorsams willen mich abzumühen und meine Kopfschmerzen zu mehren, selbst wenn meine Worte zu gar nichts nütze wären. Und so beginne ich denn heute, am Tag der Allerheiligsten Dreifaltigkeit des Jahres 1577, hier im Kloster des heiligen Joseph vom Karmel in Toledo, wo ich derzeit weile, diese Pflicht zu erfüllen, mich in allem, was ich sage, dem Urteil derer unterwerfend, die mir zu schreiben befohlen haben, welches Personen von hohem Wissen sind. Sollte ich etwas sagen, was nicht dem Glauben der heiligen römisch–katholischen Kirche entspricht, so geschieht es aus Unwissenheit und nicht aus böser Absicht. Dessen kann man so gewiß sein, wie es sicher ist, daß ich durch Gottes Güte ihr immer ergeben bin und es sein werde und es stets gewesen bin. Ihm sei Ruhm und Ehre in Ewigkeit, Amen.
Der mir zu schreiben befohlen hat, sagte mir, daß die Nonnen in diesen Klöstern Unserer Lieben Frau vom Karmel jemanden brauchten, der ihnen einige Zweifel wegen des Gebets zerstreue. Da er den Eindruck habe, daß Frauen die Sprache von ihresgleichen am besten verstehen, wären meine Worte – bei der Liebe, die sie für mich hegten – ihnen wohl am dienlichsten. Er sei daher der Meinung, daß es nicht belanglos wäre, wenn es mir gelänge, dazu etwas zu sagen. Mit dem, was ich im folgenden schreiben werde, wende ich mich also an sie. Und da der Gedanke, es könne für andere Personen von irgendwelcher Bedeutung sein, töricht erscheint, so wird mir unser Herr Gnade genug erweisen, wenn meine Worte einer dieser Nonnen dazu dienen, Ihn ein wenig mehr zu loben. Seine Majestät weiß wohl, daß ich nach nichts anderem strebe, und meine Schwestern werden ohne Zweifel erkennen, daß es nicht mein Werk ist, wenn etwas davon treffend ausgedrückt sein sollte, es sei denn, sie hätten so wenig Einsicht, wie ich Talent für dergleichen Dinge besitze, falls der Herr es mir nicht schenkt in seiner Barmherzigkeit.
loveshalom
Geliebter – suche mich in dir!
Die Liebe hat in meinem Wesen
dich abgebildet treu und klar:
Kein Maler läßt so wunderbar,
Geliebter, deine Züge lesen.
Hat doch die Liebe dich erkoren
als meines Herzens schönste Zier.
Bist du verirrt, bist du verloren:
Geliebter, suche dich in mir!
In meines Herzens Tiefe
trag' ich dein Porträt, so echt gemalt;
Sähst du, wie es vor Leben strahlt,
verstummte jede …Mehr
Geliebter – suche mich in dir!

Die Liebe hat in meinem Wesen
dich abgebildet treu und klar:
Kein Maler läßt so wunderbar,
Geliebter, deine Züge lesen.
Hat doch die Liebe dich erkoren
als meines Herzens schönste Zier.
Bist du verirrt, bist du verloren:
Geliebter, suche dich in mir!
In meines Herzens Tiefe
trag' ich dein Porträt, so echt gemalt;
Sähst du, wie es vor Leben strahlt,
verstummte jede bange Frage.
Und wenn dein Sehnen mich nicht findet,
dann such nicht dort und such nicht hier:
Gedenk, was dich im Tiefsten bindet:
Geliebter, suche mich in dir!
Du bist mein Haus und meine Bleibe,
bist meine Heimat für und für:
Ich klopfe stets an deine Tür,
daß dich kein Trachten von mir treibe.
Und meinst du, ich sei fern von hier,
dann ruf mich, und du wirst erfassen,!
daß ich dich keinen Schritt verlassen
Geliebter, suche mich in dir!

Theresa von Avila
loveshalom
"Wer das Gebet übt, bleibt nicht lange in der Sünde. Denn entweder wird er das Gebet oder die Sünde lassen, weil Gebet und Sünde nicht nebeneinander bestehen können."
Ein weiterer Kommentar von loveshalom
loveshalom
Für Teresa von Avila ist das Wichtigste im Leben das Gebet, als Verwandlung in der Gegenwart Gottes und Ausrichtung der ganzen Existenz auf Gott.
“Meiner Meinung nach ist inneres Beten nichts anderes als Verweilen bei einem Freund, mit dem wir oft allein zusammenkommen, einfach um bei ihm zu sein, weil wir sicher wissen, dass er uns liebt.” (Vida 8,5)
“Es ist wie mit dem Wasser in einem Glas, das …
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Für Teresa von Avila ist das Wichtigste im Leben das Gebet, als Verwandlung in der Gegenwart Gottes und Ausrichtung der ganzen Existenz auf Gott.

“Meiner Meinung nach ist inneres Beten nichts anderes als Verweilen bei einem Freund, mit dem wir oft allein zusammenkommen, einfach um bei ihm zu sein, weil wir sicher wissen, dass er uns liebt.” (Vida 8,5)

“Es ist wie mit dem Wasser in einem Glas, das ganz klar ist, solange die Sonne nicht hineinscheint. Wenn sie aber hineinscheint, sieht man, dass es voller Staubteilchen ist.” (Vida 20,28 )

“Wie gewiss ist es doch, dass du den erträgst, der es erträgt, dass du bei ihm bist! Was für ein guter Freund du bist, Herr! Wie verwöhnst und erträgst du ihn dauernd und erwartest, dass er sich deiner Art angleicht, und erträgst in der Zwischenzeit seine!” (Vida 8,6)
Caeleste Desiderium
Verzückung der Heiligen Theresa
Theresa hatte dieses Erlebnis in ihrer Autobiografie mit den folgenden Worten beschrieben:
„Unmittelbar neben mir sah ich einen Engel in vollkommener körperlicher Gestalt. Der Engel war eher klein als groß, sehr schön, und sein Antlitz leuchtete in solchem Glanz, daß er zu jenen Engeln gehören mußte, die ganz vom Feuer göttlicher Liebe durchleuchtet sind; es müssen …Mehr
Verzückung der Heiligen Theresa

Theresa hatte dieses Erlebnis in ihrer Autobiografie mit den folgenden Worten beschrieben:
„Unmittelbar neben mir sah ich einen Engel in vollkommener körperlicher Gestalt. Der Engel war eher klein als groß, sehr schön, und sein Antlitz leuchtete in solchem Glanz, daß er zu jenen Engeln gehören mußte, die ganz vom Feuer göttlicher Liebe durchleuchtet sind; es müssen jene sein, die man Seraphe nennt. In der Hand des Engels sah ich einen langen goldenen Pfeil mit Feuer an der Spitze. Es schien mir, als stieße er ihn mehrmals in mein Herz, ich fühlte, wie das Eisen mein Innerstes durchdrang, und als er ihn herauszog, war mir, als nähme er mein Herz mit, und ich blieb erfüllt von flammender Liebe zu Gott. Der Schmerz war so stark, daß ich klagend aufschrie. Doch zugleich empfand ich eine so unendliche Süße, daß ich dem Schmerz ewige Dauer wünschte. Es war nicht körperlicher, sondern seelischer Schmerz, trotzdem er bis zu einem gewissen Grade auch auf den Körper gewirkt hat; süßeste Liebkosung, die der Seele von Gott werden kann.