Michael Pachtler: lateinisch-deutsche Chrisam-Messe und Liturgie der Charwoche, 1854

Michael Pachtler: lateinisch-deutsche Chrisam-Messe und Liturgie der Charwoche, 1854

Dieser Artikel schließt direkt an den ersten Teil zu M. Pachtlers lateinisch–deutschem Meßbuch und Brevier an, der hier erschienen ist: Diözese Rottenburg, 1854: Georg Michael Pachtlers …

Rottenburg am Neckar: Priesterseminar

Heute wollen wir das dritte bedeutende Werk von Michael Pachtler, Priester der Diözese Rottenburg, vorstellen, das 1854 erschienen ist:

1 Das Buch der Kirche

Das Buch der Kirche,
die Charwoche und die Osterwoche
mit all ihren gottesdienstlichen Handlungen.
Lateinisch und deutsch.
Nebst Erklärung der dabei vorkommenden Zeremonien.


3 Das Buch der Kirche (BildQuellen: obiges Exemplar im Besitz des Verfassers)

Das Buch trägt auch einen lateinischen Titel:

Liturgia
Hebdomadis Sanctae et Pascalis
Ex Missali et Breviario Romano.
Latine et germanice edita.


Die Liturgie der heiligen Woche:

3a Das Buch der Kirche

Im Sinne des bereits im vorigen Artikel Ausgeführten war es für Michael Pachtler von großer Bedeutung, daß die Gläubigen an der heiligen Woche verstehend teilnehmen konnten. Er liefert deshalb mit seinen Werk „Liturgia hebdomadis sanctae et pascalis“ die gesamte Liturgie der Woche vor und nach Ostern.
Einleitend führt er aus, - wie in den beiden anderen Werken auch – daß und warum Latein die unverzichtbare Sprache der römischen Kirche ist:

2 Latein, die Kirchensprache

Es ist interessant zu sehen, wie genau er auf den Ergebnissen des Konzils von Trient aufbaut.
Auf die lateinische Liturgie bezogen: „Damit die Kinder nicht hungern etc …“ hat mich als Sorge sehr beeindruckt. Ich kannte diese Anweisung des Konzils noch nicht. Man sieht daran, wie schon im Tridentinum die Frage der „Liturgischen Dekadenz“ thematisiert wurde. Und Lösungswege gesucht und empfohlen wurden. (siehe Abbildung 2)

Die Tenebrae – die Trauermetten des Triduum (Donnerstag, Freitag, Samstag)

Detailliert erklärt Pachtler alle Tenebrae: Das Procedere mit dem 15-armigen Leuchter, das Ritual mit der letzten, der 15. Kerze. Daß die Matutin grundsätzlich abends/nachts zuvor gelesen/gesungen wird. Pachtlers Buch ist ein wertvoller Begleiter durch die Woche vor und nach Ostern.

4c Mette des Gründonnerstags am Mittochabend

Gründonnerstagsmesse Canon

Die besonderen Canonteile zu Gründonnerstag werden gezeigt:

5 GründonnerstagMesse

6 GründonnerstagMesse Communicantes

7 GründonnerstagMesse

8 Vesper

In Domkirchen:
Die Weihe der heiligen Öle


Pachtler ist konsequent: Die Weihe der heiligen Öle ist eines der bedeutendsten Ereignisse der heiligen Woche und für das ganze Kirchenjahr. Ihre Zerstörung wäre eine vernichtender Schlag gegen die ganze Kirche.
Bei der tridentinischen Chrisam-Messe versteht der Gläubige zwei Stunden lang – nichts ! Er singt oder er beschäftigt sich selber.
Also muß auch die Weihe der heiligen Öle übersetzt und erklärt werden.
Den einen Teil, die Gründonnerstagsmesse, hat er bereits in seinem Missale veröffentlicht. (es gibt am Gründonnerstag nur diese eine Morgenmesse)
Was noch fehlt, das ist die Weihe der Oele.
Es gibt da ein Problem! Die Weihe der h. Oele incl der Messe des Gründonnerstags findet sich im Pontifikale romanum! Und daran hat sich in Deutschland noch keiner rangewagt. Michael Pachtler packt auch das an: Er veröffentlicht die Weihe der h. Oele aus dem Pontifikale romanum!
Bistum Rottenburg!
Wir befinden uns im Jahr 1854!
Pachtler schildert die Aufstellung der Geistlichen für diese Weihen und die einzelnen Handlungen, die ich in einer eigenen Skizze wiedergebe: Die 12 Priester repräsentieren die Apostel beim Letzten Abendmahl, der Bischof repräsentiert Christus.

8b 12 Priester

Die Weihe der heiligen Öle

Der Bischof in weißen Gewändern liest die Gründonnerstagsmesse bis nach dem „Nobis quoque peccatoribus…“. Das ist am Ende des Canons.
Vor den Worten „Per quem haec omnia…“reinigt er die Finger in einem besonderen Kelch, (unterbricht die Messe) bezeigt dem Allerheiligsten seine Anbetung und geht an einen besonders zugerichteten Tisch, wo er sich niederläßt. Siehe Skizze 8b.

Das Krankenöl
Der Bischof beginnt auf dem Tisch, der vor dem Altar steht, die Weihe des Krankenöls mit den Worten von Abbildung 9:

9 Weihe des Krankenoels

Danach kehrt er an den Altar zurück, um die h. Messe fortzusetzen. Nachdem er die heilige Communion empfangen und den anwesenden Geistlichen ausgespendet hat, setzt er die Mitra auf und kehrt an den Tisch der Ölweihe zurück, wo er sich niederläßt.
Es beginnt

Die Weihe des Chrisams

In feierlicher Procession werden die Ölampullen hereingetragen.

13 Hymnus mit Procession: O Redemptor sume carnem

Hier die beeindruckende Videoaufnahme des feierlichen Einzugs der hl. Oele im Petersdom: Die Hymne wird dabei gesungen:

Petersdom – Einzug der hl. Oele

14 Weihe des Chrisams

15 Gründonnerstag Weihe des Chrisams

16 Gründonnerstag Öl Mischen

Hauchung und Exorzismus

Der Bischof und die 12 Priester hauchen den Rand des Chrisamgefäßes in Kreuzesform an.

17 Gründonnerstag Anhauchen in Kreuzesform

Der Bischof singt die Praefatio der Chrisam-Weihe mit ausgestreckten Armen:

18 Gründonnerstag Ölweihe

Ab Seite 194, Abbg. 19 singt er die eigentliche Weiheworte: Bei Weihen wird mit der Hand ein Kreuz über die Substanz gezeichnet:

19 Gründonnerstag Chrisam

Auf S. 195, unten, auf Abbg 19 wird erläutert wie die Chrisamweihe ihren Höhepunkt und Abschluß findet, indem der Bischof dreimal mit immer höherer Stimmlage den Chrisam grüßt und verehrt: „Sei gegrüßt, heiliger Chrisam.“
Alle 12 Priester (Apostel!) verneigen sich nacheinander vor dem Altar, wenden sich um zu dem Tischchen, auf dem der Chrisam steht, gehen mit dreimaliger Verneigung zu dem Tischchen, bei jeder Verneigung in höherer Stimmlage singend: „Sei gegrüßt, heiliger Chrisam.“

Damit ist die Weihe des Chrisam vollzogen.

Weihe des Catechumenenoels

Nun führt der Bischof die Weihe des Catechumenenöls durch.

19 Gründonnerstag Katechumenenöl

Der Bischof und die zwölf Priester begrüßen nacheinander ehrerbietig das geweihte Öl, indem sie dreimal sprechen:
„Ave, sanctum oleum (Sei gegrüßt, heiliges Oel)!“

20 Gründonnerstag Katechumenenöl

Die Weihen werden mit Gesang des Hymnus abgeschlossen.
In einer Prozession werden die Ölgefäße in die Sakristei gebracht und die Öle werden später an die Pfarrgemeinden versandt.

21 Gründonnerstag Hymnus wird gesungen

Der Bischof kehrt danach an den Altar zurück und vollendet die Gründonnerstagsmesse.

Mit dieser Darstellung der Messe der Weihe der Oele geht Pachtler einen großen Schritt nach vorne: Die Gläubigen werden damit befähigt – wenn sie dies wollen – verstehend an den rund zwei Stunden teilzunehmen, die die Messe dauert. Welche Belebung des religiösen Lebens!

Pachtler schildert weiter die Fußwaschung und gibt wichtige Erklärungen dazu.

21 Gründonnerstag Fußwaschung

Weiter die Complet und die Mette des Donnertags Abend.

23 Gründonnerstag Complet Mette

Am Charfreitag erfahren wir die Trauergebete, die nach der Non gebetet werden.

24 Charfreitag

Die Karfreitagsbitten:

25 Charfreitag Bitten

Die feierliche Enthüllung des Kreuzes:

26 Charfreitag Enthüllung des Kreuzes

Und schließlich die Improperien:

27 Charfreitag Improperien

Und am Freitag Abend wieder die Matutin für Samstag.

28 CharfreitagAbend Mette des Samstag Abends

Der Osterfeier am Karsamstag

Hier kommen wir zur zentralen Feier des Ostermysteriums! Welch geistige Schätze werden hier den Menschen mitgeteilt! Pachtler möchte, daß sie diese Schätze empfangen können. Und dazu müssen sie sie verstehen! Das Exultet! Die Praefation. Das Ritual der fünf Weihrauchkörner. Die 12 Lesungen.

29 Charsamstag Feuerweihe

30 CharsamstagWeirauchkörner Exultet Osterkerze

31 Charsamstag Osterlicht

Der Diakon legt die 5 Weihrauchkörner in Kreuzesform ein.

32 Charsamstag Osterlicht

Die 12 Prophetien stellen die gesamte Entwicklung der Menschheit dar, vom Urbeginn bis zum Ziel. Jede Stufe ist wichtig und essentiell. Der Gläubige muss hier verstehend teilnehmen können. Was hat es denn für einen Sinn, wenn die Prophetien gesungen werden und die Gläubigen währenddessen sich mit dem Rosenkranz und verschiedenen Liedern beschäftigen?! Natürlich müssen sie das alles verstehen. Sonst kann man die Lesungen gleich zusammenstreichen – das hat man ja auch gemacht. Und das ist übrigens auch ein Grund, weshalb die Charsamstagsfeier am Samstagmorgen stattfinden muss: wer kann in der Sonntagnacht um 2h morgens geistig wach bleiben, um all dies aufzunehmen? Und danach geht's noch drei bis fünf Stunden weiter. So lange dauerte die ursprüngliche Feier, die von manchen heute zurückgewünscht wird - und die die ersten wären, die nach drei Stunden einschlafen.

33 Charsamstag 1. Prophetie

34 Charsamstag 12. Prophetie

Die Weihe des Taufwassers:

35 Charsamstag Weihe des Taufwassers Taufstein

Der Priester singt im Praefationston:

36 Charsamstag Weihe des Taufwassers Präfation

Der Priester teilt mit der Hand das Taufwasser in alle vier Himmelsrichtungen:

37 Charsamstag Weihe des Taufwassers Kreuzzeichen

Der Priester haucht in Kreuzesform dreimal über das Wasser:

38 Charsamstag Taufwasser Hauchen u Osterkerze

Die Anwesenden werden mit dem Wasser besprengt. Dann können sie von dem Wasser mit nach Hause nehmen.
Danach gießt der Priester Katechumenenöl, dann Chrisam in das Wasser – mit den dazugehörigen Gebeten:

40 Charsamstag Weihe des Taufwassers mit drei Ölen

Der Priester beginnt nun die h. Messe

41 Charsamstag Messe

Die gesamte Osterfeier, die mehrere Stunden gedauert hat, schließt mit dem Magnifikat.
Der Hymnus der Mutter Gottes rundet die großen Feierlichkeiten ab:

42 Pachtler, Charsamstag Magnifikat 1

43 Pachtler, Charsamstag Magnifikat 2

Abschließend gibt Pachtler noch Erklärungen zur Samstags-Osterfeier:

44 Michael Pachtler, Charsamstag Uhrzeit

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Soweit einige Einblicke in Michael Pachtlers zweisprachiges Werk zur Liturgie der Chor- und Osterwoche.
Ein solches verstehendes Teilnehmen an der Liturgie ist der notwendige Schritt, den der moderne gläubige Mensch gehen will. Was sonst stundenlanges Ausharren gewesen wäre, wurde so zum Gehen an den Quell des göttlichen Geistes, nämlich die Liturgie.
Damit hat Michael Pachtler den Menschen die Möglichkeit verschafft, an den Osterfeiern im Sinne der folgenden Worte teilzunehmen:

„Denn es ist Unser innigster Herzenswunsch, daß der wahrhaft christliche Geist überall wieder aufblühe und in allen Gläubigen erhalten bleibe.
Daher müssen Wir vor allem für die Heiligkeit und Würde des Tempels sorgen.
Denn dort versammeln sich die Gläubigen, um diesen Geist aus Seiner ersten und unersetzlichen Quelle zu schöpfen, nämlich aus der aktiven Teilnahme an den allerheiligsten Mysterien und dem öffentlichen und feierlichen Gebet der Kirche.“
Was Papst Pius X. …

Damit geht Pachtler ab 1854 in den Fußstapfen eines großen französischen Vorgängers: dem Priester Nicolas Letourneux, der schon 1685 ein zweisprachiges Missale und Brevier veröffentlichte und als dritte Säule die zweisprachig dargebotene Liturgie der Charwoche.

Wie sagte Bischof Bernard de Chartres: « Nous sommes comme des nains juchés sur des épaules de géants (latin : nani gigantum humeris insidentes)
Michael Pachtler ist so groß und bedeutend, weil er auf den Schultern solcher Riesen wie Nicolas Letourneux sitzt.

Und man möchte sagen: Soweit waren wir schon im Jahre 1854!

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Gerne beantworte ich Schreiben, die an mich direkt gerichtet sind