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Selbstgewählter Aussatz. Was soll die Kirche mit den Jugendlichen tun, die meilenweit von ihr entfernt leben. Firmen? Gedanken von Pater Harald Eder, Puch, Niederösterreich.More
Selbstgewählter Aussatz.
Was soll die Kirche mit den Jugendlichen tun, die meilenweit von ihr entfernt leben. Firmen?
Gedanken von Pater Harald Eder, Puch, Niederösterreich.
Matthias Joseph Scheeben
Pater Axel Weil SJM über seine Arbeit bei den Jugendlichen in der Diözese Fréjus-Toulon an der Mittelmeerküste
Gegen 6.00 Uhr morgens feiere ich die heilige Messe, zur gleichen Zeit, wenn die Mitbrüder in Blindenmarkt ihre erste „Visite“ in der Kapelle halten. Allerdings endet für mich dann erst die Mission und anschließend, während meine Mitbrüder ihr Tagewerk beginnen, ergebe ich mich dem „…More
Pater Axel Weil SJM über seine Arbeit bei den Jugendlichen in der Diözese Fréjus-Toulon an der Mittelmeerküste

Gegen 6.00 Uhr morgens feiere ich die heilige Messe, zur gleichen Zeit, wenn die Mitbrüder in Blindenmarkt ihre erste „Visite“ in der Kapelle halten. Allerdings endet für mich dann erst die Mission und anschließend, während meine Mitbrüder ihr Tagewerk beginnen, ergebe ich mich dem „Schlaf des Gerechten“.

Inzwischen sind es schon neun Jahre her, dass Pater Hönisch mir seinen Segen dazu gab, meine Nächte in Bars, Nachtclubs und Diskotheken zu verbringen. Vor drei Jahren wurde dieses Apostolat von Monseigneur Dominique Rey, Bischof der Diözese Fréjus-Toulon, bestätigt. Zur offiziellen kirchlichen Ernennung gab er mir den Titel „Seelsorger für die Pastoral der Welt des Nachtlebens“. Jede Woche bin ich auf diese Weise vier bis fünf, in der Hauptsaison sechs Nächte in Diskotheken unterwegs. Dort warte ich betend, bis mich jemand anspricht … und es kommen immer Jugendliche, die mich anreden, Fragen stellen über Gott und das Leben, Rat bei Problemen suchen, oder auch um meinen Segen bitten, Gebetsanliegen anvertrauen und sogar beichten wollen. Es geht einfach um eine ganz praktische Neuevangelisierung gerade unter solchen Jugendlichen, die heute sehr oft nichts mehr von Gott, dem Glauben und der Kirche vermittelt bekommen haben, außer Vorurteilen, negativen Eindrücken und schlechten Beispielen. Auch vermitteln viele Eltern ihren Kindern keinen tieferen Sinn im Leben als: „Denk an deine Zukunft!“, das heißt Geld verdienen, Karriere machen, dickes Auto, großes Haus, regelmäßig Urlaub und seinen „Spaß“ haben …! Es war von Anfang an einer meiner Grundsätze, dass ich niemals einen der Jugendlichen von mir aus angesprochen habe – indem ich den Rosenkranz bete, warte ich darauf, wen mir die Muttergottes schickt – und ich habe noch niemals vergebens gewartet!

Donnerstags beginne ich den Abend in der „Texas Bar“, einer kleinen Bar im Hafen von Toulon. Sie ist ein Zentrum der Homosexuellen-Szene der Stadt. Der Besitzer schüttelt mir die Hand am Eingang und die Barkeeper grüßen mich wie immer sehr herzlich. Nachdem ich um ein Glas Wasser gebeten habe, reicht mir der Kellner eine Cola, die mir von einem Gast spendiert wurde. Mein Wohltäter stellt mir die Standartfrage mit der so gut wie jeder den ersten Kontakt beginnt: „Bist Du ein echter Priester?“ und darauf „Darfst Du denn hier her kommen?“ Bruno ist sehr gerührt von meiner Anwesenheit und bemerkt, dass es heute genau drei Jahre her ist, seit er mit seinem Freund zusammenlebt. Er sagt mir, er sei gläubig und frage sich oft, was mit ihm beim Jüngsten Gericht geschehen werde. „Warum“, so fragt er, „ist es denn eine Sünde?“ Mein ganzes Leben versuche ich, anderen Gutes zu tun, treu zu sein. Wird mich Gott wegen meiner Homosexualität verdammen? Solche oder ähnliche Fragen bekomme ich oft gestellt. Die Antwort ist natürlich nicht einfach, da ich einerseits auf jeden Fall eine Antwort geben möchte, die der Lehre der Kirche entspricht, andererseits aber immer bedenken muss, dass den Fragestellern viele der Voraussetzungen fehlen, die man zum Verstehen einer solchen Antwort eigentlich benötigen würde. Deshalb ermutige ich diese Menschen auch immer zu beten und Jesus zu bitten, dass er ihm zu verstehen gibt, was wirklich gut für sein Leben ist und ihn schon jetzt glücklich macht. Denn nur Gott kann letztlich das Verständnis für diese Dinge schenken.

Darauf redet mich ein älterer Herr an. Er sei nicht etwa homosexuell, sondern sein Sohn und er sei hier, um das Warum besser zu verstehen. Er spricht mit mir mit Tränen in den Augen. Ich erkläre ihm unter anderem, dass bei den meisten Personen die auf eine psychologische Entwicklung zurückgeht, ein Ereignis in der Kindheit oder auch einfach auf die schamlose Brutalität der Medien in Fernsehen und Werbung, die manchen jungen Menschen in der erwachenden Sexualität traumatisiert haben. Der Vater bestätigt mir, dass jede Aussprache über die Gründe sofort von seinem Sohn geblockt werde. Da der Vater gläubig ist, empfehle ich ihm vor allem, täglich für seinen Sohn zu beten, und ihm zu zeigen, dass er ihn nicht verstößt, auch wenn er sein Verhalten nicht gutheißt.

Inzwischen ist es schon 1.00 Uhr und ich fahre weiter zur „Villa“, der größten Disco in der Umgebung. Sie fasst an einem Abend 1500 und mit der Terrasse gut 2000 Personen. Vor dem Eingang steht eine lange Schlange von hunderten Jugendlichen, die sehnlichst darauf hoffen, hineingelassen zu werden. In der Mitte ist ein freier Gang für die VIPs (very important persons). Obwohl ich schon drei Jahre so gut wie jedes Wochenende hier bin, gibt es immer wieder Jugendliche, die mich nicht kennen und voller Überraschung und etwas Neid sehen, wie ich ganz natürlich an der Tür aufgenommen und begrüßt werde. Viele Jugendliche, die schon mit mir geredet haben, kommen auf mich zu und grüßen mich. Ich erkundige mich, wie es ihnen geht und wie ihre Woche verlaufen ist.

Roger sagt mir, dass seine Großmutter verstorben sei und bittet mich, für sie zu beten. Er fragt, warum Gott immer die besten Leute so früh sterben lasse. Seine Großmutter habe doch immer gebetet und Gutes getan. „Der Himmel“, so antworte ich, „ist doch keine Verurteilung, sondern vielmehr eine Belohnung und Befreiung!“ Gerade wenn er seine Oma gern habe, dann sollte er sich sogar für sie freuen ... auch ist sie jetzt noch mehr für ihn da und er kann im Gebet sich auch jetzt an sie wenden. – So habe er es noch nicht gesehen, sagt er mir und dankt mir für das Gespräch.

Thierry ist seit ein paar Monaten in der Armee, bald muss er zu seiner ersten Mission nach Afrika. „Ich glaube, ich muss vorher mal zum Beichten. Bin zwar getauft, aber ich war noch nie beichten. Habe auch soviel Mist gemacht, dass ich das nur bei Dir machen will. Wann können wir uns treffen?“

Louis läuft an mir vorbei und symbolisiert mit seinen Fingern die Hörner des Teufels, allerdings ist es schon lange kein Spott mehr, auch er will unbedingt vor Weihnachten beichten und bittet mich auch, für ihn einen Exorzismus zu beten. Nachdem er mich nach meinem Glauben über den Teufel und die Dämonen ausgefragt hatte, gestand er mir, dass seine Mutter regelmäßig Spiritismus betreibe, Geister befrage und sich dabei seiner als Medium bediene.

Zum besseren Verständnis sei gesagt, dass schon kurze Zeit nach meiner Ankunft in der Diözese der Bischof mich gebeten hat, dem Exorzisten der Diözese zu assistieren, und so durfte ich schon einige Erfahrungen auf diesem sehr heiklen Gebiet sammeln. Im Januar möchte der Bischof neun Priestern der Diözese, darunter auch mir, die besondere Beauftragung und Bevollmächtigung zum Exorzisten übertragen. Regelmäßig kommen Jugendliche auf mich zu, die nach Teilnahme an spiritistischen Sitzungen negative Erfahrungen machen, oder sogar regelmäßige Zeichen einer negativen Präsenz haben.Während der Seelsorge

Jacqueline will nach der üblichen Standartfrage nach meiner „Echtheit“ wissen, ob ich wie der Papst auch gegen Kondome sei. „Natürlich ja“, antworte ich, wobei weder Johannes Paul II noch Benedikt XVI je direkt über Kondome geredet haben, dies sei schon eine typische Verformung der Medien. Es gehe doch vor allem darum, dass die wahre Sünde in der Sexualität ihre Reduzierung auf Lust und „Spass“ ist. Wenn man die „wahre, große Liebe“ sucht, darf man die Sexualität nicht zu einer Banalität werden lassen. „Du findest viele die Geschlechtsverkehr mit Dir haben würden, aber Du findest nur sehr, sehr wenige, wahrscheinlich sogar nur einen, der bereit ist, viele Opfer für Dich zu bringen, gerade weil er dich liebt. Da hat es doch Sinn zu sagen: „Weil wir es ernst meinen, warten wir!“ Wem die „große Liebe“ sowieso egal ist und wer auch kein christliches Leben führen will, warum kritisiert er dann die Kirche? Und doch ist unser Herz genau für die Botschaft des Evangeliums gemacht; mach einfach die Erfahrung und du wirst selbst sehen!“ „Schade“, sagt Jacqueline, „dass mir das niemand vorher erklärt hat, so wären mir sicher viele schlechte Erfahrungen erspart geblieben ...“ „Es ist nie zu spät, um neu zu beginnen“, ermutige ich sie und gebe ihr noch eine wunderbare Medaille in die Hand, die ich vorher noch segne.

Auf meiner Runde durch die Disco treffe ich Pierre, einen jungen Feuerwehrmann in Marseille. Er streckt mir seinen Arm entgegen. Am Handgelenk trägt er auch die wunderbare Medaille. Wie üblich ergänzen wir uns abwechselnd: O Maria – ohne Sünde empfangen – bitte für uns – die wir zu Dir – unsere Zuflucht nehmen! Als Junge besuchte er die Große Kartause (das Mutterkloster aller Kartäuser) und ist bis heute sehr beeindruckt davon. Auch wenn mittlerweile sein Leben eher dem des seligen Charles de Foucould vor seiner Bekehrung gleicht. Da wir auch eine Kartause in unserer Diözese haben, habe ich ihm schon vorgeschlagen, sie zu besuchen ... vielleicht steckt wirklich eine Kartäuserberufung dahinter.

Denis, ein ehemaliger Scout d’ Europe, steht auch auf der Warteliste zum Beichten. Er hat mich mittlerweile bei seinen Freunden aus dem Nachtleben bekannt gemacht, und wir sehen uns regelmäßig. Sie haben mich auch schon an manchen Abenden begleitet, damit ich nicht alleine durch die Nacht fahren muss. Charles fragt mich, wann wir wieder zusammen mit dem Kajak einen Ausflug aufs Meer machen. Vor 2 Wochen verbrachten wir so einen herrlichen Nachmittag. Dabei erzählte er mir von seiner Familie. Seine Eltern sind seit seinem 1. Lebensjahr geschieden. Über Gott und den Glauben weiß er gar nichts.

Mit solchen Begegnungen geht die Nacht schnell vorbei. Am Ende des Abends bleibe ich noch etwas bei den Angestellten, denn so manches Mal kommen auch sie und wollen noch mit mir reden.

Zu Hause angekommen, trage ich wie immer alle diese Begegnungen im Gebet vor Gott und opfere für sie die heilige Messe auf, damit die Mission und der gestreute Same irgendwann aufkeimen kann. Wenn ich auch noch alleine bin für dieses Apostolat, so gibt es doch schon einige Menschen, die …