"VERZICHTE AUF DEINE WÜNSCHE, UND DU WIRST ERREICHEN, WAS DEIN HERZ BEGEHRT!" Predigt zum Allerheiligenfest v. Kaplan A. Betschart
Heute, am Feste Allerheiligen, wollen wir einen Heiligen betrachten, der für unsere unbussfertige und bussunwillige Zeit ein erschütterndes Vorbild ist, auch wenn wir seine körperliche Busse nicht kopieren dürfen. Das war ausschliesslich für ihn eine ganz persönliche Gnade des Himmels. Dieser Heilige wurde denn auch mit so grossen Gnaden von Gott beschenkt, wie es nicht alltäglich ist. Er wurde dadurch befähigt, in die Kreuzesnachfolge Christi einzutreten, wie es ebenfalls nicht alltäglich ist. Es ist der hl. Johannes vom Kreuz.
Er lebte von 1542 bis 1591. Er war Spanier: ein Umstand, der nicht bedeutungslos ist, da Johannes geprägt war von spanischer Religiosität. Diese war zu jener Zeit gekennzeichnet von einer Wucht und einer Leidenschaftlichkeit, die befähigt war, große Heilige hervorzubringen. Die Jugend des Johannes steht bereits unter dem Kreuze. Völlig ungeschickt zu handwerklicher Arbeit, wurde er mehrmals von seinen Meistern entlassen. Er hatte zwei linke Hände, wie man zu sagen pflegt. Schliesslich fand er den Weg zum Orden der Karmeliter. Da von seinen Obern die geistigen Qualitäten bald erkannt wurden, schickten sie ihn auf die Universität nach Salamanca. Seine Studien schloss er mit der Priesterweihe ab.
Obwohl das Priestertum seinen innersten Wünschen entsprach, war er im Kloster alles andere als glücklich. Denn die Verwahrlosung des klösterlichen Lebens machte ihm viel zu schaffen. Im 16. Jahrhundert waren die Orden von einem ähnlichen Zerfall bedroht wie in unserer Zeit. Dies zeigte sich in einer sehr laxen Befolgung der Ordensregel und in der Vernachlässigung des ursprünglichen Gründergeistes. Johannes fühlte sich dermassen abgestossen, dass er zu den strengen Kartäusern übertreten wollte.
In diese Zeit fällt die entscheidende Begegnung mit der heiligen Theresia von Avila. Sie hatte bereits eine Reform für die Karmelitinnen eingeleitet und wollte diese auch auf die Männerklöster ausdehnen. In Johannes fand sie den geeigneten Priester zur Mithilfe.
Die Reform
Mit seiner für Christus glühenden Seele machte sich Johannes an die Reform. In Durvelo gründete er das erste Reformkloster, in welchem mit den ursprünglichen Bestimmungen der Ordensregel und den Bussübungen restlos ernst gemacht wurde. Das Zeichen des echten Reformers ist es, immer die Sache schwerer und nicht leichter zu machen. Und das tat Johannes. Das neue Kloster war denn auch baulich in einem miserablen Zustand: ein stallähnlicher Raum, in den es hineinregnete und schneite. Jegliche Bequemlichkeit war ausgeschlossen. Ein Stein diente als Kopfkissen, ein Strohbündel als Decke für den kurzen Schlaf. Brot und Wasser waren die Nahrung, der nur selten etwas Gemüse beigegeben wurde. In jeder Witterung mussten die Mönche barfuss laufen. Deshalb der Name "Unbeschuhte Karmeliter". Vollständige Stille und gänzliche Abgeschiedenheit von der Welt sollten helfen, Gott mit ungeteiltem Herzen zu dienen. Ihre Lebensregel fasste Johannes in die nicht alltäglichen Worte zusammen:
"Leiden und dann sterben."
Hier legte Johannes seinen bürgerlichen Namen ab und nannte sich Johannes vom Kreuz. Für ihn erschöpfte sich aber die Reform nicht im Ändern von Kleidern und Gebäuden. Es ging ihm um einen neuen Geist. Er versuchte nichts Geringeres als jenen Geist der Wüste zu beschwören, von dem Johannes den Täufer in die Wüste getrieben wurde. Aus der gewaltigen Reform des Johannes vom Kreuz weht einem tatsächlich der heisse Hauch der Wüste entgegen. Etwas vom alten Jahwe-Geist, der auch einen Propheten Elias durch die Wüste trieb, braust durch die heroischen Anfänge dieser Reform.
Diese Wüstenfrömmigkeit mit ihrer aszetischen Zucht war die Voraussetzung für den Aufstieg seiner Seele zu Gott, zugleich aber auch die Vorbereitung auf grössere und tiefere Leiden. Das Leben dieses Heiligen wurde zu einem Zeichen, das auf seine Zeitgenossen so tiefen Eindruck machte, dass sich Gleichgesinnte um ihn scharten, um nach seinen geistlichen Lehren zu leben. Einer seiner Leitsätze hiess:
"Verzichte auf deine Wünsche, und du wirst erreichen, was dein Herz begehrt!"
Wohl einer der ungewöhnlichsten Ratschläge, die man erteilen kann und der doch die erstaunliche Fähigkeit in sich trägt, die schönsten Früchte zu zeitigen.
Der Heilige und seine Gegner
Da alles Gute in der Welt sich durch härtesten Kampf und Widerstand bewähren muss, war es bei Johannes vom Kreuz nicht anders. Seine gründliche Reform war für die bequemen Nonnen und Mönche ein beständiger Vorwurf. Deshalb kam es zwischen beschuhten und unbeschuhten Karmelitern zu den heftigsten Auseinandersetzungen, wie sie nur geführt werden, wenn entscheidende Wahrheiten auf dem Spiele stehen. Gegen den Gründer der Reform-Bewegung erwachte ein elementarer Hass. Da die beschuhten Karmeliter an religiöser Kraft der Reformbewegung weit unterlegen waren, versuchten sie ihren Nachteil durch ein hinterhältiges Vorgehen wettzumachen. Sie handelten schliesslich derart abscheulich, dass man ihr Vorgehen nicht anders als satanisch bezeichnen muss. Keine Verleumdung war ihnen zu schlecht, wenn sie nur dazu diente, das Werk des Johannes vom Kreuz untergraben zu können.
Als das nichts fruchtete, wurde Johannes in einer Dezembernacht 1577 kurzerhand überfallen und in einem Kloster in Toledo eingekerkert. Der Kerker war ein muffiges und enges Loch ohne Licht, in dem er nicht einmal aufrecht stehen konnte. Um seinen Widerstand zu brechen, behandelten ihn seine Mitbrüder mit ausgesprochener Brutalität, seelisch und körperlich. Besuche durfte er keine empfangen. Die hl. Kommunion wurde ihm verweigert. In all den Monaten seiner Gefangenschaft durfte er nie die Kleider wechseln. Des Ungeziefers konnte er sich kaum erwehren. Zu essen bekam er nur verdorbene Nahrung, die zudem scharf gewürzt war; Wasser gab man ihm keines zu trinken. Jeden Mittwoch und Freitag musste er vor versammelter Mönchsgemeinde erscheinen, wo er ausgepeitscht wurde. Die Spuren dieser Misshandlungen waren bis zu seinem Lebensende sichtbar.
Diese teuflische Grausamkeit unter uns Christen gehört zu jenem abgründigen Geheimnis der Bosheit, dem man im Leben der Heiligen oft begegnet, auch in der heutigen Zeit. Dies alles muss wahrheitsgemäss gesagt werden. Nur so tritt das Bild dieses Heiligen in seiner ergreifenden Grösse vor uns. Johannes erlebte während der Gefangenschaft auch die sogenannte dunkle Nacht der Seele. Damit ist jene letzte Reinigung und Läuterung der Seele gemeint, bevor sie sich in mystischer Einheit mit Gott verbindet. Johannes erlebte im Kerker Zustände tiefster Gottverlassenheit. In diesem Zustand tut sich ein schrecklicher Abgrund auf, in welchem die Mächte der Finsternis über der Seele zusammenschlagen. Das war die letzte Läuterung für ihn, welche ihn seinem geliebten Herrn und Meister ganz ähnlich werden liess.
Aus dieser dunklen Nacht erwuchs ihm eine so reiche Gnadenfülle, dass er darüber urteilte: Die dunkle Nacht ist zugleich das grösste Licht! In diesem kleinen unmenschlichen Klosterkerker zu Toledo reifte einer der grössten und begnadetsten Mystiker heran, den die Kirche kennt. Dass der körperlich ruinierte Johannes mit eigener Kraft seinem Gefängnis entfliehen konnte, war ein Wunder. Durch das Eingreifen König Philipps II. wurde die Verfolgung der Reform unterbunden.
Neue Leiden
Aber damit war für Johannes der Weg des Kreuzes nicht vorbei. Eifersucht und Streit schlichen sich auch in seine eigenen Reihen ein. Ja man wollte seine Reform bereits wieder umfunktionieren. Dazu schwieg Johannes aber nicht. Mit seiner Unerschrockenheit, mit der er schon immer furchtlos seine Überzeugung vertreten hatte, auch wenn er damit ganz allein war und den angesehensten Autoritäten widersprechen musste, zog er sich aufs neue den Hass zu; diesmal seiner eigenen Mitbrüder. Aus der bekannten Tatsache, dass selbständige Menschen selten beliebt sind, lässt sich die neue Feindschaft erklären, die ihn bis an sein Lebensende verfolgte. Er wurde als Oberer abgesetzt und wiederum verleumdet. Die Verleumdungen waren von solcher Gemeinheit, dass Johannes vom Kreuz es unter seiner Würde hielt, darauf zu antworten. Man erwog, ihn aus dem Orden auszustossen. Schliesslich einigte man sich, ihn in die Mission nach Mexiko zu schicken.
Bei der Vorbereitung auf die Reise wurde er so schwer krank, dass man sich genötigt sah, ihn in einem Kloster unterzubringen. Obwohl er das Kloster selber wählen durfte, ging er geradewegs in jenes, dessen Oberer ihm feindlich gesinnt war. Dieser Prior schikanierte ihn aufs schändlichste, indem er ihn mit Grobheiten überschüttete und ihn in seinem Krankheitszustand erbarmungslos vernachlässigte. Johannes vom Kreuz war mit Geschwüren bedeckt, die fortwährend eiterten. Die Betttücher durften ihm nicht gewechselt werden; Besucher durfte er keine empfangen. Die anderen Klosterbrüder, die ihm wohlgesinnt waren, verglichen Johannes mit Job. Er lehnte in seiner Demut diesen Vergleich entschieden ab. Trotzdem trifft er vollständig zu und zeigt das Wesen der letzten Leidensphase mit grosser Eindringlichkeit.
Seinem Namen entsprechend, hat Johannes vom Kreuz die Nachfolge Christi in hinreissender Art verwirklicht. Nach über zweimonatiger Leidenszeit durfte er in die ewige Herrlichkeit eingehen. Als man ihn zur Bestattung vorbereitete, nahm man an seinem Körper eine dicke, mit spitzen Stacheln versehene Eisenkette wahr, die bereits so tief in den Körper eingewachsen war, dass sie an verschiedenen Stellen vom Fleische zugedeckt wurde.
Nur mit Erschütterung kann man diese unsagbare Liebe zum gekreuzigten Heiland betrachten, von welcher der hl. Johannes vom Kreuz erfüllt war. Aber gerade diese Ganzhingabe an den gekreuzigten Herrn befähigte ihn zu den grössten Taten für das Reich Gottes. Wir können das Leben dieses Heiligen nicht kopieren. Aber diese Ganzhingabe an Jesus Christus ist auch uns aufgetragen.
Schlussfolgerungen
Aus dem Leben des hl. Johannes vom Kreuz wollen wir drei Schlussfolgerungen ziehen, die der Heilige uns selber lehrt.
1. Er sagt: Die Seele muss ihr Streben "nicht auf das Leichtere, sondern auf das Schwierigere" richten. - Das ist einer der wichtigsten Grundsätze des Heiligen. Die dunkle Nacht der Sinne und der Seele fordern von ihr die Losschälung von allem Irdischen, der sie nicht ausweichen darf, so hart es sie ankommt. Denn seit dem Sündenfall bergen Menschen und Dinge die Gefahr in sich, uns von Gott wegzulocken. Deswegen müssen wir den Weg der Losschälung betreten, der im Leiden besteht, und der "weit sicherer ist als der Weg der Freude", wie der Heilige sagt. Und aufs Bestimmteste erklärt er die Unmöglichkeit "Fortschritte zu machen, wenn man sich bei seinem Handeln und Leiden nicht in Schweigen hüllt".
Die Forderung nach Leiden, Abtötung und Busse darf nicht als eine persönliche Meinung dieses spanischen Heiligen aufgefasst werden. Die Notwendigkeit freigewählter Busse bezeugt das Leben aller Heiligen. Denn die Befreiung von der Abhängigkeit von leiblichen Begierden ist unumgänglich notwendig. Doch erstreckt sich diese Forderung nicht nur auf die Bedürfnisse des Körpers, sondern auch auf die ungezügelten Neigungen des Geistes. Diese halten uns oft noch mehr gefangen als die sinnlichen Leidenschaften. Wir müssen gegen beide Fronten den Kampf aufnehmen. Doch dürfen wir beim Arbeiten an uns selbst nicht in ungeduldiger Weise meinen, "an einem Tag heilig zu werden", meint tröstend der Heilige. Diese innere Befreiung geht langsam voran. Aber ohne sie gibt es keinen Aufstieg zu Gott.
2. Ein Zweites lehrt uns der Heilige Johannes vom Kreuz:
"Es ist eine erhabene Weisheit zu schweigen, zu verstehen und zu leiden, ohne seine Blicke auf die Gespräche, das Tun und Leben anderer zu richten."
Wie sehr sind wir doch abhängig von dem, was die andern über uns denken und reden. Um zu inneren Frieden zu gelangen, müssen wir uns unabhängig machen von der Meinung der Mitmenschen. Nichts von den Menschen, aber alles von Christus erwarten! Unser ganzes Streben muss dahingehen, Christus zu gefallen. Und darin dürfen wir uns weder durch Lob noch durch Verachtung seitens der Mitmenschen beirren lassen, so schwer das im Anfang auch sein mag. Wer aber diese Schallmauer einmal durchbrochen hat, gelangt zu jener köstlichen Freiheit, die sich allein an Gott gebunden weiss.
3. Und das Dritte, das uns der Heilige lehrt, lautet:
"Nimm dir nie einen Menschen, so heilig er auch sein mag, zum Vorbild für dein Handeln, da der böse Feind dir seine Unvollkommenheiten vor Augen rückt. Folge vielmehr Jesus Christus nach, der die höchste Vollkommenheit und Heiligkeit ist, und du wirst nie irre gehen!"
Diesen Grundsatz hat uns der Heilige im besten Sinne vorgelebt. Christus allein genügt. Wer diesen köstlichen Schatz sich erobert hat, ist unendlich reich, und kein Leid und keine Bitterkeit dieser Welt wird so stark sein, dass diese Freude, die der Herr Seinen Jüngern schenkt, zerstören kann.
Tag für Tag wollen wir Jesus Christus mehr lieben, so dass auch für uns Sein Wort gilt, das Er beim Abschied zu Seinen Aposteln sagte:
"Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was Ich euch gebiete" (Joh 15,14).
Quellenhinweis:
▸ Nigg W., Große Heilige, Zürich 1968.
Er lebte von 1542 bis 1591. Er war Spanier: ein Umstand, der nicht bedeutungslos ist, da Johannes geprägt war von spanischer Religiosität. Diese war zu jener Zeit gekennzeichnet von einer Wucht und einer Leidenschaftlichkeit, die befähigt war, große Heilige hervorzubringen. Die Jugend des Johannes steht bereits unter dem Kreuze. Völlig ungeschickt zu handwerklicher Arbeit, wurde er mehrmals von seinen Meistern entlassen. Er hatte zwei linke Hände, wie man zu sagen pflegt. Schliesslich fand er den Weg zum Orden der Karmeliter. Da von seinen Obern die geistigen Qualitäten bald erkannt wurden, schickten sie ihn auf die Universität nach Salamanca. Seine Studien schloss er mit der Priesterweihe ab.
Obwohl das Priestertum seinen innersten Wünschen entsprach, war er im Kloster alles andere als glücklich. Denn die Verwahrlosung des klösterlichen Lebens machte ihm viel zu schaffen. Im 16. Jahrhundert waren die Orden von einem ähnlichen Zerfall bedroht wie in unserer Zeit. Dies zeigte sich in einer sehr laxen Befolgung der Ordensregel und in der Vernachlässigung des ursprünglichen Gründergeistes. Johannes fühlte sich dermassen abgestossen, dass er zu den strengen Kartäusern übertreten wollte.
In diese Zeit fällt die entscheidende Begegnung mit der heiligen Theresia von Avila. Sie hatte bereits eine Reform für die Karmelitinnen eingeleitet und wollte diese auch auf die Männerklöster ausdehnen. In Johannes fand sie den geeigneten Priester zur Mithilfe.
Die Reform
Mit seiner für Christus glühenden Seele machte sich Johannes an die Reform. In Durvelo gründete er das erste Reformkloster, in welchem mit den ursprünglichen Bestimmungen der Ordensregel und den Bussübungen restlos ernst gemacht wurde. Das Zeichen des echten Reformers ist es, immer die Sache schwerer und nicht leichter zu machen. Und das tat Johannes. Das neue Kloster war denn auch baulich in einem miserablen Zustand: ein stallähnlicher Raum, in den es hineinregnete und schneite. Jegliche Bequemlichkeit war ausgeschlossen. Ein Stein diente als Kopfkissen, ein Strohbündel als Decke für den kurzen Schlaf. Brot und Wasser waren die Nahrung, der nur selten etwas Gemüse beigegeben wurde. In jeder Witterung mussten die Mönche barfuss laufen. Deshalb der Name "Unbeschuhte Karmeliter". Vollständige Stille und gänzliche Abgeschiedenheit von der Welt sollten helfen, Gott mit ungeteiltem Herzen zu dienen. Ihre Lebensregel fasste Johannes in die nicht alltäglichen Worte zusammen:
"Leiden und dann sterben."
Hier legte Johannes seinen bürgerlichen Namen ab und nannte sich Johannes vom Kreuz. Für ihn erschöpfte sich aber die Reform nicht im Ändern von Kleidern und Gebäuden. Es ging ihm um einen neuen Geist. Er versuchte nichts Geringeres als jenen Geist der Wüste zu beschwören, von dem Johannes den Täufer in die Wüste getrieben wurde. Aus der gewaltigen Reform des Johannes vom Kreuz weht einem tatsächlich der heisse Hauch der Wüste entgegen. Etwas vom alten Jahwe-Geist, der auch einen Propheten Elias durch die Wüste trieb, braust durch die heroischen Anfänge dieser Reform.
Diese Wüstenfrömmigkeit mit ihrer aszetischen Zucht war die Voraussetzung für den Aufstieg seiner Seele zu Gott, zugleich aber auch die Vorbereitung auf grössere und tiefere Leiden. Das Leben dieses Heiligen wurde zu einem Zeichen, das auf seine Zeitgenossen so tiefen Eindruck machte, dass sich Gleichgesinnte um ihn scharten, um nach seinen geistlichen Lehren zu leben. Einer seiner Leitsätze hiess:
"Verzichte auf deine Wünsche, und du wirst erreichen, was dein Herz begehrt!"
Wohl einer der ungewöhnlichsten Ratschläge, die man erteilen kann und der doch die erstaunliche Fähigkeit in sich trägt, die schönsten Früchte zu zeitigen.
Der Heilige und seine Gegner
Da alles Gute in der Welt sich durch härtesten Kampf und Widerstand bewähren muss, war es bei Johannes vom Kreuz nicht anders. Seine gründliche Reform war für die bequemen Nonnen und Mönche ein beständiger Vorwurf. Deshalb kam es zwischen beschuhten und unbeschuhten Karmelitern zu den heftigsten Auseinandersetzungen, wie sie nur geführt werden, wenn entscheidende Wahrheiten auf dem Spiele stehen. Gegen den Gründer der Reform-Bewegung erwachte ein elementarer Hass. Da die beschuhten Karmeliter an religiöser Kraft der Reformbewegung weit unterlegen waren, versuchten sie ihren Nachteil durch ein hinterhältiges Vorgehen wettzumachen. Sie handelten schliesslich derart abscheulich, dass man ihr Vorgehen nicht anders als satanisch bezeichnen muss. Keine Verleumdung war ihnen zu schlecht, wenn sie nur dazu diente, das Werk des Johannes vom Kreuz untergraben zu können.
Als das nichts fruchtete, wurde Johannes in einer Dezembernacht 1577 kurzerhand überfallen und in einem Kloster in Toledo eingekerkert. Der Kerker war ein muffiges und enges Loch ohne Licht, in dem er nicht einmal aufrecht stehen konnte. Um seinen Widerstand zu brechen, behandelten ihn seine Mitbrüder mit ausgesprochener Brutalität, seelisch und körperlich. Besuche durfte er keine empfangen. Die hl. Kommunion wurde ihm verweigert. In all den Monaten seiner Gefangenschaft durfte er nie die Kleider wechseln. Des Ungeziefers konnte er sich kaum erwehren. Zu essen bekam er nur verdorbene Nahrung, die zudem scharf gewürzt war; Wasser gab man ihm keines zu trinken. Jeden Mittwoch und Freitag musste er vor versammelter Mönchsgemeinde erscheinen, wo er ausgepeitscht wurde. Die Spuren dieser Misshandlungen waren bis zu seinem Lebensende sichtbar.
Diese teuflische Grausamkeit unter uns Christen gehört zu jenem abgründigen Geheimnis der Bosheit, dem man im Leben der Heiligen oft begegnet, auch in der heutigen Zeit. Dies alles muss wahrheitsgemäss gesagt werden. Nur so tritt das Bild dieses Heiligen in seiner ergreifenden Grösse vor uns. Johannes erlebte während der Gefangenschaft auch die sogenannte dunkle Nacht der Seele. Damit ist jene letzte Reinigung und Läuterung der Seele gemeint, bevor sie sich in mystischer Einheit mit Gott verbindet. Johannes erlebte im Kerker Zustände tiefster Gottverlassenheit. In diesem Zustand tut sich ein schrecklicher Abgrund auf, in welchem die Mächte der Finsternis über der Seele zusammenschlagen. Das war die letzte Läuterung für ihn, welche ihn seinem geliebten Herrn und Meister ganz ähnlich werden liess.
Aus dieser dunklen Nacht erwuchs ihm eine so reiche Gnadenfülle, dass er darüber urteilte: Die dunkle Nacht ist zugleich das grösste Licht! In diesem kleinen unmenschlichen Klosterkerker zu Toledo reifte einer der grössten und begnadetsten Mystiker heran, den die Kirche kennt. Dass der körperlich ruinierte Johannes mit eigener Kraft seinem Gefängnis entfliehen konnte, war ein Wunder. Durch das Eingreifen König Philipps II. wurde die Verfolgung der Reform unterbunden.
Neue Leiden
Aber damit war für Johannes der Weg des Kreuzes nicht vorbei. Eifersucht und Streit schlichen sich auch in seine eigenen Reihen ein. Ja man wollte seine Reform bereits wieder umfunktionieren. Dazu schwieg Johannes aber nicht. Mit seiner Unerschrockenheit, mit der er schon immer furchtlos seine Überzeugung vertreten hatte, auch wenn er damit ganz allein war und den angesehensten Autoritäten widersprechen musste, zog er sich aufs neue den Hass zu; diesmal seiner eigenen Mitbrüder. Aus der bekannten Tatsache, dass selbständige Menschen selten beliebt sind, lässt sich die neue Feindschaft erklären, die ihn bis an sein Lebensende verfolgte. Er wurde als Oberer abgesetzt und wiederum verleumdet. Die Verleumdungen waren von solcher Gemeinheit, dass Johannes vom Kreuz es unter seiner Würde hielt, darauf zu antworten. Man erwog, ihn aus dem Orden auszustossen. Schliesslich einigte man sich, ihn in die Mission nach Mexiko zu schicken.
Bei der Vorbereitung auf die Reise wurde er so schwer krank, dass man sich genötigt sah, ihn in einem Kloster unterzubringen. Obwohl er das Kloster selber wählen durfte, ging er geradewegs in jenes, dessen Oberer ihm feindlich gesinnt war. Dieser Prior schikanierte ihn aufs schändlichste, indem er ihn mit Grobheiten überschüttete und ihn in seinem Krankheitszustand erbarmungslos vernachlässigte. Johannes vom Kreuz war mit Geschwüren bedeckt, die fortwährend eiterten. Die Betttücher durften ihm nicht gewechselt werden; Besucher durfte er keine empfangen. Die anderen Klosterbrüder, die ihm wohlgesinnt waren, verglichen Johannes mit Job. Er lehnte in seiner Demut diesen Vergleich entschieden ab. Trotzdem trifft er vollständig zu und zeigt das Wesen der letzten Leidensphase mit grosser Eindringlichkeit.
Seinem Namen entsprechend, hat Johannes vom Kreuz die Nachfolge Christi in hinreissender Art verwirklicht. Nach über zweimonatiger Leidenszeit durfte er in die ewige Herrlichkeit eingehen. Als man ihn zur Bestattung vorbereitete, nahm man an seinem Körper eine dicke, mit spitzen Stacheln versehene Eisenkette wahr, die bereits so tief in den Körper eingewachsen war, dass sie an verschiedenen Stellen vom Fleische zugedeckt wurde.
Nur mit Erschütterung kann man diese unsagbare Liebe zum gekreuzigten Heiland betrachten, von welcher der hl. Johannes vom Kreuz erfüllt war. Aber gerade diese Ganzhingabe an den gekreuzigten Herrn befähigte ihn zu den grössten Taten für das Reich Gottes. Wir können das Leben dieses Heiligen nicht kopieren. Aber diese Ganzhingabe an Jesus Christus ist auch uns aufgetragen.
Schlussfolgerungen
Aus dem Leben des hl. Johannes vom Kreuz wollen wir drei Schlussfolgerungen ziehen, die der Heilige uns selber lehrt.
1. Er sagt: Die Seele muss ihr Streben "nicht auf das Leichtere, sondern auf das Schwierigere" richten. - Das ist einer der wichtigsten Grundsätze des Heiligen. Die dunkle Nacht der Sinne und der Seele fordern von ihr die Losschälung von allem Irdischen, der sie nicht ausweichen darf, so hart es sie ankommt. Denn seit dem Sündenfall bergen Menschen und Dinge die Gefahr in sich, uns von Gott wegzulocken. Deswegen müssen wir den Weg der Losschälung betreten, der im Leiden besteht, und der "weit sicherer ist als der Weg der Freude", wie der Heilige sagt. Und aufs Bestimmteste erklärt er die Unmöglichkeit "Fortschritte zu machen, wenn man sich bei seinem Handeln und Leiden nicht in Schweigen hüllt".
Die Forderung nach Leiden, Abtötung und Busse darf nicht als eine persönliche Meinung dieses spanischen Heiligen aufgefasst werden. Die Notwendigkeit freigewählter Busse bezeugt das Leben aller Heiligen. Denn die Befreiung von der Abhängigkeit von leiblichen Begierden ist unumgänglich notwendig. Doch erstreckt sich diese Forderung nicht nur auf die Bedürfnisse des Körpers, sondern auch auf die ungezügelten Neigungen des Geistes. Diese halten uns oft noch mehr gefangen als die sinnlichen Leidenschaften. Wir müssen gegen beide Fronten den Kampf aufnehmen. Doch dürfen wir beim Arbeiten an uns selbst nicht in ungeduldiger Weise meinen, "an einem Tag heilig zu werden", meint tröstend der Heilige. Diese innere Befreiung geht langsam voran. Aber ohne sie gibt es keinen Aufstieg zu Gott.
2. Ein Zweites lehrt uns der Heilige Johannes vom Kreuz:
"Es ist eine erhabene Weisheit zu schweigen, zu verstehen und zu leiden, ohne seine Blicke auf die Gespräche, das Tun und Leben anderer zu richten."
Wie sehr sind wir doch abhängig von dem, was die andern über uns denken und reden. Um zu inneren Frieden zu gelangen, müssen wir uns unabhängig machen von der Meinung der Mitmenschen. Nichts von den Menschen, aber alles von Christus erwarten! Unser ganzes Streben muss dahingehen, Christus zu gefallen. Und darin dürfen wir uns weder durch Lob noch durch Verachtung seitens der Mitmenschen beirren lassen, so schwer das im Anfang auch sein mag. Wer aber diese Schallmauer einmal durchbrochen hat, gelangt zu jener köstlichen Freiheit, die sich allein an Gott gebunden weiss.
3. Und das Dritte, das uns der Heilige lehrt, lautet:
"Nimm dir nie einen Menschen, so heilig er auch sein mag, zum Vorbild für dein Handeln, da der böse Feind dir seine Unvollkommenheiten vor Augen rückt. Folge vielmehr Jesus Christus nach, der die höchste Vollkommenheit und Heiligkeit ist, und du wirst nie irre gehen!"
Diesen Grundsatz hat uns der Heilige im besten Sinne vorgelebt. Christus allein genügt. Wer diesen köstlichen Schatz sich erobert hat, ist unendlich reich, und kein Leid und keine Bitterkeit dieser Welt wird so stark sein, dass diese Freude, die der Herr Seinen Jüngern schenkt, zerstören kann.
Tag für Tag wollen wir Jesus Christus mehr lieben, so dass auch für uns Sein Wort gilt, das Er beim Abschied zu Seinen Aposteln sagte:
"Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was Ich euch gebiete" (Joh 15,14).
Quellenhinweis:
▸ Nigg W., Große Heilige, Zürich 1968.