Neue Quellen der "Causa Groer": Tagebücher, Briefe, Gespräche
Im November 2016 veröffentlichte der Benediktinerpater Ildefons Fux den letzten Teil seiner verschiedenen Bücher über das Leben und Wirken des Wiener Kardinals Hans Hermann Groër (1919-2003). Die beiden jüngsten Werke behandeln die sogenannte „Causa Groër“ in zwei Bänden. Sie sind im Patrimonium Verlag erschienen:
Victor quia Victima. Wie man einen Bischof zu Fall bringt
Des Pilgers Heimkehr. Wie man einen Bischof zu Fall bringt II
Fux war ein Freund von Kardinal Groër. In den beiden Büchern verarbeitet er bislang unveröffentlichte Quellen wie das Tagebuch des Kardinals, dessen umfangreiche Korrespondenz sowie persönliche Aussagen.
Der neue, zweite Band behandelt die Vorwürfe ab Dezember 1997. Damals erklärten ehemalige Priester des Stifts Göttweig, dass sich Groër mit ihnen homosexuell vergangen habe.
Was vorher geschah
Der erste Band „Victor quia Victima“ befasste sich mit den Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs durch einen früheren Schüler Groërs, Josef Hartmann. Für Fux handelte es sich um eine „Kampagne“, die am 25. März 1995 mit einem Bericht im „Profil“ begann.
Zwei Wochen später, am 13. April 1995, ernannte Johannes Paul II. den Weihbischof Christoph Schönborn zum Koadjutor und im September zum Nachfolger Groërs.
Die Zeit nach der Emeritierung
Der neue zweite Band behandelt „die zweite Kampagne“ von 1997/1998 und die letzten Jahre des Kardinals.
Groër war Benediktiner des Stifts Göttweig. Das Stift hatte 1991 in Maria Roggendorf ein Priorat „St. Josef“ gegründet. Dorthin zog sich Groër nach seiner Emeritierung zurück. Er beaufsichtigte den Zubau des Priorats und wirkte als Spiritual der benachbarten, von ihm 1982 gegründeten Zisterzienserinnen von Marienfeld.
Zum 1. September 1996 ernannte Abt Clemens Lashofer (1941-2009) von Göttweig den Kardinal zum Prior der Gemeinschaft in Maria Roggendorf. Es war der ausdrückliche Wunsch des Abtes. Er habe die Mitbrüder einzeln über die Bestellung befragt.
Schlägerei im Schlafzimmer des Kardinals
In einer Anmerkung über die ersten Jahre nach der Emeritierung erwähnt Fux eine merkwürdige, private Information. Sie stammt aus der aktiven Zeit des Wiener Kardinals noch vor der ersten „Kampagne“. Der Kontext der Anmerkungen sind die nach 1995 erhobenen Gemeinheiten, Anklagen und Todesdrohungen gegen die „Nicht-Person“ Groër:
„Über Attentate hat Groër selbst nie gesprochen, doch erschien er nach einem 'Schlafzimmerunfall' 1994 mit blutunterlaufenem Gesicht, um dann zwei Wochen hindurch alle Termine abzusagen. Niemand wagte nach dem Vorgefallenen zu fragen, doch hatte sich zweifellos ein Böswilliger in die Wohnung des Kardinals eingeschlichen."
Mehrere Ex-Priester bezeichnen Groër als „homosexuell“
Die Vorwürfe der Homosexualität Groërs stammen unter anderen vom abgefallenen Priester Gottfried Schätz (*1960). Er heiratete im November 1999 die Präsidentin des Senatus der Legion Maria, Andrea Sedlacek. Die Trauung hielt der amtierende Prior von Göttweig, Clemens Reischl.
Schätz trat 1979 in das Stift Göttweig ein. Die Schwestern von Marienfeld sagten damals, er zelebriere „wie ein Engel“. Von 1987 an wirkte er in wichtigen Positionen der Legion Mariens. Im August 1991 verteidigte Schätz den Wiener Kardinal gegen verbale Angriffe innerhalb des Stifts Göttweig. Diese Angriffe haben Schätz zum Weinen gebracht.
1992 beendete Schätz das Zweitstudium der Forstwirtschaft. Kardinal Groër kam zur Sponsion. Im Oktober 1992 wurde Schätz der Prior von Göttweig.
Emotionales und empfindsames Verhältnis
Am 22. März 1997 wurde das Stiftstor von Göttweig verlegt. Fux erwähnt, dass damit die Wege zu Souvenirladen und Restaurant kürzer, aber zur Kirche beschwerlicher wurden. Darum kritisierte Groër die Verlegung des Eingangs. Schätz reagierte in einem Fax an Groër vom 11. Mai 1997: „Es tut mir weh, dass Du die neue Eingangslösung in Göttweig missbilligst (Kirchenbesucher, fehlender Aufzug) und meine ‚viele Arbeit‘ mit dem Ausdruck ‚Geldverdienen mit dem Klostergang‘ charakterisierst. […] Ich weine, wenn ich an Dein hartes Urteil über diese Angelegenheit denke.“
Fux erwähnt in einer Anmerkung, dass Gottfried Schätz im Herbst 1997 mit dem Kardinal bei den Zisterzienserinnen von Marienfeld konzelebrierte. Dabei brach der Kardinal „nach der Wandlung in Tränen aus und sagte zu P. Gottfried: Tu jetzt du weiter…“
Massive und detaillierte Vorwürfe der Homosexualität
Am 8. Dezember 1997 weigerte sich Schätz, bei einer Diakonenweihe in der Göttweiger Stiftskirche zu konzelebrieren. An diesem Tag übergab er Groër einen Brief mit Homosex-Vorwürfen. Diesen Brief sandte Schätz am 14. Dezember an mehrere Bischöfe im In- und Ausland. Kardinal Joachim Meisner von Köln retournierte den Brief postwendend.
Fux geht nicht auf den Text ein. Er sagt nur, dass Schätz den Kardinal „ausführlich, massiv und detailliert“ der Unkeuschheit im allgemeinen und der Homosexualität im Besonderen bezichtigte.
In der zweiten Dezemberhälfte 1997 erklärten mehrere Ausgetretene von Göttweig vor Abt Clemens Lashofer, dass die „wahren Gründe“ für ihr Ausscheiden die homosexuellen Umtriebe Groërs gewesen seien.
Groër dementiert: „Verschwörung“
Abt Lashofer stellte den Beschuldigten zur Rede. Groër dementierte die Vorwürfe und sprach von einer „Verschwörung“.
Danach informierte der Abt die Konventualen von Göttweig in Einzelgesprächen. Am 21. Dezember 1997 sprach er mit Fux. In dem Gespräch zitierte der Abt ein zweites Anklageschreiben mit Homosex-Vorwürfen vom ehemaligen Göttweiger Pater Rupert Dinhobl (* 1955).
Dinhobl war 1975 in Göttweig eingetreten und ein „geistlicher Sohn“ Groërs. Dieser hatte Dinhobl sogar als „einen der allerbesten“ im Kloster bezeichnet. Dinhobl hatte verschiedene Ämter bekleidet, darunter ab 1992 das des Subpriors. Am 28. März 1996 verließ er das Priestertum und heiratete.
Der Konvent Göttweig wird informiert
Am 27. Dezember 1997 sprach Prior Schätz im Weihnachtskapitel darüber, von Groër homosexuell missbraucht worden zu sein. Der Subprior von Göttweig, Clemens Reischl, bestätigte die Vorwürfe.
Reischl war bis 1996 Prior von St. Josef in Maria Roggendorf und übernahm nach dem Weggang von Dinhobl dessen Amt als Subprior. Eine Handvoll Kapitulare sagten, das „immer schon gewusst zu haben“.
Groër wird als Prior zurückgetreten
Wenige Tage nach dem Weihnachtskapitel, am 3. Januar, veröffentlichte Abt Lashofer eine Pressemitteilung: Groër habe sein Amt als Prior von Maria Roggendorf zurückgelegt und werde bei den Schwestern in Marienfeld wohnen.
Groër erhielt die Pressemitteilung per Fax zugestellt. Er erfuhr auf diesem Weg, dass er sein Amt als Prior zurückgelegt habe.
Erdrückende Anzahl an Zeugen
Fux glaubt den „Belastungszeugen“ (Anführungszeichen von ihm) nicht. Er führt das „sprunghafte“ Ansteigen ihrer Zahl auf deren Vernetzung zurück, auf ein gegenseitiges Aufhetzen und den Rechtfertigungsdruck, das Priestertum verlassen zu haben. Für Fux ist die Glaubwürdigkeit bei Renegaten grundsätzlich nicht gegeben.
Fux argumentiert mit Stimmen zugunsten von Groër, die „in all den Jahren nie etwas an Hinweisen beobachten konnten“ und bezeichnet die Homosex-Vorwürfe als „unvereinbar mit dem Gesamtbild des Kardinals“.
Der Nuntius Donato Squicciarini (1927-2006) erwähnte vor Fux ein Gespräch mit dem nunmehrigen Abt Columban Luser (*1955). Luser, der elf Jahre neben Groër wohnte, habe „nicht das Geringste bemerken“ können, aber die Vielzahl von Zeugen gegen Groër erdrückend gefunden. Squicciarini kritisierte, dass die Zeugen weder überprüft noch vereidigt wurden.
Bischöflicher Schuldspruch vor der Visitation
Im Januar 1998 beauftragte die Päpstliche Ordenskongregation den Generalabt der Benediktiner, den US-Amerikaner Marcel Rooney (*1937) mit einer Visitation von Göttweig. Sie begann am 2. März.
Am 27. Februar – wenige Tage vor Beginn der Visitation - sprachen vier österreichische Bischöfe den Groër öffentlich schuldig. Es waren die Bischöfe Weber von Graz, Schönborn von Wien, Eder von Salzburg und Kapellari von Klagenfurt. Bischof Aichern von Linz war bei der Versammlung anwesend, weigerte sich aber mitzumachen. Für Fux sind die Bischöfe „am Rufmord des Kardinals in qualifizierter Weise mitschuldig geworden“.
Papst Johannes Paul II. missbilligte die Erklärung der vier Bischöfe. Erzbischof Eder von Salzburg entschuldigte sich laut Fux ein Jahr später bei Groër persönlich für die Erklärung.
Fux betrachtet Schönborn als Urheber der Erklärung und zitiert Theologieprofessoren, die bei Schönborn „echte Aggressionen im Bauch“ und einen „Wut-Stau“ bemerkten.
Visitationsergebnis belastet schwer: Perverses Ungeheuer
Bei der Visitation wollte Rooney vorwiegend die Belastungszeugen hören. Er empfing die ehemaligen Göttweiger, ohne deren Glaubwürdigkeit zu prüfen. Fux erhielt wie alle Konventualen nur einen 15minütigen Gesprächstermin, bei dem der Visitator keine konkreten Fragen stellte.
Am 25. März 1998 übermittelte Rooney den Abschlussbericht über Groër. Fux bezeichnet den Text als „nicht zitierfähig“:
„Hier wird auf sechs Seiten das Bild eines sexuell völlig perversen und dazu machtbesessenen Ungeheuers entworfen, dessen offensichtliche Krankhaftigkeit sich nicht zuletzt darin manifestiere, dass er in einer gänzlichen Uneinsichtigkeit verharre und sich nach wie vor als unschuldig ausgebe.“
Ein Belastungszeuge hat einen Bischof getäuscht
Am 8. April übergab Kardinal Meisner den Bericht der Visitation an Groër – verbunden mit dem Wunsch des Papstes, er möge ins Ausland gehen. Groër versah den Bericht mit Randnotizen und schrieb fünf Mal „Nein!“, vier Mal „Lüge““, zweimal „Gemeinheit“ sowie die Begriffe „himmelschreiender Skandal“ und „ärgste Verleumdung“.
Fux entgegnet zum Bericht Rooneys, dass sechs Widersprüche enthalten sind. Es werde ein Beichtsiegelbruch von Personen behauptet, die nie bei Groër gebeichtet haben.
Der Zisterzienser Gerhard Winkler vom Stift Wilhering billigte den Anklagen keine Glaubwürdigkeit zu. Er kann sich nicht vorstellen, „wie sich erwachsene Männer angeblich geschlechtlich missbrauchen und angeblich einreden ließen, dass das keine Sünde sei“. Die Ankläger müssten erklären, warum sie nicht spätestens bei der Bischofsweihe Groërs durch eine Anzeige diese verhindert hätten.
Der Regensburger Weihbischof Karl Flügel (1915-2004) schrieb Groër in einem Brief: „Einer Deiner Ankläger hat mich ja so sehr getäuscht, dass ich das Reden dieser Mönche nicht glaube“.
Groër dementiert
Groër dementierte in privaten Gesprächen und Briefen jede Schuld: „Von all dem, was man mir vorwirft, habe ich nichts getan!“
In einem Brief an Johannes Paul II., den Bischof Kurt Krenn persönlich übermittelte, schrieb Groër von „Angriffen, Schmähungen und Beschuldigungen“ in den Medien. Es handle sich um eine „Lynchjustiz aufgrund von Behauptungen“.
Am 14. April 1998 veröffentlichte die Nuntiatur die bekannte Erklärung Groers, dass er um Vergebung bitte, wenn er Schuld auf sich geladen habe.
Menschlich vernichtet: Er weinte herzzerreißend
Fux schildert, dass die psychische Belastung an Groërs Kräften zehrte. Er litt unter Schlafstörungen und Angst-Attacken, die sich in äußerem Zittern manifestierten. Groër weinte „herzzerreißend“ und „des Öfteren“.
Einmal sagte Groër: „Jetzt bin ich wirklich wie Hiob auf dem Misthaufen.“
Das Buch bestellen:
Ildefons M. Fux OSB
Des Pilgers Heimkehr. Wie man einen Bischof zu Fall bringt II
Patrimonium-Verlag
184 Seiten
14,80 Euro
Victor quia Victima. Wie man einen Bischof zu Fall bringt
Des Pilgers Heimkehr. Wie man einen Bischof zu Fall bringt II
Fux war ein Freund von Kardinal Groër. In den beiden Büchern verarbeitet er bislang unveröffentlichte Quellen wie das Tagebuch des Kardinals, dessen umfangreiche Korrespondenz sowie persönliche Aussagen.
Der neue, zweite Band behandelt die Vorwürfe ab Dezember 1997. Damals erklärten ehemalige Priester des Stifts Göttweig, dass sich Groër mit ihnen homosexuell vergangen habe.
Was vorher geschah
Der erste Band „Victor quia Victima“ befasste sich mit den Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs durch einen früheren Schüler Groërs, Josef Hartmann. Für Fux handelte es sich um eine „Kampagne“, die am 25. März 1995 mit einem Bericht im „Profil“ begann.
Zwei Wochen später, am 13. April 1995, ernannte Johannes Paul II. den Weihbischof Christoph Schönborn zum Koadjutor und im September zum Nachfolger Groërs.
Die Zeit nach der Emeritierung
Der neue zweite Band behandelt „die zweite Kampagne“ von 1997/1998 und die letzten Jahre des Kardinals.
Groër war Benediktiner des Stifts Göttweig. Das Stift hatte 1991 in Maria Roggendorf ein Priorat „St. Josef“ gegründet. Dorthin zog sich Groër nach seiner Emeritierung zurück. Er beaufsichtigte den Zubau des Priorats und wirkte als Spiritual der benachbarten, von ihm 1982 gegründeten Zisterzienserinnen von Marienfeld.
Zum 1. September 1996 ernannte Abt Clemens Lashofer (1941-2009) von Göttweig den Kardinal zum Prior der Gemeinschaft in Maria Roggendorf. Es war der ausdrückliche Wunsch des Abtes. Er habe die Mitbrüder einzeln über die Bestellung befragt.
Schlägerei im Schlafzimmer des Kardinals
In einer Anmerkung über die ersten Jahre nach der Emeritierung erwähnt Fux eine merkwürdige, private Information. Sie stammt aus der aktiven Zeit des Wiener Kardinals noch vor der ersten „Kampagne“. Der Kontext der Anmerkungen sind die nach 1995 erhobenen Gemeinheiten, Anklagen und Todesdrohungen gegen die „Nicht-Person“ Groër:
„Über Attentate hat Groër selbst nie gesprochen, doch erschien er nach einem 'Schlafzimmerunfall' 1994 mit blutunterlaufenem Gesicht, um dann zwei Wochen hindurch alle Termine abzusagen. Niemand wagte nach dem Vorgefallenen zu fragen, doch hatte sich zweifellos ein Böswilliger in die Wohnung des Kardinals eingeschlichen."
Mehrere Ex-Priester bezeichnen Groër als „homosexuell“
Die Vorwürfe der Homosexualität Groërs stammen unter anderen vom abgefallenen Priester Gottfried Schätz (*1960). Er heiratete im November 1999 die Präsidentin des Senatus der Legion Maria, Andrea Sedlacek. Die Trauung hielt der amtierende Prior von Göttweig, Clemens Reischl.
Schätz trat 1979 in das Stift Göttweig ein. Die Schwestern von Marienfeld sagten damals, er zelebriere „wie ein Engel“. Von 1987 an wirkte er in wichtigen Positionen der Legion Mariens. Im August 1991 verteidigte Schätz den Wiener Kardinal gegen verbale Angriffe innerhalb des Stifts Göttweig. Diese Angriffe haben Schätz zum Weinen gebracht.
1992 beendete Schätz das Zweitstudium der Forstwirtschaft. Kardinal Groër kam zur Sponsion. Im Oktober 1992 wurde Schätz der Prior von Göttweig.
Emotionales und empfindsames Verhältnis
Am 22. März 1997 wurde das Stiftstor von Göttweig verlegt. Fux erwähnt, dass damit die Wege zu Souvenirladen und Restaurant kürzer, aber zur Kirche beschwerlicher wurden. Darum kritisierte Groër die Verlegung des Eingangs. Schätz reagierte in einem Fax an Groër vom 11. Mai 1997: „Es tut mir weh, dass Du die neue Eingangslösung in Göttweig missbilligst (Kirchenbesucher, fehlender Aufzug) und meine ‚viele Arbeit‘ mit dem Ausdruck ‚Geldverdienen mit dem Klostergang‘ charakterisierst. […] Ich weine, wenn ich an Dein hartes Urteil über diese Angelegenheit denke.“
Fux erwähnt in einer Anmerkung, dass Gottfried Schätz im Herbst 1997 mit dem Kardinal bei den Zisterzienserinnen von Marienfeld konzelebrierte. Dabei brach der Kardinal „nach der Wandlung in Tränen aus und sagte zu P. Gottfried: Tu jetzt du weiter…“
Massive und detaillierte Vorwürfe der Homosexualität
Am 8. Dezember 1997 weigerte sich Schätz, bei einer Diakonenweihe in der Göttweiger Stiftskirche zu konzelebrieren. An diesem Tag übergab er Groër einen Brief mit Homosex-Vorwürfen. Diesen Brief sandte Schätz am 14. Dezember an mehrere Bischöfe im In- und Ausland. Kardinal Joachim Meisner von Köln retournierte den Brief postwendend.
Fux geht nicht auf den Text ein. Er sagt nur, dass Schätz den Kardinal „ausführlich, massiv und detailliert“ der Unkeuschheit im allgemeinen und der Homosexualität im Besonderen bezichtigte.
In der zweiten Dezemberhälfte 1997 erklärten mehrere Ausgetretene von Göttweig vor Abt Clemens Lashofer, dass die „wahren Gründe“ für ihr Ausscheiden die homosexuellen Umtriebe Groërs gewesen seien.
Groër dementiert: „Verschwörung“
Abt Lashofer stellte den Beschuldigten zur Rede. Groër dementierte die Vorwürfe und sprach von einer „Verschwörung“.
Danach informierte der Abt die Konventualen von Göttweig in Einzelgesprächen. Am 21. Dezember 1997 sprach er mit Fux. In dem Gespräch zitierte der Abt ein zweites Anklageschreiben mit Homosex-Vorwürfen vom ehemaligen Göttweiger Pater Rupert Dinhobl (* 1955).
Dinhobl war 1975 in Göttweig eingetreten und ein „geistlicher Sohn“ Groërs. Dieser hatte Dinhobl sogar als „einen der allerbesten“ im Kloster bezeichnet. Dinhobl hatte verschiedene Ämter bekleidet, darunter ab 1992 das des Subpriors. Am 28. März 1996 verließ er das Priestertum und heiratete.
Der Konvent Göttweig wird informiert
Am 27. Dezember 1997 sprach Prior Schätz im Weihnachtskapitel darüber, von Groër homosexuell missbraucht worden zu sein. Der Subprior von Göttweig, Clemens Reischl, bestätigte die Vorwürfe.
Reischl war bis 1996 Prior von St. Josef in Maria Roggendorf und übernahm nach dem Weggang von Dinhobl dessen Amt als Subprior. Eine Handvoll Kapitulare sagten, das „immer schon gewusst zu haben“.
Groër wird als Prior zurückgetreten
Wenige Tage nach dem Weihnachtskapitel, am 3. Januar, veröffentlichte Abt Lashofer eine Pressemitteilung: Groër habe sein Amt als Prior von Maria Roggendorf zurückgelegt und werde bei den Schwestern in Marienfeld wohnen.
Groër erhielt die Pressemitteilung per Fax zugestellt. Er erfuhr auf diesem Weg, dass er sein Amt als Prior zurückgelegt habe.
Erdrückende Anzahl an Zeugen
Fux glaubt den „Belastungszeugen“ (Anführungszeichen von ihm) nicht. Er führt das „sprunghafte“ Ansteigen ihrer Zahl auf deren Vernetzung zurück, auf ein gegenseitiges Aufhetzen und den Rechtfertigungsdruck, das Priestertum verlassen zu haben. Für Fux ist die Glaubwürdigkeit bei Renegaten grundsätzlich nicht gegeben.
Fux argumentiert mit Stimmen zugunsten von Groër, die „in all den Jahren nie etwas an Hinweisen beobachten konnten“ und bezeichnet die Homosex-Vorwürfe als „unvereinbar mit dem Gesamtbild des Kardinals“.
Der Nuntius Donato Squicciarini (1927-2006) erwähnte vor Fux ein Gespräch mit dem nunmehrigen Abt Columban Luser (*1955). Luser, der elf Jahre neben Groër wohnte, habe „nicht das Geringste bemerken“ können, aber die Vielzahl von Zeugen gegen Groër erdrückend gefunden. Squicciarini kritisierte, dass die Zeugen weder überprüft noch vereidigt wurden.
Bischöflicher Schuldspruch vor der Visitation
Im Januar 1998 beauftragte die Päpstliche Ordenskongregation den Generalabt der Benediktiner, den US-Amerikaner Marcel Rooney (*1937) mit einer Visitation von Göttweig. Sie begann am 2. März.
Am 27. Februar – wenige Tage vor Beginn der Visitation - sprachen vier österreichische Bischöfe den Groër öffentlich schuldig. Es waren die Bischöfe Weber von Graz, Schönborn von Wien, Eder von Salzburg und Kapellari von Klagenfurt. Bischof Aichern von Linz war bei der Versammlung anwesend, weigerte sich aber mitzumachen. Für Fux sind die Bischöfe „am Rufmord des Kardinals in qualifizierter Weise mitschuldig geworden“.
Papst Johannes Paul II. missbilligte die Erklärung der vier Bischöfe. Erzbischof Eder von Salzburg entschuldigte sich laut Fux ein Jahr später bei Groër persönlich für die Erklärung.
Fux betrachtet Schönborn als Urheber der Erklärung und zitiert Theologieprofessoren, die bei Schönborn „echte Aggressionen im Bauch“ und einen „Wut-Stau“ bemerkten.
Visitationsergebnis belastet schwer: Perverses Ungeheuer
Bei der Visitation wollte Rooney vorwiegend die Belastungszeugen hören. Er empfing die ehemaligen Göttweiger, ohne deren Glaubwürdigkeit zu prüfen. Fux erhielt wie alle Konventualen nur einen 15minütigen Gesprächstermin, bei dem der Visitator keine konkreten Fragen stellte.
Am 25. März 1998 übermittelte Rooney den Abschlussbericht über Groër. Fux bezeichnet den Text als „nicht zitierfähig“:
„Hier wird auf sechs Seiten das Bild eines sexuell völlig perversen und dazu machtbesessenen Ungeheuers entworfen, dessen offensichtliche Krankhaftigkeit sich nicht zuletzt darin manifestiere, dass er in einer gänzlichen Uneinsichtigkeit verharre und sich nach wie vor als unschuldig ausgebe.“
Ein Belastungszeuge hat einen Bischof getäuscht
Am 8. April übergab Kardinal Meisner den Bericht der Visitation an Groër – verbunden mit dem Wunsch des Papstes, er möge ins Ausland gehen. Groër versah den Bericht mit Randnotizen und schrieb fünf Mal „Nein!“, vier Mal „Lüge““, zweimal „Gemeinheit“ sowie die Begriffe „himmelschreiender Skandal“ und „ärgste Verleumdung“.
Fux entgegnet zum Bericht Rooneys, dass sechs Widersprüche enthalten sind. Es werde ein Beichtsiegelbruch von Personen behauptet, die nie bei Groër gebeichtet haben.
Der Zisterzienser Gerhard Winkler vom Stift Wilhering billigte den Anklagen keine Glaubwürdigkeit zu. Er kann sich nicht vorstellen, „wie sich erwachsene Männer angeblich geschlechtlich missbrauchen und angeblich einreden ließen, dass das keine Sünde sei“. Die Ankläger müssten erklären, warum sie nicht spätestens bei der Bischofsweihe Groërs durch eine Anzeige diese verhindert hätten.
Der Regensburger Weihbischof Karl Flügel (1915-2004) schrieb Groër in einem Brief: „Einer Deiner Ankläger hat mich ja so sehr getäuscht, dass ich das Reden dieser Mönche nicht glaube“.
Groër dementiert
Groër dementierte in privaten Gesprächen und Briefen jede Schuld: „Von all dem, was man mir vorwirft, habe ich nichts getan!“
In einem Brief an Johannes Paul II., den Bischof Kurt Krenn persönlich übermittelte, schrieb Groër von „Angriffen, Schmähungen und Beschuldigungen“ in den Medien. Es handle sich um eine „Lynchjustiz aufgrund von Behauptungen“.
Am 14. April 1998 veröffentlichte die Nuntiatur die bekannte Erklärung Groers, dass er um Vergebung bitte, wenn er Schuld auf sich geladen habe.
Menschlich vernichtet: Er weinte herzzerreißend
Fux schildert, dass die psychische Belastung an Groërs Kräften zehrte. Er litt unter Schlafstörungen und Angst-Attacken, die sich in äußerem Zittern manifestierten. Groër weinte „herzzerreißend“ und „des Öfteren“.
Einmal sagte Groër: „Jetzt bin ich wirklich wie Hiob auf dem Misthaufen.“
Das Buch bestellen:
Ildefons M. Fux OSB
Des Pilgers Heimkehr. Wie man einen Bischof zu Fall bringt II
Patrimonium-Verlag
184 Seiten
14,80 Euro