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Enge Bande zwischen Kreml und Kirche

MOSKAU, 13. November (RIA Novosti).

Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts WZIOM glauben 46 Prozent der Russen, dass Russland eine Staatsreligion hat, schreibt die Zeitung „Wedomosti“ am Mittwoch.
44 Prozent der Befragten halten den orthodoxen Glauben für die Staatsreligion (Katholikentum und Islam jeweils ein Prozent). Fast genauso viele Umfrageteilnehmer (46 Prozent) sind gegenteiliger Meinung.
Weltweit gibt es Länder wie Großbritannien oder den Iran mit einer Staatsreligion. Russlands Verfassung müsste geändert werden, damit einer bzw. mehreren Konfessionen der Status einer offiziellen Staatsreligion verliehen werden kann.
Eine Verfassungsänderung ist jedoch nicht nötig. Fernsehbilder mit Präsident Wladimir Putin mit einer Kerze in der Kirche und der Segen des Patriarchen zeigen Wirkung bei den Russen. Der Staat nutzt die Kirche, um moralische Prinzipien für sich zu reklamieren. Der Fall Pussy Riot und das daraufhin verabschiedete Gesetz zum Schutz der religiösen Gefühle vermitteln den Eindruck, dass der Staat und die Kirche Hand in Hand arbeiten.
Die offizielle Anerkennung der russischen Orthodoxie als Staatsreligion wäre schlecht für säkulare Politiker, die einen Anstieg des Einflusses der Kirche befürchten. Auch für die Vertreter der Kirche wäre dieser Schritt unvorteilhaft, weil der Staat in diesem Fall mehr Kontrolle auf sie ausüben würde. In der Russisch-Orthodoxen Kirche regiert die Schattenwirtschaft.
In der russischen Öffentlichkeit soll die Russisch-Orthodoxe Kirche als Staatsreligion wahrgenommen werden. Die säkularen Behörden erhalten dadurch eine zusätzliche symbolische Legitimierung. Im Gegenzug bekommt die Kirche Präferenzen. Allerdings könnte die Kirche Gefahr laufen, ihren Ruf als unabhängige Institution zu beschädigen. Doch dazu wird es wohl kaum kommen. Umfragen zufolge ist die Kirche für die Mehrheit der Russen ein wichtiges Merkmal ihrer nationalen und kulturellen Identität.