Lord of the Dance – Dance of the Lord
Szene 1
Gen 22: „Dann sprach Gott, der Herr: Seht, der Mensch ist geworden wie wir; er erkennt Gut und Böse. Dass er jetzt nicht die Hand ausstreckt, auch vom Baum des Lebens nimmt, davon isst und ewig lebt! 23 Gott, der Herr, schickte ihn aus dem Garten von Eden weg, damit er den Ackerboden bestellte, von dem er genommen war. 24 Er vertrieb den Menschen und stellte östlich des Gartens von Eden die Kerubim auf und das lodernde Flammenschwert, damit sie den Weg zum Baum des Lebens bewachten.“
Szene 2
Gründonnerstag. Jetzt beginnt die Feier des letzten Abendmahles: „Tut dies zu meinem Gedächtnis“. Und dieses Gedächtnis ist der Angstschweiß des Menschensohnes, der erkennt, dass der Wille des Vaters anzunehmen ist und ein bitterer Kelch sein wird. Aber schon damals verhallt das „Bleibet hier und wachet mit mir“. Der Schlaf übermannte die Jünger. Warum soll es uns zwei Jahrtausende später besser gehen?
Szene 3
Die Predigt in Sequenzen, unterteilt durch den Gesang einer Vorsängerin mit Orgelbegleitung: Lord of the Dance. Die Musik ist ein amerikanischer Ringelreigen aus dem 19. Jahrhundert von den Shakers. Sidney Carter hat dann 1963 passend zur musikalischen Kulturrevolution des Shake, Rattle and Roll den Herrn, Christus Jesus, in den Ringelreihen eintreten lassen: „I danced in the morning“ — „Ich tanzte am Morgen als die Welt noch entstand“. Aber ist der hier genannte Lord wirklich Jesus, der Mann aus Nazareth, der sich gerade anschickt, in das Opfer des Paschalammes einzutreten, oder ist dieser Herr nicht doch die indische Shiva, die als Statue auf Carters Schreibtisch stand? Diese Frage muss offen bleiben, jedenfalls lässt der Verfasser des amerikanischen Songs diese Frage offen und wundert sich, dass die Christen auf sein Lied so anspringen. „I see Christ as the incarnation of the piper who is calling us. He dances that shape and pattern which is at the heart of our reality. By Christ I mean not only Jesus; in other times and places, other planets, there may be other Lords of the Dance. But Jesus is the one I know of first and best. I sing of the dancing pattern in the life and words of Jesus.” Also, nicht Dance of the Lord, sondern wirklich Lord of the Dance, und somit bestenfalls die Mystik christlicher Derwische? Ein irisches Musical mit viel Step-Dance dazu gibt es. Donavan hat das Lied gesungen, die Kellys tun’s auch. Langsam wandert das Lied über das evangelische Gesangbuch in die Kirchengemeinden und Chöre. Bei Ossy Osbourne (Black Sabbath) habe ich allerdings den Song auf Anhieb nicht gefunden. Lord of the Dance könnte gut seine Hymne sein, den passenden Text für seine Version haben die Vandals schon geschrieben.
Szene 4
Judas von Iskariot stellt Jesus am Gründonnerstag zur Rede. „Rabbi, es kann nicht sein, dass Du dich dem sicheren Tod überantwortest. Gott, unser Vater, hat uns Menschen das ewige Leben verheißen und nur durch die Sünde kam der Tod in die Welt. Wie soll das der Wille des Vaters sein können, dass Du dich opferst? Nein, das kann nicht sein und das darf nicht sein. Lass uns tanzen. Lass uns den Tanz des Lebens tanzen, den Tanz des Lebens wider den Tod.“ Judas beginnt mit seinem Tanz. „Ich tanze am Morgen als die Welt entsteht. Ich tanze am Abend als sie vergeht. Ich tanze durch die Zeiten bis die Welt wieder ersteht.“ Dann spricht Judas: „Oder, Herr, liege ich falsch?“ – „Ja, mein Freund, Du liegst falsch. Du wirst mich verraten, auch mit deinem Tanz.“
Szene 5
Kann und darf der Messias getanzt haben? Ja, lautet die erste Antwort des Alten Testaments. Im 2. Buch Samuel 6 finden wir eine beeindruckende Szene: „14 Und David tanzte mit ganzer Hingabe vor dem Herrn her und trug dabei das leinene Efod.“ David und ganz Israel holen die Lade des Herrn unter Jubelgeschrei und dem Klang der Schofar. Diese Tanzszene bleibt nicht ohne Kritik und sie kommt von Michal, der Tochter Sauls: „und als sie sah, wie der König David vor dem Herrn hüpfte und tanzte, verachtete sie ihn in ihrem Herzen.“ Nach der Jubelfeier treffen Michal und David aufeinander: „Wie würdevoll hat sich heute der König von Israel benommen, als er sich vor den Augen der Mägde seiner Untertanen bloßgestellt hat, wie sich nur einer vom Gesindel bloßstellen kann.“ Auf die Kritik von Sauls Tochter antwortet David, indem er seinen Tanz in den Dienst für den Herrn ein- und unterordnet: „vor dem Herrn habe ich getanzt; 22 für ihn will ich mich gern noch geringer machen als diesmal und in meinen eigenen Augen niedrig erscheinen“.
Die zweite Antwort führt uns zum Jubellied der Mirjam in Exodus 15: „20 Die Prophetin Mirjam, die Schwester Aarons, nahm die Pauke in die Hand und alle Frauen zogen mit Paukenschlag und Tanz hinter ihr her. 21 Mirjam sang ihnen vor: Singt dem Herrn ein Lied, denn er ist hoch und erhaben! Rosse und Wagen warf er ins Meer.“ Gerade eben haben wir dieses Jubels in dem befreienden Auszug aus Ägypten gedacht, und doch folgt die Einschränkung auf dem Fuße. In Abschnitt 32 berichtet Exodus von seltsamem Geschrei. Es ist die rhythmische Raserei einer Götzenverehrung, die Mose zur Weißglut bringt und ihn die Gebotstafeln zerschmettern lässt. Wirklich sauer aber ist Mose auf Aaron, den Priester, der diese Verwildung zugelassen hat, „zur Schadenfreude ihrer Widersacher“. Zwischen Mose und Aaron steht die Schlüsselfrage jeder Religion: „23 Sie haben zu mir gesagt: Mach uns Götter, die uns vorangehen. Denn dieser Mose, der Mann, der uns aus Ägypten heraufgeführt hat - wir wissen nicht, was mit ihm geschehen ist.“ Damals wie heute tanzt der Lord of the Dance auf dem Tisch der Sehnsüchte und Projektionen. Gott ist hier das sich durch die Versammlung der Gemeinde überhaupt erst konstituierende Gemeinschaftsgefühl. Der tanzende Gott und der erfundene Gott.
Die Heilige Schrift kennt den Tanz als Ausdruck des Jubels und auch als Ausdruck der Verehrung und der Unterwerfung (das sich niedrig Machen). Gotteslob ist auch Tanz (Ps. 150): „1 Halleluja! Lobt Gott in seinem Heiligtum, lobt ihn in seiner mächtigen Feste! 2 Lobt ihn für seine großen Taten, lobt ihn in seiner gewaltigen Größe! 3 Lobt ihn mit dem Schall der Hörner, lobt ihn mit Harfe und Zither! 4 Lobt ihn mit Pauken und Tanz, lobt ihn mit Flöten und Saitenspiel! 5 Lobt ihn mit hellen Zimbeln, lobt ihn mit klingenden Zimbeln! 6 Alles, was atmet, lobe den Herrn! Halleluja!“ Aber auch der Jubel und der Tanz bedürfen eines klaren Blickes: „Alles hat seine Stunde. Für jedes Geschehen unter dem Himmel gibt es eine bestimmte Zeit: […] 4 eine Zeit zum Weinen und eine Zeit zum Lachen, eine Zeit für die Klage und eine Zeit für den Tanz“ (Buch Prediger).
Szene 7
Alles hat seine Zeit. Auch der Gründonnerstag und der Karfreitag. Der Lord of the Dance aber tanzt wie ein Dämon gegen die Zeit: „Ich tanzte auch am Freitag, der mein Letzter sollt sein, doch zu tanzen fällt schwer, wenn die Häscher schrein. Man begrub mich im Felsen und beweinte meinen Tod. Doch ich tanzte selbst da noch, denn ich bin Gott!“ Die Quelle dieses Todestanzes sind apokryphe Johannes-Akten, die aus einem manichäischen Psalmenbuch stammen, von Leo dem Großen verurteilt und 747 auf dem zweiten Konzil von Nicäa als häretisch eingestuft wurde. Hier geht es nicht nur um Verwilderung wie bei Aaron, sondern um die Inszenierung eines präzisen Angriffes. Zum Abschluss des Abendmahls fordert Jesus seine Jünger zum Ringelreigen auf. Jesus tritt in die Mitte des Kreises und singt einen Hymnus, auf den die Jünger mit Amen antworten. Der Christus der Johannes-Akten erleidet den Kreuzestod nicht real. Deshalb muss auch der Jesus der Johannes-Akten sagen: „Nichts von dem […], was sie über mich sagen werden, habe ich gelitten; aber auch jenes Leiden, das ich tanzend dir und den Übrigen gezeigt habe, will ich ein Mysterium genannt wissen.“ Die Sicht der Johannes-Akten ist nicht mysteriös oder mystisch, sondern präzise und klar gegen Jesus als Mensch gerichtet und somit gegen die Leidensgeschichte. Nennen wir es die Verweihnachtlichung des Osterfestes: Das Paschaopfer als das Frühlingsfest des wiedererwachenden Lebens. Lebensfreude, Tanz und Lust, aber die Last der wiedererwachenden Lebenslust hat einen uns lästig gewordenen Preis. Erlösung kennt das Frühlingsfest des ewigen Lebens nicht, nur die ewige Wiederkehr dionysischen Erwachens mit Orpheus als Kultpriester. Im Kern, und darin liegt das Moderne und Mystische der Johannes-Akten, geht es hier um die Missachtung des konkreten Menschen und zwar von Menschen, die sich selbst schon auf dem Wege der Göttlichkeit wähnen. Sidney Carter schreibt: „Sometimes, for a change I sing the whole song in the present tense. 'I dance in the morning when the world is begun...'. It's worth a try.”
Lord of the Dance ist die uralte Sehnsucht des Menschen, auch vom Baum des Lebens kosten zu dürfen, nur eben in der Form eines musikalischen Ohrwurms. Ob sich der Kerubim täuschen lässt?
Gen 22: „Dann sprach Gott, der Herr: Seht, der Mensch ist geworden wie wir; er erkennt Gut und Böse. Dass er jetzt nicht die Hand ausstreckt, auch vom Baum des Lebens nimmt, davon isst und ewig lebt! 23 Gott, der Herr, schickte ihn aus dem Garten von Eden weg, damit er den Ackerboden bestellte, von dem er genommen war. 24 Er vertrieb den Menschen und stellte östlich des Gartens von Eden die Kerubim auf und das lodernde Flammenschwert, damit sie den Weg zum Baum des Lebens bewachten.“
Szene 2
Gründonnerstag. Jetzt beginnt die Feier des letzten Abendmahles: „Tut dies zu meinem Gedächtnis“. Und dieses Gedächtnis ist der Angstschweiß des Menschensohnes, der erkennt, dass der Wille des Vaters anzunehmen ist und ein bitterer Kelch sein wird. Aber schon damals verhallt das „Bleibet hier und wachet mit mir“. Der Schlaf übermannte die Jünger. Warum soll es uns zwei Jahrtausende später besser gehen?
Szene 3
Die Predigt in Sequenzen, unterteilt durch den Gesang einer Vorsängerin mit Orgelbegleitung: Lord of the Dance. Die Musik ist ein amerikanischer Ringelreigen aus dem 19. Jahrhundert von den Shakers. Sidney Carter hat dann 1963 passend zur musikalischen Kulturrevolution des Shake, Rattle and Roll den Herrn, Christus Jesus, in den Ringelreihen eintreten lassen: „I danced in the morning“ — „Ich tanzte am Morgen als die Welt noch entstand“. Aber ist der hier genannte Lord wirklich Jesus, der Mann aus Nazareth, der sich gerade anschickt, in das Opfer des Paschalammes einzutreten, oder ist dieser Herr nicht doch die indische Shiva, die als Statue auf Carters Schreibtisch stand? Diese Frage muss offen bleiben, jedenfalls lässt der Verfasser des amerikanischen Songs diese Frage offen und wundert sich, dass die Christen auf sein Lied so anspringen. „I see Christ as the incarnation of the piper who is calling us. He dances that shape and pattern which is at the heart of our reality. By Christ I mean not only Jesus; in other times and places, other planets, there may be other Lords of the Dance. But Jesus is the one I know of first and best. I sing of the dancing pattern in the life and words of Jesus.” Also, nicht Dance of the Lord, sondern wirklich Lord of the Dance, und somit bestenfalls die Mystik christlicher Derwische? Ein irisches Musical mit viel Step-Dance dazu gibt es. Donavan hat das Lied gesungen, die Kellys tun’s auch. Langsam wandert das Lied über das evangelische Gesangbuch in die Kirchengemeinden und Chöre. Bei Ossy Osbourne (Black Sabbath) habe ich allerdings den Song auf Anhieb nicht gefunden. Lord of the Dance könnte gut seine Hymne sein, den passenden Text für seine Version haben die Vandals schon geschrieben.
Szene 4
Judas von Iskariot stellt Jesus am Gründonnerstag zur Rede. „Rabbi, es kann nicht sein, dass Du dich dem sicheren Tod überantwortest. Gott, unser Vater, hat uns Menschen das ewige Leben verheißen und nur durch die Sünde kam der Tod in die Welt. Wie soll das der Wille des Vaters sein können, dass Du dich opferst? Nein, das kann nicht sein und das darf nicht sein. Lass uns tanzen. Lass uns den Tanz des Lebens tanzen, den Tanz des Lebens wider den Tod.“ Judas beginnt mit seinem Tanz. „Ich tanze am Morgen als die Welt entsteht. Ich tanze am Abend als sie vergeht. Ich tanze durch die Zeiten bis die Welt wieder ersteht.“ Dann spricht Judas: „Oder, Herr, liege ich falsch?“ – „Ja, mein Freund, Du liegst falsch. Du wirst mich verraten, auch mit deinem Tanz.“
Szene 5
Kann und darf der Messias getanzt haben? Ja, lautet die erste Antwort des Alten Testaments. Im 2. Buch Samuel 6 finden wir eine beeindruckende Szene: „14 Und David tanzte mit ganzer Hingabe vor dem Herrn her und trug dabei das leinene Efod.“ David und ganz Israel holen die Lade des Herrn unter Jubelgeschrei und dem Klang der Schofar. Diese Tanzszene bleibt nicht ohne Kritik und sie kommt von Michal, der Tochter Sauls: „und als sie sah, wie der König David vor dem Herrn hüpfte und tanzte, verachtete sie ihn in ihrem Herzen.“ Nach der Jubelfeier treffen Michal und David aufeinander: „Wie würdevoll hat sich heute der König von Israel benommen, als er sich vor den Augen der Mägde seiner Untertanen bloßgestellt hat, wie sich nur einer vom Gesindel bloßstellen kann.“ Auf die Kritik von Sauls Tochter antwortet David, indem er seinen Tanz in den Dienst für den Herrn ein- und unterordnet: „vor dem Herrn habe ich getanzt; 22 für ihn will ich mich gern noch geringer machen als diesmal und in meinen eigenen Augen niedrig erscheinen“.
Die zweite Antwort führt uns zum Jubellied der Mirjam in Exodus 15: „20 Die Prophetin Mirjam, die Schwester Aarons, nahm die Pauke in die Hand und alle Frauen zogen mit Paukenschlag und Tanz hinter ihr her. 21 Mirjam sang ihnen vor: Singt dem Herrn ein Lied, denn er ist hoch und erhaben! Rosse und Wagen warf er ins Meer.“ Gerade eben haben wir dieses Jubels in dem befreienden Auszug aus Ägypten gedacht, und doch folgt die Einschränkung auf dem Fuße. In Abschnitt 32 berichtet Exodus von seltsamem Geschrei. Es ist die rhythmische Raserei einer Götzenverehrung, die Mose zur Weißglut bringt und ihn die Gebotstafeln zerschmettern lässt. Wirklich sauer aber ist Mose auf Aaron, den Priester, der diese Verwildung zugelassen hat, „zur Schadenfreude ihrer Widersacher“. Zwischen Mose und Aaron steht die Schlüsselfrage jeder Religion: „23 Sie haben zu mir gesagt: Mach uns Götter, die uns vorangehen. Denn dieser Mose, der Mann, der uns aus Ägypten heraufgeführt hat - wir wissen nicht, was mit ihm geschehen ist.“ Damals wie heute tanzt der Lord of the Dance auf dem Tisch der Sehnsüchte und Projektionen. Gott ist hier das sich durch die Versammlung der Gemeinde überhaupt erst konstituierende Gemeinschaftsgefühl. Der tanzende Gott und der erfundene Gott.
Die Heilige Schrift kennt den Tanz als Ausdruck des Jubels und auch als Ausdruck der Verehrung und der Unterwerfung (das sich niedrig Machen). Gotteslob ist auch Tanz (Ps. 150): „1 Halleluja! Lobt Gott in seinem Heiligtum, lobt ihn in seiner mächtigen Feste! 2 Lobt ihn für seine großen Taten, lobt ihn in seiner gewaltigen Größe! 3 Lobt ihn mit dem Schall der Hörner, lobt ihn mit Harfe und Zither! 4 Lobt ihn mit Pauken und Tanz, lobt ihn mit Flöten und Saitenspiel! 5 Lobt ihn mit hellen Zimbeln, lobt ihn mit klingenden Zimbeln! 6 Alles, was atmet, lobe den Herrn! Halleluja!“ Aber auch der Jubel und der Tanz bedürfen eines klaren Blickes: „Alles hat seine Stunde. Für jedes Geschehen unter dem Himmel gibt es eine bestimmte Zeit: […] 4 eine Zeit zum Weinen und eine Zeit zum Lachen, eine Zeit für die Klage und eine Zeit für den Tanz“ (Buch Prediger).
Szene 7
Alles hat seine Zeit. Auch der Gründonnerstag und der Karfreitag. Der Lord of the Dance aber tanzt wie ein Dämon gegen die Zeit: „Ich tanzte auch am Freitag, der mein Letzter sollt sein, doch zu tanzen fällt schwer, wenn die Häscher schrein. Man begrub mich im Felsen und beweinte meinen Tod. Doch ich tanzte selbst da noch, denn ich bin Gott!“ Die Quelle dieses Todestanzes sind apokryphe Johannes-Akten, die aus einem manichäischen Psalmenbuch stammen, von Leo dem Großen verurteilt und 747 auf dem zweiten Konzil von Nicäa als häretisch eingestuft wurde. Hier geht es nicht nur um Verwilderung wie bei Aaron, sondern um die Inszenierung eines präzisen Angriffes. Zum Abschluss des Abendmahls fordert Jesus seine Jünger zum Ringelreigen auf. Jesus tritt in die Mitte des Kreises und singt einen Hymnus, auf den die Jünger mit Amen antworten. Der Christus der Johannes-Akten erleidet den Kreuzestod nicht real. Deshalb muss auch der Jesus der Johannes-Akten sagen: „Nichts von dem […], was sie über mich sagen werden, habe ich gelitten; aber auch jenes Leiden, das ich tanzend dir und den Übrigen gezeigt habe, will ich ein Mysterium genannt wissen.“ Die Sicht der Johannes-Akten ist nicht mysteriös oder mystisch, sondern präzise und klar gegen Jesus als Mensch gerichtet und somit gegen die Leidensgeschichte. Nennen wir es die Verweihnachtlichung des Osterfestes: Das Paschaopfer als das Frühlingsfest des wiedererwachenden Lebens. Lebensfreude, Tanz und Lust, aber die Last der wiedererwachenden Lebenslust hat einen uns lästig gewordenen Preis. Erlösung kennt das Frühlingsfest des ewigen Lebens nicht, nur die ewige Wiederkehr dionysischen Erwachens mit Orpheus als Kultpriester. Im Kern, und darin liegt das Moderne und Mystische der Johannes-Akten, geht es hier um die Missachtung des konkreten Menschen und zwar von Menschen, die sich selbst schon auf dem Wege der Göttlichkeit wähnen. Sidney Carter schreibt: „Sometimes, for a change I sing the whole song in the present tense. 'I dance in the morning when the world is begun...'. It's worth a try.”
Lord of the Dance ist die uralte Sehnsucht des Menschen, auch vom Baum des Lebens kosten zu dürfen, nur eben in der Form eines musikalischen Ohrwurms. Ob sich der Kerubim täuschen lässt?