Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP)
ORF
Kurz über CoV-Maßnahmen

„Schrittweise in neue Normalität“

Noch gibt die Regierung keine Details zu einem Zeithorizont, wie lange die Maßnahmen im Kampf gegen das Coronavirus andauern. In einer ZIB Spezial am Montagabend nahm Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) Stellung zu den bisherigen Maßnahmen. Er hofft, in einer Woche einen Ausblick für die Zeit nach Ostern geben zu können. Ein eigenes Team arbeite daran, das Land „schrittweise in eine neue Normalität“ zu führen.

Dazu zähle etwa das Abstandhalten, das Tragen von Masken und, dass man rasch erfährt, ob man sich angesteckt hat oder nicht, skizzierte Kurz die Notwendigkeiten, dass das Land wieder hochgefahren werden kann. „Das Leben wird sich deutlich verändern.“ Zugleich schwört Kurz die Österreicher auf die verschärften Regeln im Kampf gegen das Virus ein. Es gebe „keine Alternative“ dazu: „Die Wahrheit ist, dass die schweren Zeiten noch vor uns stehen.“

Man müsse derzeit dafür sorgen, dass der „Sturm uns nicht so heftig trifft wie in Italien“. Die Maßnahmen wirken, aber: „Wir müssen uns noch mehr anstrengen.“ Die Ausbreitung müsse noch deutlich nach unten gehen. Entscheidend sei der Replikationsfaktor – also wie viele Menschen ein Erkrankter ansteckt. Solange dieser Faktor über eins ist, gebe es eine schnelle Ausbreitung des Virus. Kurz: „Derzeit liegen wir bei Replikationsfaktor zwei. Er war auf vier, aber wir sind noch weit entfernt von Richtung null.“

Kanzler Kurz über die neuen Maßnahmen

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) erwartet überlastete Spitäler und hofft, dass die getroffenen Maßnahmen uns Situationen wie in Italien und Spanien ersparen. Er betont die Notwendigkeit der am Montag gesetzten Maskenpflicht im Supermarkt.

Im Supermarkt „Masken tragen üben“

Einen ersten Schritt Richtung „neue Normalität“ setzte die Regierung am Montag mit den zunächst für den Einkauf im Supermarkt verpflichtend vorgesehenen Schutzmasken. Bis zum Ende der Woche soll vor den meisten Supermärkten Masken ausgegeben werden, so Kurz. Diese Maßnahme sei auf den Austausch mit asiatischen Staaten zurückzuführen. Kurz schließt das verpflichtende Tragen von Masken in Zukunft auch in anderen Bereichen, etwa in öffentlichen Verkehrsmitteln und an stark frequentierten Orten, nicht aus.

„Im Supermarkt werden wir das alle lernen und üben“, so der Kanzler. Das sei eine Umstellung, aber: „Wenn wir gut werden im Abstandhalten und im Umgang mit den Masken, ist es einfacher, Geschäfte wieder zu öffnen.“ Auf Basis der Datenlage soll in einer Woche entschieden werden, wie lange der Status quo aufrechterhalten werden müsse. Kurz: „Zuerst sollen die Geschäfte aufsperren, die am nächsten zu kritischer Infrastruktur sind, wo es den größten Bedarf und den geringsten Schaden gibt.“

Zeitpunkt für Schulöffnung noch unklar

Noch keine Angaben machte Kurz in Bezug auf die Öffnung der Schulen: „Gerade die Öffnung der Schulen ist eine extreme Belastung für das System und führt zu einer massiven Ausbreitung des Virus, wenn es nicht vorher fast gegen null geht.“ ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann arbeite derzeit daran, dass die Matura absolviert werden könne.

Vizekanzler Kogler zur Maskenpflicht

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) verteidigt im Interview die verschärften Maßnahmen: Man habe die Dauer der Krise nicht unterschätzt, sondern sich auf die Modellrechnungen der Experten verlassen.

Auch Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) warnte vor Zuständen wie in Italien und will keine Prognose für die Schulen abgeben: „Wenn wir die Ausbreitungsgeschwindigkeit nicht dramatisch senken, werden wir an die Kapazitätsgrenzen des Gesundheitssystems stoßen“, sagte er in der ZIB2. Der breitere Einsatz von Schutzmasken in Supermärkten sei eine Maßnahme, die in weiterer Folge auch auf andere Geschäfte ausgerollt werden könnte. Zudem wäre eine Maske auch an „besonders frequentierten Orten“ überlegenswert.

Moderne Technologie „wesentlicher Schlüssel“

Wenig Verständnis zeigte Kurz für Kritik an der geplanten Handyortung im Kampf gegen CoV. „Ich frage mich schon langsam, was soll denn die Lösung sein?“ Bei den Arbeiten, das Land in Richtung „neue Normalität“ zu führen, sei die Nutzung von moderner Technologie ein „ganz wesentlicher Schlüssel“. Zum Einsatz kommen soll etwa die App des Roten Kreuzes. Damit könne man innerhalb von Sekunden sehen, dass man mit jemandem in Kontakt war, der positiv auf CoV getestet wurde.

Das soll auf Basis der Freiwilligkeit und zeitlich befristet erfolgen, so Kurz: „Aber ich habe das Gefühl, dass die Österreicher und Österreicherinnen die Maßnahmen diszipliniert mitmachen.“ Sorgen um die Demokratie in Österreich mache er sich jedenfalls nicht. Es denke niemand daran, die Rechte zu beschneiden. Es gebe hier nicht den Plan wie in Ungarn, die Demokratie zu beschneiden.

„Kann man nicht ernst nehmen“

Kritik übte der Kanzler an der Europäischen Union. Hätte es von der EU einen guten Vorschlag gegeben, „hätten wir ihn sofort aufgegriffen“. Es habe allerdings nur Kritik an der österreichischen Grenzschließung zu Italien gegeben. Kurz: „Vorschläge wie ‚Bitte haltet die Grenzen offen‘, die kann man halt in solchen Zeiten nicht ganz ernst nehmen.“ Das Wichtigste sei, die eigene Bevölkerung zu schützen.

Auf die Frage, ob Tirol beim Krisenmanagement etwas falsch gemacht habe, sagte Kurz, dass sich jeder diese Frage stellen müsse, was richtig und was falsch gemacht wurde: „Jeder Entscheidungsträger macht in normalen Zeiten Fehler. Das gilt umso mehr in Krisenzeiten.“ Es seien nicht alle Entscheidungen richtig gewesen, aber das müsse nach der Krise diskutiert werden.

Tests ausweiten

Wie auch bei Schutzkleidung gibt es derzeit Engpässe bei den CoV-Tests. Kurz gibt 15.000 Testungen pro Tag als „realistischen Zielwert“ an. Mit einem Beitrag von Labors, Unis und Industrie solle jede zusätzliche Kapazität genutzt werden. Priorität für Testungen hätten zunächst Menschen mit Symptomen und die Personen, die aufgrund ihrer Tätigkeit „Superspreader“ („Superverbreiter“) seien und viele Menschen anstecken könnten, etwa medizinisches Personal und Polizisten. In einem weiteren Schritt sollen laut Kurz in großem Stil Antikörpertests zum Einsatz kommen. Das sei eine gute Ergänzung, um die Bevölkerung breitflächig testen zu können.