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In Spanien gleicht der Weihnachtsmarkt eher einem Kirmesrummel

Das große Fest kann kommen

Madrid/Ochtrup

In der Uni herrscht in diesen Tagen großer Trubel. Mit dem Ende des Kalenderjahres neigt sich auch die Vorlesungszeit mit gewaltigen Schritten dem Ende entgegen.

Maximillian Stascheit

Ein großes Event ist die festliche Weihnachtsbeleuchtung an der Puerta del Sol auf dem großen Platz in der Stadtmitte. Und auf dem Weihnachtsmarkt in dem schönen Städtchen Alcalá gibt es neben dem Riesenrad sogar eine Schlittschuhfläche.
Ein großes Event ist die festliche Weihnachtsbeleuchtung an der Puerta del Sol auf dem großen Platz in der Stadtmitte. Und auf dem Weihnachtsmarkt in dem schönen Städtchen Alcalá gibt es neben dem Riesenrad sogar eine Schlittschuhfläche. Foto: Maximilian Stascheit

Denn die Kurse an der Universität Complutense Madrid, an der ich jetzt seit vier Monaten studiere, enden bereits in dieser Woche – nach den Weihnachtsferien stehen nur noch Klausuren auf dem Programm. Für die spanischen Studenten – und auch für mich – heißt das: Präsentationen müssen gemacht, Gruppenprojekte fertiggestellt und Abschlussarbeiten eingereicht werden. Nicht selten passiert das kurz vor knapp, auf den allerletzten Drücker. Viele meiner spanischen Kommilitonen sind wahre Meister in spontaner Stressbewältigung. Die Frage, ob man sich für die Projektarbeit am nächsten Morgen treffen wolle, kommt meistens in der Nacht zuvor. Doch wie sehr die Zeit bis zum Abgabetermin auch drängt: Ihre bewundernswerte Gelassenheit lassen sich die Kollegen in der Regel nicht nehmen. Ich scheine meistens der einzige zu sein, den der Zeitdruck etwas nervös macht.

Vorweihnachtliche Besinnlichkeit ist bei mir daher noch kaum eingekehrt. Der in den letzten Wochen etwas turbulente Unialltag ist dafür jedoch nur der eine Grund. Tatsächlich macht es einem die Drei-Millionen-Einwohner-Metropole erstaunlicherweise gar nicht so einfach, in Adventsstimmung zu kommen. Denn anders als in Deutschland, wo man Glühweinduft und Lebkuchengebäck in den Dezemberwochen kaum entfliehen kann, musste ich mich hier schon genauer auf die Suche nach Weihnachtsstimmung begeben.

Dabei waren die ersten Indizien schon ziemlich früh ersichtlich. An einem Freitagabend Ende November, an dem Einheimische und Shoppingtouristen in Scharen zur Schnäppchenjagd ins Stadtzentrum strömten, lud die Marketingabteilung der Stadt zur feierlichen Entzündung der Weihnachtsbeleuchtung an der Puerta del Sol ein. Denn die Madrilenen – das habe ich dabei nicht zum ersten Mal festgestellt – verstehen es besonders gut, aus jeder Kleinigkeit ein großes Event zu machen.

Also setzte auch ich mich mit meinem WG-Mitbewohner in die Metro, um auf dem großen Platz in der Stadtmitte, von dem aus Einkaufmeilen in alle Himmelsrichtungen führen, das hellblau strahlende Tannenbaumgerüst zu bestaunen. Und auch in den Straßen funkelte es nun ab Einbruch der Dunkelheit in allen knalligen Farben des Regenbogens. Zwar sind diese Leuchtobjekte eher kitschig als wirklich schön, doch zum ersten Mal lag damit ein gewisser Weihnachtsflair in der Luft.

Doch es sollte noch besser werden an diesem Abend. Wir hatten von einem Weihnachtsmarkt auf dem traditionsreichen Plaza Mayor gehört, der seine Buden am selben Tag öffnete und machten uns Hoffnung, dort den ersten Glühwein des Jahres genießen zu können. Denn das würzige Heißgetränk gehört für mich zur Vorweihnachtszeit unbedingt dazu.

Umso enttäuschter waren wir von dem, was uns dort geboten wurde. Ein paar kleine Stände mit Deko, die man nun wirklich nicht bei sich auf der Fensterbank stehen haben möchte, waren alles, was Madrid in Sachen Weihnachtsmarkt zu bieten hat. Glühwein, Crêpes oder Bratäpfel? Fehlanzeige!

Also überlegte ich mir, wie man das Wort Glühwein wohl am besten ins Spanische übersetzen könnte (ich entschied mich für „tinto de invierno“, also „Winterwein“) und hörte mich bei Kommilitonen in der Uni um. Die aber konnten mir bei der Suche nach diesem offenbar typisch deutschen Getränk leider wenig weiterhelfen. Fast hatte ich die Hoffnung schon aufgegeben, als eine Woche später ein freudestrahlender Mitbewohner von seinem Einkauf bei einer deutschen Discounterkette zur Tür hereinkam und triumphierend eine Flasche „tinto de especios“ – also Gewürzwein – aus der Tasche zog. Meine Weihnachtswelt schien wieder halbwegs in Ordnung zu sein.

Denn auch in Sachen Weihnachtsmarktbesuch tat sich einige Tage später eine neue Chance auf. Eine Internetrecherche eines anderen deutschen Erasmus-Studenten ergab, dass ein solcher in dem schönen Städtchen Alcalá – mit dem Zug eine knappe Stunde von Madrid entfernt – zu finden sei.

Dort angekommen, war schon der erste Eindruck äußerst verheißungsvoll: Auf einem etwas abgelegenen Gelände war da tatsächlich eine stattliche Winterlandschaft aufgebaut, mit Holzhütten, Tannenbäumen, gemütlicher Beleuchtung und auf der Schlittschuhfläche drehten Kinder ihre Runden zu Michael Bublés „Jingle-Bells“-Version. Schnell stellten wir danach jedoch fest, dass sich bei der Veranstaltung ansonsten eher um eine wetterfeste Kirmes handelte.

In einem riesigen Zelt gab es vom 3D-Simulator über das Kinderkarussell bis zum Superflug alles, was das Rummelherz höherschlagen lässt – nur kulinarisch bekam man hier außer Burger und Cola wenig geboten.

Dafür setzten wir fortan zumindest daheim in der WG alles daran, es etwas weihnachtlich werden zu lassen: Auf den Fensterbänken stehen große Adventskalender, der Küchentisch wird durch einen – zugegebenermaßen äußerst improvisierten – Adventskranz dekoriert und passend zu Nikolaus trudelten süße Köstlichkeiten aus der Heimat ein.

So verging also auch meine Adventszeit in Madrid wie im Flug, denn schon heute werde ich für ein paar Tage Heimaturlaub zurück nach Ochtrup fliegen. Eine Weihnachtsfeier und natürlich ein Besuch auf dem Münsteraner Weihnachtsmarkt am Sonntag sind also noch drin. Dann bin auch endgültig in der passenden Stimmung – und das große Fest kann kommen.