Mittwoch, Februar 29, 2012

Kindermord im JME

Vor einigen Tagen kam im Journal of medical ethics (sic!) ein Artikel mit folgendem Titel und Abstract heraus:

After-birth abortion: why should the baby live?
Abortion is largely accepted even for reasons that do not have anything to do with the fetus' health. By showing that (1) both fetuses and newborns do not have the same moral status as actual persons, (2) the fact that both are potential persons is morally irrelevant and (3) adoption is not always in the best interest of actual people, the authors argue that what we call ‘after-birth abortion’ (killing a newborn) should be permissible in all the cases where abortion is, including cases where the newborn is not disabled.


(der Artikel ist übrigens z.Zt. online verfügbar, wer also Interesse hat...)

Man kann sich vorstellen, daß es einen regelrechten shitstorm auf diesen Artikel gab. Auch wenn die Argumente nicht neu sind, auch wenn Herr Singer sowas schon seit längerem von sich gibt - die (jawohl!) Ehrlichkeit der Abtreibungsapologetiker, nun auch diesen Schritt zuzulassen, ist erschreckend. Dementsprechend war der Sturm der Entrüstung in Sachen Mails an den Editor des Journal of medical ethics groß.

Dieser verteidigt sich nun. Es sei ein altes Argument, was schon vorher gesagt wurde, es wird halt "einfach" der Gedanke der Abtreibung weitergedacht und in Holland ist das ja schon erlaubt (gut, von mir etwas polemisch zusammengefasst). Was ihn ehrt - auch wenn ich das sehen will, bevor ich das glaube - ist, daß er sagt, daß die Zeitschrift jemandem, der wissenschaftlich gegen Abtreibung schreiben will, offen stehe.

Was mich jedoch dann wirklich stört ist das klassische "hate speech"-Argument. Er sei ja so betroffen über die offen feindseligen Briefe, die er bekam. Und natürlich zeigen ja solche Briefe eine tiefe Unordnung in der modernen Welt. Nebenbei an der Stelle gesagt ist es wirklich köstlich, daß Liberale in den Kommentaren behaupten, Leute wie diese Schreiber wären in wirklichkeit quasi Doppelagenten der Lebensschützer, die die Abtreibungsbefürworter nur in schlechtes Licht rücken wollen (das sind dieselben Intelligenten aufgeklärten, die uns unterstellen, an einen Gott zu glauben, weil dann alles einfacher wäre!).

Nein, er kommt nicht darauf, daß diese tiefe Unordnung der Vorschlag, Kinder zu ermorden ist. Wieso auch, man könne ja über alles sachlich diskutieren.

Na gut, er will sachlich. Wie Ralf von pax et bonum ausführt, ist ein Hauptargument der Leute, die sich für "Postnatale Abtreibung" einsetzen ("Postnatale Abtreibung"... ich kann mich noch erinnern, wie eine Truppe Komiker diesen Ausdruck für einen absurden Sketch benutzte und nun steht er als Titel in einem Paper) daß des Bewußtseinszustandes. Man sagt halt, daß ein Schimpanse sich deutlich mehr seiner selbst bewußt ist als ein Baby und meint, es würde keine Rolle spielen, daß dieses Baby, wenn denn nichts passiert, irgendwann sich seiner bewußt wird. Genauso ist es bei alten Leuten kein Argument, weshalb man fröhlich für Euthanasie sein kann... (wann wird endlich dabattiert, daß man geistig Behinderte egal welchem Alters umbringen kann? Anderes Thema...)

Ralf führt nun weiter aus, daß mit einer solchen Logik Leute im Schlaf umgebracht werden können. Was ich an diesem Argument mag ist, daß es die Absurdität dieses Gedankens gut vorführt, jedoch wird ein Abtreibungsbefürworter sagen, daß das Ende des Schlafes nicht nur abzusehen sei sondern man die Person auch wecken kann. Einem Baby kann man nicht mit lautem in die Hände klatschen (wieder) zu einem Selbst-Bewußtsein verhelfen.

Jedenfalls, so oder so bin ich schockiert. Dementsprechend hat mich die vorher gepostete Nachricht der secular pro life-Leute in Amiland dann nicht nur gefreut, sondern mir wieder Hoffnung gegeben, daß Menschen sich doch wieder zum Leben entscheiden.


ANHANG: Ich lese gerade den Artikel selbst und... nun, man muß fairerweise den Schreibern lassen, daß sie beim Lesen oft die Freiheit lassen, die Argumente zu Argumenten zum Lebensschutz zu machen. Ihre Argumentation ist, daß eine potentielle Person, die also noch keine ist, moralisch gegenstandslos wäre (was aus ihrer Sicht Ralfs Argument aushebelt). Auf der anderen Seite, und nun mal rein objektiv gesprochen, widersprechen sie sich selbst, wenn sie in einem Absatz betonen, daß das uns nicht die Verantwortung vor zukünftigen Generationen nehme:

This does not mean that the interests of actual people always over-ride any right of future generations, as we should certainly consider the well-being of people who will inhabit the planet in the future. Our focus is on the right to become a particular person, and not on the right to have a good life once someone will have started to be a person. In other words, we are talking about particular individuals who might or might not become particular persons depending on our choice, and not about those who will certainly exist in the future but whose identity does not depend on what we choose now.


Und hier muß ich fragen "warum"? Wieso sollten wir diesen Planeten für irgendwelche "potentiellen Personen" schützen? Wieso sollten wir verantwortungsvoll mit unseren Ressourcen umgehen? Sicher, man könnte sagen, daß "unsere Kinder" ja schon auf der Welt sind, und diese Zukunft erleben werden. Aber wenn eine "potentielle Person" nicht Gegenstand der Ethik ist, wieso ist es eine "potentielle Zukunft"? Um ehrlich zu sein, frage ich mich, ob in der nächsten Veröffentlichung im JME (ja, polemisch gesprochen) nicht über eine Zwangssterilisation fabuliert werden kann (auch so eine Frage: Ist denn Kinder bekommen ein Menschenrecht, wenn man so denkt?), so daß wir fröhlich in dieser Generation all unsere Ressourcen verbrauchen können...

Dieser Punkt wird dann nochmal bestätigt und ich zitiere ihn nochmal, weil der mMn Fehler ihrer Logik hier deutlich wird:

We might still have moral duties towards future generations in spite of these future people not existing yet. But because we take it for granted that such people will exist (whoever they will be), we must treat them as actual persons of the future. This argument, however, does not apply to this particular newborn or infant, because we are not justified in taking it for granted that she will exist as a person in the future. Whether she will exist is exactly what our choice is about.


Schließlich werden die Autoren dann wirklich etwas verrückt, wenn sie einerseits gegen Freigabe zur Adoption sich aussprechen ("in manchen Fällen" natürlich), weil dies zu einem Trauma für die Mutter führen könne, ein Trauma, was sie im Fall von (postnataler) Abtreibung zwar nicht negieren, aber meinen, daß es psychologische uä Gründe geben könne, daß eine Mutter das eine schlimmer als das andere finden würde.

Langer Rede kurzer Sinn: Ein sehr, sehr wirrer Artikel.

2 Kommentare:

Thomas Didymos hat gesagt…

Danke, jetzt ist mein Blutdruck wieder auf Touren. Ich darf garnicht daran denken wen ich da jetzt momentan gerne postnatal abtreiben würde.

Miriam M. hat gesagt…

Danke für diesen Post. Und vielen Dank auch all die anderen da draussen, die sich die Mühe gemacht haben, sich durch diesen sicher unappetitlichen Artikel durchzuarbeiten. Ich hatte zuerst auch mit dem Gedanken gespielt, aber mit Rücksicht auf meinen Blutdruck werde ich das Feld doch den Profis überlassen. Ich glaub nämlich nicht, dass ich da zwei Sekunden ruhig bleiben könnte, um auch nur halbwegs sachlich zu argumentieren, aber ich bin ja auch nur so ein "Zellhaufen", der nur deswegen das Glück sich weiterentwickeln zu dürfen, weil es diese "post-natale Abtreibung" damals noch nicht gab.