Nach dem GVK Bio-Skandal

Freihandelsabkommen der EU mit Indien stockt

Remagen - 28.10.2015, 12:20 Uhr

GVK Bio in Hyderabad: Hersteller wollte Studien wiederholen. (Bild: nik)

GVK Bio in Hyderabad: Hersteller wollte Studien wiederholen. (Bild: nik)


Weil der indische Pharmadienstleister GVK Bio Zulassungsstudien manipuliert haben soll, ließ die EU-Kommission für Hunderte von Generika die Zulassung ruhen. Zu Unrecht, finden der Konzern und die indische Regierung. Nun liegen die Gespräche über ein gemeinsames bilaterales Freihandelsabkommen deswegen auf Eis.

Es war eine Inspektion mit Folgen: Im Jahr 2014 waren französische Arzneimittel-Kontrolleure bei der Überwachung des indischen Unternehmens GVK Bio vor Ort auf Ungereimtheiten gestoßen. Daten von Elektrokardiogrammen waren manipuliert worden. Nach eingehender Prüfung entschied die EU-Kommission im Juli 2015, dass die betroffenen Tests nicht länger Basis für die Zulassung von Medikamenten sein können. Seit dem 21. August sind die Präparate im Binnenmarkt nicht mehr verkehrsfähig.

Die Hersteller der zumeist betroffenen Generika – Cholesterinsenker, Antiallergika, Bluthochdruckmittel – erhielten die Gelegenheit, mit alternativen Studien nachzubessern. Der Skandal beschäftigte die Apotheker in Deutschland wochenlang. Sie mussten permanent kontrollieren, welche Arzneimittel nun nicht mehr abgegeben werden durften, oder ob ein Hersteller bereits neuere Zulassungsstudien beigebracht hatte. In solchen Fällen hob das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte das angeordnete Ruhen der Zulassung wieder auf.

Indien enttäuscht von starrer EU-Haltung

Ärger gibt es aber auch international: Der Fall GVK Bio könnte zur Nagelprobe für das bilaterale Freihandels- und Investitionsabkommen mit der EU (EU-BTIA) werden. Bereits seit Juni 2007 verhandeln die EU und Indien. Wegen ungelöster Probleme, die hauptsächlich den Marktzugang betreffen, ging es allerdings nicht recht voran. Die eigentlich für Ende August geplante Wiederaufnahme der Gespräche wurde nun von den Indern erneut blockiert. Begründet wurde dies mit der Weigerung der EU, das Verkaufsverbot für die mittlerweile noch rund 700 Arzneimittel aufzuheben, die von den GVK Bio-Datenmanipulationen betroffen sind.

Seit mehr als acht Monaten habe man sich bemüht, die europäischen Behörden davon zu überzeugen, dass man keine Hinweise auf solche Manipulationen gefunden habe. Die indische Regierung sei enttäuscht über die starre Haltung der Europäer, heißt es. Schließlich sei die Pharmaindustrie ein „Flaggschiff-Sektor" für das Land, heißt es in Pressemeldungen.

Neuerliche Inspektion in Hyderabad

Das indische Auftragsforschungsunternehmen GVK Bio hatte von Beginn an alle Vorwürfe von sich gewiesen. Mit seinem Angebot, die betreffenden Studien zu wiederholen, stieß es bei den Unternehmen auf taube Ohren.

Ende September hatte die „Times of India“ über die Einrichtung einer sechsköpfigen Sonderkommission von verschiedenen Abteilungen der Unions-Regierung berichtet, die sich der GVK Bio-Angelegenheit im Detail  annehmen soll. Zu diesem Zweck soll erstmals auch  ein Besuch am Firmensitz in Hyderabad stattgefunden haben. Für die Ablieferung des abschließenden Reports an die indische Unionsregierung gibt es jedoch keinen festen Zeitrahmen.

Wie den Presseberichten weiter zu entnehmen ist, soll die Verweigerungshaltung der Regierung bezüglich der Wiederaufnahme der Verhandlungen über das Freihandelsabkommen nicht nur GVK Bio, sondern auch der übrigen Branche mächtig den Rücken gestärkt haben. Offenbar hat vor allem der hohe Reputationsverlust an dem Sektor arg zugesetzt.  

„Wir haben die EU gebeten, die Angelegenheit zu bereinigen. Wir haben gesagt, dass wir sogar zu einer neuen Testung der verbotenen Medikamente bereit sind, aber es gibt keine offizielle Antwort zu diesem Thema. Die FTA-Verhandlungen werden nicht neu gestartet, bis es eine konkrete Bewegung zur Lösung unseres Problems gibt“, soll ein Beamter aus dem indischen Handelsministerium erklärt haben. „Wenn die EU so stur ist, warum sollten wir dann nachgeben? Wenn sie so sehr an dem Freihandelsabkommen interessiert ist, sollte  sie für unsere Sorgen etwas empfänglicher werden.“


Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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