Gerhard Praschak: Der Selbstmord des Bankers

Eine Verzweiflungstat aus Protest gegen politische Einmischung.

Am Nachmittag des 26.April1997, einem Samstag, steckte sich der 45-jährige Vorstand der Österreichischen Kontrollbank, Gerhard Praschak, in seinem Büro Am Hof den Lauf einer Smith & Wesson in den Mund und drückte ab. Der Mann zählte mit fünf Millionen Schilling Jahresgage zu den bestbezahlten Bankmanagern, sein Vertrag war noch auf Jahre ungefährdet, ihm drohte keine Kündigung.

Aber eine Degradierung. Für einen solchen Vielarbeiter, dem der Beruf alles war, wohl ein triftiger Grund. Der Manager hatte seinen Tod der Apa und diversen Zeitungsredaktionen angekündigt: Er möge ein Fanal sein. Die beinharte Einmischung der Parteipolitik ins Geldgeschäft sei für ihn nicht länger erträglich – er mache Schluss, hieß es in den Abschiedsbriefen.

Das Entsetzen der Öffentlichkeit und der Schreck der Politiker dauerten nicht lange. Man ging über den Tod des Bankers bald hinweg. Wer kennt heute – zehn Jahre danach – noch seinen Namen?

Der Sohn einfacher Leute aus Traismauer kannte nach dem WU-Studium nur eine Richtung – steil nach oben: Sekretär des Finanzministers Lacina, dann Kabinettschef von Bundeskanzler Vranitzky, schließlich – kaum 40 Jahre alt – gemeinsam mit dem Bürgerlichen Johannes Attems Vorstand der Österreichischen Kontrollbank.

Doch Mitte April 1997 wendet sich das Blatt: Der bisherige Wissenschaftsminister Rudolf Scholten, auch ein früherer Vranitzky-Sekretär, muss untergebracht werden – als Vorstandsmitglied in der Kontrollbank, denn Scholten war schon früher, auf geringerem Level, hier beschäftigt.

Praschak hat Tagebuch geführt. Und dem folgen wir nun, wenn wir den Weg des Gerhard Praschak in den Freitod nachzeichnen wollen. Sein Nachlass enthielt mehrere brisante Sprengsätze in Richtung SPÖ: Deren Regierungsmitglieder hätten beim Umbau des Bankwesens massiven Druck auf Bank-Manager ausgeübt.

Die 120-seitige Dokumentation der Vorgänge über das Postenringelspiel im Bankenbereich leuchtet ein dunkles Kapitel aus: Praschak sieht sich als Spielball der wahren Mächtigen. Und die heißen damals Gerhard Randa (Bank Austria) und Helmut Elsner (Bawag), beide der SPÖ nicht fernstehend.

„Freundlich zu Elsner sein“

Die Bawag ist zweitgrößter Aktionär der Kontrollbank. Am 3.April ruft Elsner Praschak an: Er halte die von Randa forcierte Zusammenlegung von Kontrollbank und Investkredit AG für „Blödsinn“. Kommt nicht in Frage, weil „die Bank Austria ohnedies schon zu viel Einfluss hat“. Randas Masterplan sieht ja vor, Kontrollbank und Investkredit zu fusionieren und Praschak dort mit einem Posten abzufinden. Und Randa rät Praschak noch, freundlich zu Elsner zu sein, denn „er ist ja schließlich dein Eigentümer“.

Am 4.April folgt ein Termin bei Elsner, der Praschak mitteilt, dass er „mit allen Mitteln gegen das Konzept von Randa agieren werde“. Er, Elsner, werde auch in der Personalfrage gegen Praschak stimmen. Er solle das nicht persönlich nehmen, aber das sei nun einmal „der Schlüssel für den Zugang zu den Politikern in den anderen Fragen“.

Randa wieder – schreibt Praschak – habe betont, „dass er selten in seinem Leben einem derartigen politischen Druck ausgesetzt gewesen sei. Die Namhaftesten wären der Alt- und der neue Kanzler (Vranitzky, Klima) sowie der Finanzminister (Edlinger) und der Bürgermeister (Häupl). Ich sollte mir daher wohlweislich überlegen, ob es überhaupt möglich sei, Nein zu sagen.“

Gerhard Praschak sagt dennoch „Nein“. Mit seinem Rechtsanwalt formuliert er ein Fünf-Punkte-Programm, in dem er u.a. für sich Vorstandsfunktionen in der Kontrollbank und der womöglich bald fusionierten Investkredit AG reklamiert.

So weit kommt es aber nicht. Rudolf Scholten wird vom OeKB-Aufsichtsrat (Vorsitz: Gerhard Randa) als 3.Vorstand eingesetzt. Der in Panik befindliche Praschak lädt den Neuen („nach Klärung der leidigen Raumfrage: Wer sitzt wo?“) zum Mittagessen ein. Die Reviere der drei Vorstände sollen abgesteckt werden. Scholten erhebt – nach Praschaks Notizen – Anspruch auf Teile von dessen Kompetenzen. Sonst bedeute das „Zoff“. Er könne außerdem als Ex-Minister jederzeit die „politische Karte“ spielen. Natürlich nur im äußersten Notfall...

„Paranoia querulans“

Praschak resigniert: „Dr. Scholten teilt mir mit, dass er frisch ausgeruht vom Urlaub und kampfbereit sei, ich solle endlich realistisch werden. Mir war klar, dass es betreffend Geschäftsverteilung nie eine sachlich gerechtfertigte Lösung geben kann. Es steht immer 2:1. Akzeptiere ich und funktionieren die Dinge nicht, bin ich schuld. Kämpfe ich, wird behauptet: ,Paranoia querulans.'Die Mühle ist zu.“
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Praschak wollte mit seinem Selbstmord die Öffentlichkeit aufrütteln. Das ist ihm nicht gelungen. Der Freitod war völlig sinnlos: Randa dementiert, jemals irgendeinem Druck ausgesetzt gewesen zu sein. Höchste Verwunderung auch beim Altkanzler Vranitzky: „Es muss bei ihm in den sechs Jahren, in denen er nicht mehr bei mir war, eine Veränderung gegeben haben.“ Und: „Ich habe mich in den letzten 48 Stunden immer wieder gefragt: Ist mir bei Praschak etwas aufgefallen, das daraufhin deutete, er sei labil gewesen? Ich muss das mit Nein beantworten.“

Auch den Konstrukteuren der Bankenfusion blieb nichts von ihrem Glanz. Die BA/CA ist in italienischem Besitz, die Bawag-Pleite hat den ÖGB ins Verderben gerissen.
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Am 24.April1998 wurde in die Wohnung von Gerhard Praschaks Witwe, Nicole, eingebrochen. Der Täter stahl ausschließlich private Aufzeichnungen des toten Bankers, auch jene Originale, die Praschak vor seinem Tod in Kopie an die Medien und Parteien verschickt hatte. Dem Parlament antwortete das Innenministerium lapidar wie folgt: „Die Führung polizeilicher Vorerhebungen obliegt nur bei politischen oder politisch motivierten Verbrechen der Abteilung für Staats-, Personen- und Objektschutz. Bei dem in Rede stehenden Einbruchsdiebstahl lagen keinerlei Anhaltspunkte für das Vorliegen eines politischen Verbrechens vor. Dem Sicherheitsbüro der Bundespolizeidirektion Wien obliegt die Führung der polizeilichen Vorerhebungen im Bereich der organisierten Kriminalität sowie bei schweren und aufsehenerregenden, nicht politischen und nicht politisch motivierten Straftaten. Auch für das Vorliegen solcher [...] Delikte waren keine Hinweise vorhanden. Für die Bundespolizeidirektion Wien stellte sich der Fall als üblicher Einbruchsdiebstahl dar.“

Der Dieb ist bis heute unbekannt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.03.2007)


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