Papst: Europa kann mehr für Flüchtlingsaufnahme tun

Papst Franziskus hat mehr Aufnahmebereitschaft gegenüber Flüchtlingen verlangt. Die Antworten auf die Probleme seien „wenn auch großzügig, vielleicht nicht zureichend“ gewesen, sagte er in einem Interview.

Heute stehe Europa vor „Tausenden Toten“. Es habe „zu viel Schweigen“ gegeben, auch von denen, die eigene Interessen vor das Wohl der anderen stellten, so der Papst im Gespräch mit der italienischen Tageszeitung „Il Sole 24 Ore“ (Freitag-Ausgabe).

„Auch Migranten müssen Beitrag leisten“

Franziskus rief vor allem die Regierungen in die Pflicht. Sie müssten gemeinsame Wege für eine Aufnahme von Migrantinnen und Migranten sowie Flüchtlinge finden. Man könne „eine gewisse Zahl von Personen“ aufnehmen, ohne Integration und eine würdige Unterbringung zu vernachlässigen, sagte der Papst. Auch die Migranten müssten ihren Beitrag leisten, um sich zu integrieren und Ängste zu zerstreuen. Dabei nannte Franziskus Respekt vor der Kultur und den Gesetzen der Aufnahmeländer.

Papst Franziskus

APA/AP/Alessandra Tarantino

Papst Franziskus: „Christus selbst bittet uns, unsere Brüder und Schwestern Migranten mit weit offenen Armen aufzunehmen.“

Ohne Offenheit für Vielfalt, ohne Solidarität und ohne einen Blick auf die Menschheit als weltweite Familie sei eine friedliche Zukunft nicht möglich, sagte Franziskus. „Christus selbst bittet uns, unsere Brüder und Schwestern Migranten mit weit offenen Armen aufzunehmen“, so der Papst wörtlich. Die Herausforderungen der Migration offen anzugehen, könne eine Welt aufbauen helfen, in der es nicht nur um Zahlen und Institutionen, sondern um Menschen gehe.

Kritik an Vorrang der Finanzmärkte

Papst Franziskus kritisierte auch die starke Rolle der Finanzmärkte gegenüber der Realwirtschaft. Die Arbeitslosigkeit in Europa sei Folge eines Wirtschaftssystems, das den Götzen Geld ins Zentrum stelle, sagte er Zeitung. Geld verdiene man mit Arbeit; es sei die Arbeit, die dem Menschen Würde gebe, nicht das Geld. Von Unternehmern verlangte er einen „neuen Humanismus der Arbeit“. Dazu brauche es Mut und Kreativität.

Im Mittelpunkt ökonomischer Überlegungen müssten Familien und Menschen stehen, sagte der Papst. Als Prüfsteine für eine umfassende Entwicklung nannte er die Teilhabe am produzierten Reichtum, die regionale Anbindung von Unternehmen, soziale Verantwortung und Sozialleistungen von Arbeitgebern, Lohngleichheit bei Männern und Frauen sowie gerechte Bezahlung, die Verbindung von Arbeit und Freizeit, Umweltschutz, den Vorrang des Menschen vor der Technik sowie Innovationsfähigkeit.

Franziskus betonte den Wert der Arbeit für den einzelnen Menschen. Wer seinen Lebensunterhalt für sich und seine Familie erwirtschafte, entwickle die eigene Würde und könne Verantwortung übernehmen. Sozialhilfen, die nicht auf eine Eingliederung ins Arbeitsleben zielten, erzeugten hingegen Abhängigkeit und nähmen den Menschen die Verantwortung. Auch theologisch habe Arbeit eine hohe Bedeutung als „Fortsetzung der Schöpfung“ in Respekt und Fürsorge, so der Papst.

religion.ORF.at/KAP

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