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GRECO-Bericht

Intransparente Lobbykontakte von Abgeordneten, kaum Regelkontrollen: Bericht des Europarats kritisiert Deutschland erneut wegen mangelnder Reformen

Maskendeals, Amthor-Affäre, Aserbaidschan-Connection… Durch die vielen politischen Skandale der letzten Jahre und die damit in der Bevölkerung ausgelöste Empörung könnte man erwarten, Deutschland hätte längst stärkere Maßnahmen zur Vorbeugung von Abgeordnetenkorruption eingeführt. Dass dies nicht so ist, befand auch der Bericht der Staatengruppe gegen Korruption des Europarats (GRECO), der vergangene Woche erschien: Trotz einiger Fortschritte gebe es noch viele Lücken bei der Korruptionsprävention von Volksvertreter:innen.

von Lisa Böhm, Léa Briand und Till Rose, 30.11.2022

Aus dem Bericht geht hervor, dass von den vier Empfehlungen aus dem Evaluierungsbericht 2021 bezüglich der Korruptionsbekämpfung bei Abgeordneten drei „teilweise“ und nur eine „in zufriedenstellender Weise“ umgesetzt wurden:

  • Lobbytransparenz: Die GRECO begrüßt zwar die Einführung des Lobbyregisters am 1. Januar 2022, kritisiert aber, genauso wie abgeordnetenwatch.de und andere Organisationen, die zahlreichen Ausnahmen im Register, die dazu führen, dass viele Interessenvertreter:innen noch nicht erfasst werden:

    • Viele Organisationen sind nicht registrierungspflichtig, wie etwa Arbeitnehmer:innen und -geber:innenverbände oder Kirchen.

    • Nur dauerhafte Lobbytätigkeiten und Lobbyist:innen mit regelmäßigem Kontakt mit den Politiker:innen müssen eingetragen werden.

    • Wenn Abgeordnete den Kontakt zu Lobbyist:innen initiieren, und nicht andersherum, besteht keine Registrierungspflicht.

Beim Lobbyregister gilt es also noch einige Lücken zu schließen und die Registrierungspflicht zu erweitern.

Hier unsere Kritik am aktuellen Lobbyregistergesetz.

  • Vorbeugung von Interessenkonflikten: Seit Oktober 2021 müssen MdB in ihren jeweiligen Ausschüssen ankündigen, wenn sie eine bezahlte Nebentätigkeit ausüben, die mit den im Ausschuss behandelten Themen zu tun hat. In ihrem Bericht verlangt die GRECO, dass diese Pflicht nicht nur in den Ausschüssen gilt, sondern auch im Bundestagsplenum. Außerdem sei problematisch, dass diese Pflicht nur mündlich ausgeübt werden soll und es in der Bundestagsverwaltung keine Meldestelle für mögliche Interessenkonflikte gebe.

  • Nebentätigkeiten und -einkünfte der Abgeordneten: Die GRECO begrüßt die strengere Offenlegungspflicht bei den Nebentätigkeiten der Abgeordneten, die im Juni 2021 infolge der Maskenaffäre beschlossen wurden. Hier wird jedoch u.a. bemängelt, dass „weitere finanzielle Angaben, beispielsweise zu Immobilienvermögen oder signifikanten Verbindlichkeiten, in die Offenlegungspflicht hätten einbezogen werden können“.

Hier geht es zu unserer Einschätzung des neuen Abgeordnetengesetzes (2021).

  • Kontrolle und Prüfung der Einhaltung der Transparenzregeln im Bundestag: Dieser Punkt ist eine der Forderungen von abgeordnetenwatch.de - das Schaffen einer unabhängigen Prüfinstanz für die Einhaltung der Transparenzregeln im Bundestag, die neutral agiert und nicht dem Bundestagspräsidium unterstellt ist. Zwar zeigt sich die GRECO mit den Veränderungen des Abgeordnetengesetzes zufrieden, die Empfehlung nach einem Kontrollgremium für diese Regeln bleibt jedoch unverändert. Das Referat in der Bundestagsverwaltung, das sich um die Durchsetzung der Abgeordnetenregeln kümmert, sei personell stark gewachsen. Es stelle sich jedoch die Frage, "ob sich die Bundestagsverwaltung nicht in zu großer Nähe zur Macht befindet, als dass sie Abgeordnete wirksam kontrollieren und nötigenfalls kritisieren könnte".

Noch bis Juni 2023 hat Deutschland Zeit, die GRECO-Empfehlungen umzusetzen. Ob sich Deutschland bis dahin an europäische Standards angleicht, bleibt abzuwarten.

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