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Wirtschaft Folgen der Pandemie

Die Rezession beschert der Welt die noch viel größere Katastrophe

Finanz-Redakteur
Das Coronavirus erreicht nun auch Afrika

Das Coronavirus breitet sich zunehmend auch in Afrika aus. Staaten wie Namibia oder Madagaskar streichen Flüge oder schließen ihre Häfen für Kreuzfahrtschiffe.

Quelle: WELT

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Zehntausende Menschen sind an Covid-19 gestorben. Doch weitaus mehr Leben wird der globale Abschwung kosten, welcher durch die Eindämmungsmaßnahmen verursacht wurde. Auf Hilfsappelle reagieren die G-20-Staaten bisher kaum.

Fast 80.000 Menschen sind weltweit bereits an Covid-19 gestorben, der Krankheit, die durch das neuartige Coronavirus ausgelöst wird. Das ist der Stand vom 7. April, und es werden in den kommenden Wochen sicher noch viele Tausend dazukommen, trotz der radikalen Maßnahmen, die fast überall auf der Welt in Kraft sind.

Allerdings werden ungleich mehr Menschen an den wirtschaftlichen Folgen dieser Maßnahmen sterben als an Covid-19 selbst. Darauf weisen diverse Hilfsorganisationen hin, die sich der Ärmsten auf dieser Welt annehmen. Prognosen gehen inzwischen von 35 bis 65 Millionen Menschen aus, die durch die globale Rezession in absolute Armut abrutschen werden. Und vielen von ihnen droht der Hungertod.

Rund ein Drittel der Menschheit darf derzeit nicht mehr arbeiten. Die Wirtschaft liegt damit seit Wochen weltweit zu großen Teilen brach, und entsprechend verheerend sehen inzwischen die Prognosen aus. Die Ratingagentur Fitch beispielsweise geht davon aus, dass die deutsche Wirtschaftsleistung in diesem Jahr um 3,8 Prozent einbricht, in der Euro-Zone könnte das Minus 4,2 Prozent betragen, weltweit immerhin 1,9 Prozent.

Quelle: Infografik WELT

Andere Prognosen kommen zu ähnlichen Werten, die einen sind ein bisschen optimistischer, die anderen noch pessimistischer. Sicher ist jedoch: Die globale Wirtschaft wird in diesem Jahr nicht, wie ursprünglich erwartet, um etwa drei Prozent wachsen, sondern mindestens stagnieren, wahrscheinlich sogar schrumpfen.

Das sind abstrakte Zahlen. Doch dahinter verbergen sich Milliarden Einzelschicksale. In Deutschland und anderen westlichen Industrienationen können Hunderte Millionen Menschen nicht mehr arbeiten, doch sie bekommen oft mindestens einen Teil ihres Gehalts vom Arbeitsamt ersetzt, in Deutschland über das Kurzarbeitergeld.

Doch in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern gibt es solche Hilfen nicht. In Indien wurden Millionen Tagelöhner aus den Städten in ihre Dörfer zurückgeschickt, in Indonesien, Thailand oder Südafrika fehlen Hunderttausenden die Einkommen aus dem Tourismus. Und sie erhalten keinerlei Hilfe. Sie müssen nun von ihren Ersparnissen leben – die sie meist nicht haben.

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Schon heute leiden nach Angaben der Welthungerhilfe rund 820 Millionen Menschen weltweit an Hunger. „Die Menschen haben schon jetzt keine Reserven mehr durch Dürren oder Überschwemmungen in den letzten Jahren“, erklärt Mathias Mogge, Generalsekretär der Welthungerhilfe. Die ohnehin schwierige Ernährungslage werde nun durch die verhängten Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie weiter verschlimmert. „Sie werden die globale Hungersituation verschärfen und viele Existenzen vernichten.“

Das internationale katholische Missionswerk Missio erhält bereits jetzt dramatische Berichte von seinen Helfern vor Ort, beispielsweise aus Mumbai, wo Schwestern während der Ausgangssperren Essensausgaben für hungernde Kinder und deren Familien organisieren. „Es wird mehr Hungertote geben als Corona-Opfer“, warnen die Helfer.

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Verschärft wird die Lage noch dadurch, dass die Lebensmittelpreise in den vergangenen Wochen deutlich gestiegen sind. „Zudem gibt es Anzeichen, dass einzelne Länder den Export von Agrarprodukten beschränken“, sagt Roukaya Ibrahim, Strategin beim Analysehaus BCA Research. Vietnam hat beispielsweise den Export von Reis schon zeitweise ausgesetzt. Gleichzeitig steigt die weltweite Nachfrage an, auch wegen der Hamsterkäufe in vielen westlichen Ländern. Dies verschlimmert die Lage noch.

Quelle: Infografik WELT
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Wie viele Menschen letztlich durch die globale Rezession in Not geraten werden, hat das International Food Policy Research Institute in Washinghton auszurechnen versucht. Die Wissenschaftler nutzen dabei ein Modell, das in einer umfangreichen Studie entwickelt wurde und auf einer Analyse von 300.000 Haushalten basiert. Darauf aufbauend, kommen sie zu der Schlussfolgerung, dass durch jeden Prozentpunkt, um den das globale Wirtschaftswachstum zurückgeht, die Zahl der Menschen in absoluter Armut um 1,6 bis drei Prozent zunimmt.

Als in absoluter Armut lebend werden Menschen betrachtet, die weniger als 1,90 Dollar pro Tag zur Verfügung haben. Dieser Betrag ist kaufkraftbereinigt, es wird also berücksichtigt, dass in ärmeren Ländern dafür deutlich mehr gekauft werden kann als beispielsweise hierzulande. 1,90 Dollar werden jedoch als das absolute Minimum angesehen, um überleben zu können, ohne Hunger zu leiden.

Da das globale Wachstum in diesem Jahr um mindestens drei Prozentpunkte zurückgehen wird, dürfte folglich die Zahl der Menschen, die weniger als dieses Existenzminimum zur Verfügung haben, um 4,8 bis neun Prozent steigen. Das entspricht rund 35 bis 65 Millionen Menschen weltweit. Sie sind als Folge der globalen Wirtschaftskrise zusätzlich akut von Hunger bedroht.

Quelle: Infografik WELT

Die Bandbreite der Schätzungen erklärt sich mit unterschiedlichen Annahmen. Beschränkt sich die Krise beispielsweise darauf, dass die Menschen nicht mehr arbeiten können, so dürfte sich die Zahl eher am unteren Rand bewegen. Liegt gleichzeitig ein Großteil der Wirtschaft brach und kommt es zusätzlich auch noch zu Einschränkungen im globalen Handel, dürfte eher die obere Grenze erreicht werden.

Am schlimmsten trifft es in jedem Fall die Länder südlich der Sahara. Hier lebt fast die Hälfte der Menschen, die in die extreme Armut abrutschen werden. Südasien, und damit vor allem Indien, ist die zweite besonders stark betroffene Region.

Daher gibt es inzwischen auch Initiativen, um die Folgen für die Entwicklungsländer abzumildern. Norwegen hat beispielsweise einen UN-Hilfsfonds ins Spiel gebracht, der von den reicheren Nationen finanziert werden soll. Sein Land sei bereit, sich daran zu beteiligen, sagte der norwegische Entwicklungshilfeminister Dag-Inge Ulstein. UN-Generalsekretär António Guterres hat ebenfalls bereits zur Solidarität mit den ärmsten Ländern aufgerufen.

Die Weltbank und der Internationale Währungsfonds wiederum haben einen gemeinsamen Appell an die G-20-Staaten gerichtet, den ärmsten Ländern ihre Schulden zu erlassen oder zumindest zu stunden, damit diese die Mittel hätten, wenigstens die schlimmsten Folgen der Krise abzumildern.

Bislang gab es darauf jedoch kaum Reaktionen. Kein Wunder, die betroffenen Industrienationen sind mit der eigenen Krise beschäftigt. Daher wäre das Einzige, was den Ärmsten auf der Welt wohl helfen könnte, wenn die Wirtschaft in den reichen Nationen und damit global so schnell wie möglich wieder auf die Beine kommt.

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