Was ein Atom-U-Boot vor Kuba mit dem Ukraine-Krieg zu tun hat

Guantánamo-Basis auf Kuba. Bild: Ozgurlife

In der Karibik kommt es zum Eklat um ein US-besetztes Gebiet. Zugleich fordern USA und Nato Russland zum Rückzug aus der Ukraine auf. Warum fällt der Widerspruch niemandem auf?

Die Widersprüchlichkeit der westlichen Außenpolitik wird diese Woche an zwei sehr unterschiedlichen Orten des Globus deutlich. In Kuba kam es zum Eklat, nachdem ein Atom-U-Boot die US-Basis Guantánamo Bay im Osten des Inselstaates angelaufen hatte. Das Gebiet wird von den USA seit zwei Jahrzehnten besetzt gehalten. Im entfernten Vilnius forderten Nato-Vertreter unter Führung der USA indes den Rückzug Russlands aus der Ostukraine.

In weiten Teilen der Welt, vor allem in ehemaligen Kolonialstaaten, wird dieser Gegensatz wahrgenommen. Denn vor allem die USA halten weltweit Gebiete besetzt, oftmals werden sie militärisch genutzt und als Bedrohung wahrgenommen. Die Präsenz nuklearer Massenvernichtungswaffen in der Region gilt per se als Provokation: Lateinamerika sieht sich als "Zone des Friedens", die Staaten südlich des Rio Bravo haben sich dem atomaren Rüstungswettlauf von jeher verweigert.

Die kubanischen Behörden hatten den Aufenthalt des Atom-U-Bootes der US-Marine in Guantánamo Bay am Dienstag öffentlich gemacht. Die Präsenz des Unterseebootes sei eine "provokative Eskalation". Vor wenigen Wochen erst hatte Washington behauptet, es gebe eine chinesische Spionagebasis auf der Insel.

"Die Anwesenheit eines Atom-U-Bootes in diesem Moment wirft die Frage auf, was der militärische Grund für diese Aktion in dieser friedlichen Region der Welt ist", heißt es in der Erklärung des kubanischen Außenministeriums. Washington bestätigte die Präsenz des Atom-U-Bootes nicht und äußerte sich auch nicht zu einer möglichen nuklearen Bewaffnung.

Kuba fordert seit Jahren, den 121 Jahre alten Marinestützpunkt im Osten der Insel und das 2002 von Washington dort errichtete Militärgefängnis zu schließen. Seit Ende eines hundertjährigen Pachtvertrages 2003 ist das Gebiet der Basis von den USA de facto besetzt. Kuba fordert die Rückgabe und Entschädigung.

Die Frage steht also im Raum, wie glaubwürdig die Forderung der USA und der Nato an Russland sind, die Ostukraine zu räumen. „In Übereinstimmung mit seinen internationalen Verpflichtungen rufen wir Russland auf, die in allen drei Ländern stationierten Streitkräfte zurückzuziehen“, erklärte die Nato schon Mitte 2018 mit Blick auf die Ukraine, Georgien und die Republik Moldau. Weiter hieß es: "Wir verurteilen nachdrücklich die illegale und unrechtmäßige Annexion der Krim durch Russland, die wir nicht anerkennen und nicht anerkennen werden."

Und selbst? Forderungen nach einem Rückzug aus Kuba, von der Insel Guam im Westpazifik und anderen entsprechenden Gebieten perlen an US-Regierungen ab. Deutlich wurde das zuletzt im Januar vergangenen Jahres, als die US-Besetzung Guantánamos zwei Jahrzehnte andauerte.

Proteste gegen Guantánamo 2022

Menschenrechtsexperten und Politiker mehrerer Parteien in Deutschland hatten damals die Schließung des seit 20 Jahren bestehenden US-Gefangenenlagers in Guantánamo Bay auf Kuba gefordert.

Dort würden seit zwei Jahrzehnten Menschenrechte systematisch verletzt, heißt es in einer Erklärung von Amnesty International. Das Lager sei zum "Sinnbild für brutale Exzesse des Anti-Terror-Kampfes der USA geworden", so ein offener Brief von gut einem Dutzend Bundestagsabgeordneten verschiedener Fraktionen.

Die damalige US-Regierung hatte das Lager am 11. Januar 2002 eröffnet. "Viele der rund 780 Menschen, die seitdem dort gezielt außerhalb jeder gerichtlichen Kontrolle inhaftiert gewesen sind, haben vor oder während ihrer Haft schwerste Menschenrechtsverletzungen erlitten – darunter Folter und Verschwindenlassen", stellte Amnesty International fest. Bis heute würden in Guantánamo Folterüberlebende ohne angemessene medizinische Versorgung, ohne Anklage und faire Gerichtsverfahren auf unbestimmte Zeit festgehalten.

Zu einem ähnlichen Schluss kamen Bundestagsabgeordnete von SPD, Grünen und Linken damals in einem offenen Brief an US-Vizepräsidentin Kamala Harris und die damalige Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi. In dem Schreiben forderten sie den US-Präsidenten auf, den wiederholten Zusagen, das Gefangenenlager zu schließen, nachzukommen.

Guantánamo sei schließlich eine Einrichtung, die nach den Worten von Ex-US-Präsident Barack Obama "nie hätte eröffnet werden dürfen". An den amtierenden US-Präsidenten gerichtet heißt es in dem Brief, der von der linken Abgeordneten Sevim Dagdelen initiiert worden war:

Wir rufen Sie auf, die Rechte aller Inhaftierten zu wahren und das Gefangenenlager auf Kuba endlich zu schließen, so wie Sie es als Vizepräsident der Vereinigten Staaten von Amerika auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2009 schon versprochen haben.

Der Brief wurde unter anderem von den SPD-Parlamentariern Bengt Bergt und Anke Hennig sowie von der Grünen-Abgeordneten Susanne Menge unterzeichnet.