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  4. Papst-Film von Wim Wenders: Franziskus ist so offen wie nie

Film Offenherziger Papst-Film

Auge in Auge mit dem Heiligen Vater

Filmredakteur
Papst-Doku: Weltpremiere des neuen Wim Wenders Films

Der Regisseur Wim Wenders hat jetzt in Cannes seinen Papst-Franziskus-Film vorgestellt. Die Zusammenarbeit kam nach einer Anfrage des Vatikans an den weltbekannten Regisseur zustande.

Quelle: Reuters

Autoplay
Mann des Bildes trifft Mann des Wortes: Wim Wenders hat in Cannes seinen Papst-Franziskus-Film gezeigt. Der Heilige Vater spricht darin offen über pädophile Priester, Abtreibung und Homosexualität.

Ursprünglich wollte der Junge aus dem erzkatholischen Düsseldorf Priester werden, versuchte sich dann in Medizin, Philosophie und Soziologie, bevor er zum Malereistudium nach Paris zog. 1967 ging der 22-Jährige an die Hochschule für Fernsehen und Film in München und war damit verloren für die Medizin und die Soziologie.

Nicht ganz für die Malerei, inzwischen fotografiert er viel. Nicht ganz für die Philosophie, die schillert durch viele seiner Filme. Und nun, im vorgerückten Alter, kommt sogar die Kirche zurück: In Cannes hat Wim Wenders am Sonntagabend seine Dokumentation „Papst Franziskus – Ein Mann seines Wortes“ gezeigt.

Es ist nicht so, dass der Hohepriester des Autorenfilms sich den Pontifex ausgesucht hätte. „Ich war ziemlich überrascht,“ erzählt er, „als 2013 ein Brief mit dem Briefkopf des Vatikans in unserem Büro eintraf, mit der Frage, ob ich bereit wäre, nach Rom zu kommen und über ein mögliches Projekt zu sprechen. Ich habe geantwortet, dass ich mich sehr geehrt fühlen würde.“

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Wenn es etwas gibt, was große Regisseure ablehnen, dann ist es das Dienen. Eisenstein, als er von Stalin mit einem Iwan-der-Schreckliche-Film beauftragt wurde, hat ihn zwar gedreht, aus dem Zaren aber ein Monster gemacht.

Wim Wenders hat Michelangelo Antonioni einen Freundesdienst erwiesen, indem er sich als Einwechselregisseur bereithielt, für den Fall, dass der kranke Kollege sein letztes Projekt nicht hätte vollenden können.

„Papst Franziskus – Ein Mann seines Wortes“ ist nun das, was man einen „dienenden Film“ nennen könnte, aber nicht in dem pflichterfüllenden Sinn, in dem ein Priester seiner Kirche dient, sondern aus einer Gefolgschaft der geteilten Überzeugung heraus. Das Herzstück sind vier mehrstündige Interviews im Vatikan, in denen sich der Filmemacher derart zurücknimmt, dass er völlig verschwindet. Wenders ist weder zu sehen, noch hört man ihn fragen.

Er lässt kein empfindliches Thema aus

Der Papst sitzt einem sogenannten Interrotron gegenüber, einer Art umgekehrten Teleprompter, auf dem er zwar seinen Interviewpartner sieht, aber durch ihn hindurch in die Kamera blickt. Der Effekt für den Zuschauer ist frappierend: Franziskus scheint direkt zu ihm zu reden, und wenn dieser Papst etwas beherrscht, dann ist es die Auge-in-Auge-Kommunikation mit seinen Zuhörern.

Es ist kein Film über den Papst, es ist ein Film mit ihm. Franklin Roosevelt war der Erfinder der „fireside chats“, das waren Rundfunkansprachen im informellen Stil, und Wenders führt in gewisser Weise Kamingespräche mit Franziskus und lässt uns auf seinem Stuhl gegenüber dem Heiligen Vater Platz nehmen.

Der lässt keines der empfindlichen Themen aus, von pädophilen Priestern über die Abtreibung bis zur Homosexualität, und der Papst antwortet mit einer Klarheit und Entschiedenheit, die Amtsträgern aller Couleur heutzutage völlig abhandengekommen ist. Man glaubt seinen Ohren nicht zu trauen und begreift, warum dies ein Mann des Wortes ist.

Papst ermahnt Bischofskonferenz zu Einigung

Die deutsche Bischofskonferenz hatte eine Handreichung verabschiedet, laut der in Einzelfällen auch ein protestantischer Ehepartner die Kommunion empfangen darf. Sieben Bischöfe lehnten den Beschluss ab und wandten sich an den Papst.

Quelle: WELT

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Zwischendurch ist der Bischof von Rom viel unterwegs, vom Ground Zero bis Yad Vashem, in seiner argentinischen Heimat und den Flüchtlingslagern von Lampedusa. Er wäscht Gefängnisinsassen die Füße, spricht mit Arbeitern, antwortet auf Kinderfragen.

Dafür konnte Wenders auf das vatikanische Medienarchiv zurückgreifen, was einerseits ein Segen ist (vieles hat man noch nie gesehen) und andererseits ein Fluch (denn diese Teile sind in ihrem Stil eben Reportagehandwerk). Anders als bei seinen nahezu perfekten Dokumentarfilmen „Pina“ und „Das Salz der Erde“, wo Wenders die komplette Kontrolle über das Entstehen jedes einzelnen Bildes hatte, muss er hier viel mit vorgefundenem Material arbeiten.

Es gibt noch ein drittes Element, und man hat das Gefühl, dass es eine kleine Kompensation für Wenders war, diesen Mann der Bilder, der die Worte gerne anderen überlässt, und sei es Peter Handke. Wenders streut immer wieder Schwarz-Weiß-Szenen ein, den heiligen Franz von Assisi, wie er mit seinen Gefährten durch die Natur streift, und zunächst könnte man es für Schnipsel aus einem der vielen Franziskus-Spielfilme halten, aber in Wirklichkeit hat Wenders die Aufnahmen selbst gedreht, mit einer originalen Handkurbelkamera aus den 1920ern, um den historischen Bezug zu der Gestalt herzustellen, nach der sich der Papst benannt hat.

Eine himmlische Verbindung

Denn darum geht es Wenders: Er dient nicht einer Institution, sondern einem Mann, von dem sich diese Kirche gar nicht so sicher ist, dass sie ihn an ihrer Spitze haben möchte. Vor 50 Jahren, im berühmten Mai 1968, war Wenders ein Radikalinski, der seine religiöse Erziehung über Bord geworfen hatte. 20 Jahre später, als er seinen gläubigen Vater ohne Angst sterben sah, näherte er sich dem christlichen Glauben wieder an.

Und nun, im 266. Papst, hat er den Kirchenvater gefunden, der das vorlebt, was er predigt. Wenders, der reformierte Linke, und Franziskus, der reformierende Konservative, der unsere Erde bewahren will und deshalb Konsumismus und Neoliberalismus ablehnen muss – das ist eine Verbindung, im Himmel gemacht.

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