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Jesus Christus ist unser Erlöser. Und was ist mit Maria?

Eine Gruppe von Bischöfen möchte die Mutter Christi amtlich zur "Miterlöserin" erklären lassen

Das war selbst Johannes Paul II., einem der größten Marien-Enthusiasten unter den neuzeitlichen Päpsten, zuviel: Er verschloss sich dem Drängen hoher Würdenträger, die Mutter Jesu in den Rang einer "Miterlöserin" zu erheben. Die Fürsprecher dieser Idee, darunter 500 Bischöfe und 42 Kardinäle, hatten in jahrelanger Sammelarbeit mehr als fünf Millionen Unterschriften zusammengetragen. Doch sie blitzten bei Karol Wojtyla ab.

Pater Stefano de Fiores von der Internationalen Päpstlichen Marianischen Akademie lieferte im Jahr 2000 eine realistische Begründung: "Hinsichtlich des Konzils und der Ökumene wäre es sicher nicht ratsam, derzeit ein neues Dogma zu definieren. Die getrennten orthodoxen und protestantischen Brüder werfen uns ja gerade den Alleingang bei den letzten beiden Mariendogmen vor. Daher sollten sie bei einem künftigen Dogma unbedingt beteiligt werden."

Wie diese Beteiligung aussehen könnte, ließ der Pater im Dunkeln. Um die Maximalisten unter den Marienverehrern nicht weiter zu enttäuschen, gab de Fiores seiner Interpretation eine diplomatische Note: Zuerst müsse man sich der Einheit oder zumindest einer "gewissen Konvergenz" untereinander nähern, dann könne untersucht werden, ob es angebracht sei, das gewünschte Dogma zu verkünden.

Das Kapitel schien fürs erste abgehakt. Aber es blieb auf der Agenda. Nichts da mit "Roma locuta, causa finita" (Rom hat entschieden, die Sache ist erledigt). Der Papst hatte ja nicht mit seiner höchsten Autorität gesprochen. Die Marien-Lobby gibt nicht auf. Sie versucht, mit veränderter Semantik ihrem Ziel näher zu kommen.

Telesphoro Toppo, Kardinal und Erzbischof im indischen Ranchi, lässt wieder eine Unterschriftenliste kreisen. Katholische Würdenträger in aller Welt wurden eingeladen, eine Petition zu unterstützen, dass Papst Benedikt XVI. Maria als "geistliche Mutter der Menschheit; als Miterlöserin mit Jesus, dem Erlöser; als Mittlerin der Gnaden mit Jesus, dem einen Mittler, und als Fürsprecher mit Jesus Christus für die ganze Menschheit verkünden soll".

Die Unterzeichner des Schreibens sind neben Toppo die Kardinäle Luis Aponte Martinez aus Puerto Rico; Kardinal Varkey Vithayatil aus Indien; Kardinal Riccardo Vidal von den Philippinen und Ernesto Corripio y Ahumada aus Mexiko. An einem Internationalen Symposium über Marias Miterlöserschaft im portugiesischen Wallfahrtsort Fatima hatte auch Kardinal Edouard Gagnon, ein ehemaliger Präsident des Päpstlichen Rates für die Familie, teilgenommen; er ist im August 2007 gestorben.

Die Zeit ist nach Meinung dieser Kardinäle reif für eine feierliche Proklamation Mariens als "Miterlöserin" und "spirituelle Mutter der Menschheit". Der Inder Toppo führt dabei ein überraschendes Argument in die Debatte ein. Hilfreich, meint er, sei ein entsprechendes Dogma im interreligiösen Dialog, vor allem mit den Muslimen, denen Maria ja durch den Koran vertraut sei. Maria gelte im Islam als "größte aller Frauen", ohne Sünde und jungfräulich.

Hilfreich, wirklich? Muslime haben Schwierigkeiten schon mit der christlichen Trinitätslehre. Und nun auch noch eine "Miterlöserin"! Dieser Problematik gehen der Kardinal und seine Mitstreiter aus dem Weg. Aber sie bemühen sich deutlicher als ihre Vorgänger um die "Klarstellung" gegenüber Menschen anderer religiöser Traditionen, dass die katholische Kirche zwischen der alleinigen Rolle von Jesus Christus, dem göttlichen und menschlichen Erlöser der Welt, und der einzigartigen, "wenn auch sekundären und abhängigen menschlichen Beteiligung der Mutter Christi in dem großartigen Werk der Erlösung unterscheidet".

Sie lehnen sich an die Gedanken an, die der Marianist de Fiores so skizziert hatte: Es müsse deutlich gesagt werden, dass es nicht darum gehe, Maria auf die selbe Stufe mit Jesus zu stellen; der zentrale Charakter des Heilswerkes des Erlösers sei etwas selbstverständliches, und man betrachte die Gottesmutter als eine Mitwirkerin an dieser Erlösung; es gehe nicht um eine Gleichstellung beim Erlöserwerk Jesu Christi, sondern um eine Teilnahme, eine Abhängigkeit bei der Erlösung, "und das muss ganz klar sein". Ob diese feine Unterscheidung dem katholischen Kirchenvolk und darüber hinaus den Christen, die sich nicht in Gemeinschaft mit Rom befinden, plausibel zu vermitteln wäre, ist fraglich.

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Die Jungfrau Maria fast auf dieselbe Heilsebene mit Christus zu stellen, das wäre auf jeden Fall häretisch. Und von einer solchen Häresie grenzen sich deutsche Theologen wie Wolfgang Beinert und Otto Hermann Pesch scharf ab. Durch ihren Glauben trete Maria aktiv in das Erlösungsgeschehen ein als solidarischer Mensch, der im Dienst aller Menschen stehe, formulierte der ehemalige Ratzinger-Assistent Beinert seine Sicht der Herrenmutter. "In diesem Sinne" - das ist einschränkend gemeint - könne man von einer Gnadenmittlerschaft und Miterlöserschaft sprechen.

Gleichwohl rät er zur Vorsicht: "Ob diese Terminologie wegen der zwar nicht berührten, doch unbedingt zu wahrenden Singularität der Mittlerschaft und Erlöserschaft Christi opportun ist, sei dahingestellt." Auch Pesch sieht Maria in besonderer Weise in das Erlösungswerk "hineingeflochten". Aber Miterlöserin? "Wer das behauptet, widerspricht geradewegs der Heiligen Schrift und vertritt eine Irrlehre." Man sieht, die Sache hat einen brisanten Kern.

Der Start ihrer Initiative, sagen die Kardinäle um Telesphoro Toppo, beabsichtige, einen gründlichen weltweiten Dialog über die Rolle Marias bei der Erlösung für unsere Zeit einzuläuten. Sollten diese Bemühungen erfolgreich sein, wäre die Verkündung eines neuen Dogmas ein historisches Ereignis für die Kirche.

Doch allein die vorhandenen werden von den ökumenischen Partnern unterschiedlich interpretiert, wenn nicht entschieden abgelehnt. Vor allem auf das Dogma von der leiblichen Aufnahme Marias in den Himmel, verkündet von Pius XII. am Allerheiligentag 1950, reagierte die protestantische Welt mit Empörung. Die deutschen Lutheraner nannten die Entscheidung verhängnisvoll und schmerzlich: "Der Papst verlässt den Grundsatz, dass nur das wahrhaft katholisch ist, was überall, was immer, was von allen geglaubt ist." Wie würden sie erst auf ein Miterlösungs-Dogma reagieren? Nach evangelischem Verständnis steht allein Jesus Christus im Zentrum der Verkündigung, "denn in ihm allein wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig".

Gut möglich, dass noch einmal konfessionelle Leidenschaften wach werden, sollten die marianischen Protagonisten breite Unterstützung finden. Wie später Johannes Paul II., so hatte schon Pius XII. erkannt, dass in der Bezeichnung "Miterlöserin" zusätzlicher Konfliktstoff steckt. Im Dogma von 1950 war das Wort ursprünglich vorgesehen. Der Pacelli-Papst ließ es streichen. Noch einmal, während des Zweiten Vatikanischen Konzils, drängten Bischöfe auf eine Definition Marias als "Mittlerin aller Gnaden" beziehungsweise "Miterlöserin". Die Debatten in der Aula verliefen kontrovers. Ein eigenes Marienschema kam nicht zustande. Die Marienlehre wurde in die Kirchenkonstitution "Lumen Gentium" integriert.

Gestrichen wurde, obwohl sich mehr als 200 Bischöfe, darunter Karol Wojtyla, für ihn einsetzten, der Marientitel "Mutter der Kirche"- aus ökumenischer Rücksichtnahme. Doch Paul VI. zeigte sich von dem Votum unbeeindruckt. Als er das Dokument am 21. November 1964 feierlich bestätigte, verkündete er zur Verblüffung der Konzilsväter die hoheitsvolle Bezeichnung "Mater Ecclesiae". Eine Geste des Ausgleichs gegenüber den marianischen Bischöfen, deren Wunsch nach einem neuen Dogma nicht in Erfüllung ging? Durchgesetzt hat sich der Titel nur in Teilen der Weltkirche. Bis heute haftet dieser Proklamation der Ruch eines päpstlichen Machtwortes an.

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