Passau/Hauzenberg
Passauer ist Niederbayerns einziger Abtreibungsarzt: "Ich töte nicht"

19.05.2015 | Stand 21.09.2023, 22:03 Uhr

Einmal die Woche führt Dr. Michael Spandau (l.) mit dem Anästhesisten Dr. Stefan Kuklinski Schwangerschaftsabbrüche durch. − Foto: Jäger

Die Frauen, die zu Dr. Michael Spandau kommen, haben ihre Entscheidung schon getroffen. Eine Konfliktberatung haben sie hinter sich und drei Tage Bedenkzeit, ob sie den Eingriff wirklich machen lassen möchten: einen Schwangerschaftsabbruch. Spandau ist der einzige Arzt in Niederbayern, der Abtreibungen durchführt. Mit 67 Jahren ist er eigentlich schon im Ruhestand. Der nächste Arzt sitzt 120 Kilometer weit weg, in Regensburg. Also macht Spandau weiter.

Zwischen 20 und 30 Frauen kommen im Monat zu ihm. Der Gynäkologe hatte schon 13-jährige Mädchen vor sich sitzen, die älteste Patientin war 53 Jahre alt. Auch Drogenabhängige waren dabei. "Das ist teilweise erschreckend und ernüchternd", sagt der Arzt. Es habe schon Patientinnen gegeben, die er abgelehnt hat. Weil sie mit der Abtreibung unsicher waren oder zu weit in der Schwangerschaft. Bis zur zwölften Woche, gerechnet ab der Befruchtung, ist ein Abbruch laut §218a StGB nach einer Beratung erlaubt. "Das macht niemand aus Spaß. Für jede Frau ist das eine schwerwiegende Entscheidung", sagt Spandau.

Seifenlauge und Stricknadeln? "Da wollen wir nicht mehr hin"

"Alle Kollegen schicken ihre Patientinnen zu mir." Würde kein Arzt Abtreibungen durchführen, müssten die Frauen wieder ins Ausland, wie früher. Spandau spricht von Seifenlauge und Stricknadeln, mit denen Frauen verzweifelt versuchten, ihr Kind loszuwerden. "Da wollen wir nicht mehr hin", sagt er. "Wir müssen akzeptieren, dass wir in einem Rechtsstaat leben." Die Abtreibung kann heute mit Tabletten erfolgen, die die Frau einnimmt und die den Embryo vom Körper abstoßen. Anschließend entfernt der Arzt das Schwangerschaftsgewebe aus der Gebärmutter. "Ich töte nicht", sagt Spandau. "Das ist der entscheidende Punkt. Die Frau bricht ihre Schwangerschaft selbst ab."

Gegner standen schon vor der Praxis

Rechtlich gesehen sind Abtreibungen unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt. Moralisch sind sie nach wie vor umstritten. Irene Kriegl von der Caritas-Schwangerenberatung Passau etwa nennt sie "schweres Unrecht". Pro Familia nimmt eine andere Position ein. Als staatlich anerkannte Beratungsstelle darf sie einen Schein ausstellen, mit dem eine Abtreibung legal ist. "Natürlich sagen viele Ärzte: Ich bin Arzt geworden, um Leben zu schützen", sagt Thoralf Fricke, Leiter der Beratungsstelle Pro Familia Passau. Dass es so wenig Ärzte gibt, die Abbrüche durchführen, liege aber sicherlich auch an Abtreibungsgegnern, die es schafften, "Druck aufzubauen und die Ärzte zu diffamieren". Auch bei Spandau standen schon Gegner vor der Praxis. "In dem Moment, in dem Dr. Spandau nicht mehr tätig ist, haben wir in dem Bereich ein Versorgungsproblem", sagt Fricke.

Zum Thema: Eine junge Frau wird ungewollt schwanger und entschließt sich gegen das Baby. Die PNP durfte sie auf dem Weg zum Abbruch begleiten.

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