Absperrband in Wiener Einkaufsstraße
Reuters/Leonhard Föger
Für Experten zu spät

Länder verteidigen Osterruhe für Osten

Der ab 1. April – vorerst – für wenige Tage geltende verschärfte Lockdown in Ostösterreich ist am Donnerstag auf viel Kritik – von der Opposition wie von Fachleuten – gestoßen. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) und die Landeshauptleute von Wien, Niederösterreich und dem Burgenland verteidigten dagegen die Entscheidung.

Wiens Bürgermeister und Landeshauptmann Michael Ludwig (SPÖ) sagte am Donnerstag im Gespräch mit „Wien heute“, ihm wäre eine längere und konsequentere Phase lieber gewesen. Aber es sei wichtig gewesen, mit der Bundesregierung sowie Niederösterreich und dem Burgenland eine gemeinsame Vereinbarung zu finden. Er sei zuversichtlich, dass es damit und mit den Maßnahmen, die Wien schon früher gesetzt hat bzw. gerade setzt – Beispiel Gurgeltests –, gelingen werde, die Situation in den Spitälern zu stabilisieren und die Infektionszahlen zu senken. Gelinge das nicht, so werde er seine frühere Ankündigung umsetzen und weitreichendere Maßnahmen erlassen – mehr dazu in wien.ORF.at.

Niederösterreichs ÖVP-Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner verteidigte die Maßnahmen, nachdem man sich erst nach tagelangem Ringen geeinigt hatte. Die Lage in Niederösterreich sei, was die Intensivstationen betreffe, deutlich weniger dramatisch als in Wien, sagte Mikl-Leitner. Sie hoffe, mit den Maßnahmen genug Zeit bis Ende Mai zu erkaufen. Dann sollen alle über 49-jährigen Impfwilligen geimpft sein, so der Plan. Kritik gab es dagegen von der Opposition – mehr dazu in noe.ORF.at

Auch im Burgenland traf die Entscheidung auf geteilte Reaktionen, die Opposition zeigte sich überwiegend kritisch und warf wie in Niederösterreich Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) schwere Versäumnisse vor. Doskozil sagte, er verstehe „die verschiedenen Interessen. Aber das oberste Gebot zum jetzigen Zeitpunkt ist die Gesundheit der Bevölkerung“ – mehr dazu in burgenland.ORF.at.

Kritik von Fachleuten

So wie der Komplexitätsforscher Peter Klimek gehen auch die Virologin Dorothee von Laer und der Epidemiologe Gerald Gartlehner davon aus, dass der kurze Lockdown nicht reichen wird, um eine echte Trendwende auf den überlasteten Intensivstation zu bringen. Gartlehner kritisierte, dass die Maßnahmen zu spät kommen und zu kurz dauern. Eine Spur zuversichtlicher war Von Laer: „Ob das ausreicht, bezweifle ich. Wahrscheinlich reicht es nicht aus. Aber vielleicht haben wir ja Glück.“

„Homöopathische Dosis“

Gartlehner geht davon aus, dass der Oster-Lockdown verlängert wird. „Diese fünf, sechs Tage sind eine homöopathische Dosis, das wird die Infektionszahlen nicht nachhaltig ändern.“ Gartlehner konnte dem Ganzen aber auch etwas Positives abgewinnen: „Zumindest ist die Realität anerkannt worden. Am Montag hat man noch geglaubt, dass nichts passiert.“

Die Politik könnte aber „gleich mit offenen Karten spielen“ und die unangenehme Wahrheit sagen, „dass es sich mit fünf bis sechs Tagen nicht ausgehen wird“, so der Experte für Evidenzbasierte Medizin der Donau-Universität Krems.

„Gehen mit enorm hohen Zahlen in Frühling“

Gartlehner sagte auch, dass die kritische Situation nicht auf die Ostregion beschränkt bleiben werde. In Tirol sei man jetzt dort, wo Wien vor zwei, drei Wochen war. „Früher oder später wird überall die gleiche Situation eintreten.“ Erleichterungen erwarte er erst in drei Monaten, Ende Juni, wenn ausreichend Menschen immunisiert seien und wenn nichts dazwischenkomme. „Wir gehen mit enorm hohen Zahlen in den Frühling.“ Die Lage sei daher ganz anders als letztes Jahr.

Von Laer: „Durchkommen“ vielleicht möglich

„Eher spät und eher kurz“ – so beurteilte von Laer im APA-Gespräch die Maßnahmen inklusive Kurzzeit-Lockdown für die Ostregion zu Ostern. Es sei zu hoffen, dass die Menschen bereits in der Woche bis Ostern die Warnungen ernst nehmen und sich entsprechend verhalten.

Einen Lichtblick bzw. möglichen Auswege aus der verfahrenen Situation ohne Verlängerung des Lockdowns nach Ostern sah von Laer jedoch: Sollten Maßnahmen wie die auf alle Innenräume ausgeweitete FFP2-Maskenpflicht sowie die Betriebstests eingehalten werden, könne man vielleicht mit Glück auch so – „ohne das wirtschaftliche Leben groß einzuschränken“ – bis Ende Mai, wenn deutlich mehr Menschen geimpft sein sollten, „durchkommen“.

Zuspitzung auch in anderen Ländern

Wie Gartlehner sieht auch von Laer eine Zuspitzung der Lage in den anderen Bundesländern voraus. Schließlich wisse man auch, dass sich die Infektionen auf den Intensivstationen gewöhnlich mit einer Verzögerung von drei, vier Wochen bemerkbar machen.

Dass ähnliche Maßnahmen wie im Osten notwendig werden, hielt von Laer für „nicht unwahrscheinlich“, aber prognostizieren könne man das nicht. Den übrigen Bundesländern könne der Faktor Zeit bzw. das hoffentlich bald Fahrt aufnehmende Impftempo helfen. In der Zwischenzeit sei vor allem intensives Contact-Tracing wichtig.

Oster-Lockdown im Osten

Die drei Landeshauptleute von Wien, Niederösterreich und dem Burgenland haben sich am Mittwoch mit dem Gesundheitsminister auf einen Lockdown für die Ostertage geeinigt. 24 Stunden Ausgangsbeschränkungen treten in Kraft und der Handel schließt, bis auf die Geschäfte des täglichen Bedarfs. Die FFP2-Maskenpflicht wird auf alle Innenräume ausgeweitet und statt Präsenzunterricht gibt es Distance-Learning für Schüler.

WKÖ und ÖGB: Maßnahmen nicht praxistauglich

Kritik ganz anderer Art kam am Donnerstag von der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) und dem Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB). Sie kritisieren in einer gemeinsamen Erklärung, die Maßnahmen seien aus Sozialpartner-Sicht „nicht praxistauglich“. Das verpflichtende Tragen von FFP2-Masken bedeute starke Einschränkungen, und in vielen Branchen, dass eine Umsetzung im betrieblichen Alltag unmöglich gemacht werde. Die Testungen im Handel seien neue Barrieren für Kundinnen und Kunden.

„Niemand zweifelt daran, dass das Tragen von FFP2-Masken wichtig für die Pandemiebekämpfung ist. Dabei muss aber die Arbeitsrealität der unterschiedlichen Berufsgruppen berücksichtigt werden“, kommentieren ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian und WKÖ-Präsident Harald Mahrer. „Bei einer Maskenpflicht brauchen Menschen auch ausreichend Pausen von der Maske oder man braucht engmaschige Testmöglichkeiten dort, wo FFP2-Masken aufgrund der körperlichen Belastung oder aus Sicherheitsgründen nicht möglich sind“, so Katzian.

WKÖ-Präsident Mahrer äußerte parallel dazu deutliche Kritik an den künftig vorgeschriebenen Testungen im Handel: „Aus der Idee der Eintrittstestungen, um zu einer stufenweisen sicheren Öffnung zu kommen, wurde nun genau das Gegenteil konstruiert: ein Instrument zu einer stufenweisen Schließung. Auf diese Weise werden die Betriebe massiv in ihrer Geschäftstätigkeit eingeschränkt und mutwillig neue Kundenbarrieren aufgebaut.“ Die beiden Sozialpartner-Spitzen zeigen sich überdies verwundert über die fehlende Einbindung der Sozialpartner in die aktuellen Gespräche und Verhandlungen.

Anschober appelliert an Bevölkerung

Gesundheitsminister Anschober verteidigte seinerseits die „Osterruhe“ und appellierte an die Bevölkerung, sich an die Maßnahmen zu halten. Diese „werden uns helfen, die schwierige Herausforderung zu schaffen. Entscheiden werden wir aber selbst. Tagtäglich mit unserem Beitrag, mit Verantwortung und Zusammenhalt – wir können und werden ein Teil der Lösung sein“, sagte Anschober.