Kruzifix (Michelangelo)

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Kruzifix des Michelangelo in Santo Spirito, Florenz

Michelangelo Buonarrotis Kruzifix ist eine 1492/93 geschaffene, farbig gefasste Holzskulptur, die heute in der Sakristei der Kirche Santo Spirito in Florenz aufbewahrt wird. Sie ist 139 × 135 cm groß. Das Kruzifix ist in Michelangelos Jugendjahren entstanden.

Das Kruzifix stammt angeblich aus der Zeit, in der sich Michelangelo im Kloster Santo Spirito aufhielt. Durch die Fürsprache von Piero de’ Medici hatte der Künstler Zugang zum Klosterkrankenhauses, um dort Leichen zu studieren. Durch diese Untersuchungen gelang es ihm, die Muskulatur anatomisch genau darzustellen. Nach der Französischen Revolution wurde das Werk aus der Kirche entfernt und in den Klostertrakt verbracht, wo es 1962 von der Kunsthistorikerin Margrit Lisner wiederentdeckt und als das von Giorgio Vasari in seiner Michelangelo-Vita beschriebene Werk identifiziert wurde. Das Kruzifix wurde 1963/64 restauriert und anschließend im Museum Casa Buonarroti ausgestellt; seit Weihnachten 2000 ist es in der Sakristei von Santo Spirito ausgestellt.

Beschreibung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Skulptur wurde aus einem Lindenholz-Block gefertigt. Lindenholz eignet sich sehr gut für Schnitzarbeiten und wurde auch in anderen Florentiner Werkstätten um 1400 benutzt. Die Figur mit dem Körper und dem Gesicht eines Jungen wurde in „bewundernswerter Perfektion“ gefertigt, wobei als Vorbild ein etwa 14-jähriger junger Mann gedient haben dürfte.[1]

Für die realitätsnahe Haltung der Figur sorgt unter anderem die Stellung der an das Kreuz genagelten Füße. Deren Drehung bewirkt die Überlappung der Beine, während die Füße flach auf dem Suppedaneum – ein stützendes Fußbrett – ruhen und die Schultern und die Brust näher an das Kreuz heranrücken. Der Bildhauer zielte wahrscheinlich vor allem an eine Betrachtung von der Vorderseite, eine überzeugende Ansicht ist jedoch auch aus anderen Perspektiven gewährleistet. Die Modellierung des Körpers ist sowohl auf der Vorder- als auch der Rückseite um eine anatomisch korrekte Wiedergabe eines schlanken und muskulösen jungen Männerkörpers bemüht, der entsprechende Studien des jungen Michelangelo zugrunde lagen.

An der heute vollkommen nackten Jesusfigur fehlt das ursprüngliche Lendentuch, das nicht geschnitzt war, sondern aus Stoff bestand, von dem Faserreste in der alten Farbschicht bei der Restaurierung von 1999 nachgewiesen werden konnten. Ebenso fehlt heute die ursprünglich vorhandene Dornenkrone.[1]

Giorgio Vasari gibt an, dass dieses Holzkreuz bereits unmittelbar nach Fertigstellung sehr geschätzt wurde. Es sei vom damaligen Prior Niccolò Bichiellini in der Kirche über einem Bogen gegenüber dem Hauptaltar der Kirche platziert worden. Dieser Altar ist eine Arbeit von Giovanni Battista Caccini und wurde im frühen 16. Jahrhundert errichtet.[2]

Neben dem hier behandelten Werk wird Michelangelo noch ein zweites, mit nur 41,3 × 39,7 cm deutliches kleineres Kruzifix, zugeschrieben; die Urheberschaft wird jedoch von Teilen der kunstwissenschaftlichen Forschung bezweifelt.[3] Das Stück wurde 2008 vom italienischen Staat erworben und ist heute im Bargello in Florenz ausgestellt.

Restaurierung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die erste Restaurierung des Kruzifixes wurde 1963 unmittelbar nach dessen Wiederentdeckung vorgenommen. Im Zuge der Maßnahmen legte man unter einem dicken, wohl um 1800 aufgetragenen Anstrich weite Teile der entstehungszeitlichen Farbfassung frei. Im Jahr 1999 begann eine neue Restaurierung. Sie wurde von den kommunalen Museen der Stadt Florenz in Auftrag gegeben. Sie erwies sich als unerwartet schwierig, führte aber zu einer umfassenden Konservierung des Holzkerns, der modellierten Partien und der Fassung. Die Kosten der Restaurierung wurden von der Sparkasse Florenz übernommen, mit Unterstützung durch die Stadt. Das Ziel war die Präsentation der Skulptur in der Ausstellung „Giovinezza di Michelangelo (Jugend des Michelangelo)“.[1]

Dank der Restaurierung von 1999 zeigt die Skulptur nun wieder ihre entstehungszeitliche Farbigkeit samt einiger besonderer Details wie die Blutstropfen auf der Haut, gemalte Haarsträhnen, die auf die Schultern fallen, und feines Haar auf Brust, Bauch und unter den Achseln. Das Haupthaar der Christusfigur war der am stärksten beschädigte Bereich. Da es bei der Restaurierung 1963 nicht vollständig freigelegt worden war, bewahrte es noch die alten Übermalungen. Die Haare sind nicht geschnitzt, sondern in Stuck aufgetragen und modelliert.[1]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Margrit Lisner: Michelangelos Kruzifixus aus S. Spirito in Florenz. In: Münchner Jahrbuch der Bildenden Kunst 15, 1964, S. 7–36.
  • Umberto Baldini: Michelangelo Buonarroti. The sculpture of Michelangelo. Verlag Rizzoli, 1982, S. ?.
  • Hellmut Wohl (Hrsg.): The Life of Michelangelo. Pennsylvania State University Press, University Park Pennsylvania 1999, ISBN 0-271-04483-7, S. 17 (englisch, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche ).
  • Kathleen Weil-Garris Brandt, Cristina Acidini Luchinat (Hrsg.): Giovinezza di Michelangelo. ArtificioSkira, Florenz 1999, ISBN 88-8118-568-7.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Michelangelos Kruzifix in Santo Spirito – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d Kulturamt der Stadt Florenz: Torna in Santo Spirito il Crocifisso attribuito a Michelangelo, 20. Dezember 2000 (italienisch)
  2. Rit Nosotro: Michelangelo, 1475–1564, Sculptor and Painter (Memento des Originals vom 26. Juni 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.hyperhistory.net auf hyperhistory, 2003; michelangelo.com (Memento des Originals vom 26. Juni 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.michelangelo.com.
  3. Eva Klausen: Verdächtiger Preissturz. In: Handelsblatt vom 2. März 2012.