Zum Inhalt springen

H1N1-Infektion Junge Patienten für Schweinegrippe besonders anfällig

Kanadische Mediziner warnen davor, dass die Schweinegrippe gerade jüngere Patienten besonders schwer treffen kann. Deutsche Kollegen fordern derweil einen Impfstoff für Kinder und Jugendliche, der keine umstrittenen Hilfsstoffe enthält - so wie ihn die Bundeswehr gerade für ihre Soldaten bestellt hat.
Schweinegrippe-Impfung in den USA (am 6. Oktober 2009 in Nebraska): "Schwerer Krankheitsverlauf und Todesfälle bei relativ gesunden Heranwachsenden"

Schweinegrippe-Impfung in den USA (am 6. Oktober 2009 in Nebraska): "Schwerer Krankheitsverlauf und Todesfälle bei relativ gesunden Heranwachsenden"

Foto: Nati Harnik/ AP

Frankfurt am Main - Bislang ist die Schweinegrippe bei den meisten Patienten in Deutschland milde verlaufen, bislang gab es zwei Todesfälle von H1N1-Infizierten, beide Patienten hatten jedoch noch weitere gesundheitliche Probleme. Im einen Fall bestätigten Mediziner, dass tatsächlich das Virus die Todesursache gewesen war. Nun warnen kanadische Mediziner davor, dass das H1N1-Virus gerade bei jungen Menschen dramatische und lebensbedrohliche Beschwerden verursachen kann.

Krankenhäuser

Im "Journal of the American Medical Association"  berichten Forscher um Anand Kumar vom Health Sciences Centre and St. Boniface Hospital in Winnipeg über den Krankheitsverlauf von 168 Patienten. Sie waren zwischen Mitte April und Mitte August wegen besonders schwerer Beschwerden in gebracht worden - und zwar nachdem sie bereits zu Hause im Durchschnitt vier Tage lang Grippesymptome gezeigt hatten. Anschließend habe sich ihr Zustand jeweils rapide verschlechtert.

Der Sauerstoffgehalt des Blutes war extrem gering, bei vielen der Patienten versagten mehrere Organe. Rund 80 Prozent der besonders stark betroffenen Grippeopfer wurden längere Zeit künstlich beatmet. 24 Personen starben innerhalb der ersten vier Wochen, fünf weitere in den folgenden zwei Monaten. Das Durchschnittsalter der Patienten war mit 32 Jahren auffällig niedrig.

Mexiko

Australien

Neuseeland

"Unsere Daten deuten darauf hin, dass schwerer Krankheitsverlauf und Todesfälle sich bei relativ gesunden Heranwachsenden und Erwachsenen zwischen zehn und 60 Jahren häufen", schreiben die Mediziner. Diese Altersverteilung gleiche jener der Spanischen Grippe von 1918, die ebenfalls durch den Influenzatyp H1N1 verursacht wurde. In der gleichen Zeitschrift kommen Untersuchungen aus , und zu ähnlichen Ergebnissen.

Streit um die Adjuvantien

Unterdessen fordern Kinderärzte in Deutschland auch für ihre jungen Patienten einen möglichst verträglichen Impfstoff gegen die Schweinegrippe. Ein Impfstoff ohne Zusätze wie in den USA solle auch Kindern zur Verfügung gestellt werden, verlangte der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Wolfram Hartmann.

In Europa sind nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums inzwischen drei unterschiedliche Impfstoffe zugelassen, darunter auch einer ohne wirkungsverstärkende Zusatzstoffe, sogenannte Adjuvantien. In den vergangenen Wochen hatten Kritiker wiederholt darauf verwiesen, dass der in den USA im September zur Anwendung freigegebene H1N1-Impfstoff verträglicher sei als der von der Bundesregierung bestellte, in dem sich Adjuvantien finden.

Immunsystem

Unter anderem hatte der Ärztliche Direktor des Gemeinschaftskrankenhauses Witten-Herdecke, Stefan Schmidt-Troschke, erklärt, der für Deutschland georderte Impfstoff enthalte Verstärker, die das der bei der relevanten Zielgruppe, nämlich jungen Menschen, Schwangere und Kinder, stark schwächen könne.

Bundeswehr

Die hat, wie am Montag bekannt wurde, ein eigenes Kontingent an Schweinegrippe-Impfstoff bestellt. Er enthält keine Zusatzstoffe. Zielgruppe sind Soldaten im Auslandseinsatz. Vor einem Einsatz im Ausland bekämen die Soldaten je nach den dortigen Ansteckungsmöglichkeiten oftmals gleich eine ganze Reihe von Impfungen. Um ihre Gesundheit zu schützen und "die Durchhaltefähigkeit sicherzustellen", erhielten sie einen "sehr umfassenden Impfschutz, der weit über die Erfordernisse im Inland hinausgeht", erklärte der Sanitätsdienst der Bundeswehr.

Impfstoff für den Auslandseinsatz

Dabei sei es wichtig, auf die wechselseitige Verträglichkeit mit anderen Impfstoffen zu achten. Wären zum Beispiel überall Zusatzstoffe enthalten, "und die kumulieren sich und vertragen sich nicht miteinander", werde es problematisch, sagte ein Sprecher. Daher habe die Bundeswehr einen Impfstoff ohne Konservierungsstoff und Adjuvantien bestellt. "Wir sind nicht was Besseres, sondern wir sind was Anderes", sagte der Sprecher des Sanitätsdienstes.

Bundesländer

Kinder- und Jugendmediziner Hartmann hatte dem "Westfalen-Blatt" gesagt, die Ständige Impfkommission habe den Alleingang der Bundeswehr mit Verwunderung zur Kenntnis genommen. Die hatten Anfang Oktober beschlossen, lediglich für Schwangere zusätzlich ein Serum ohne Adjuvantien zu beschaffen.

Ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums betonte, die derzeit drei in der EU zugelassenen Impfstoffe seien sämtlich sicher. Die von den Ländern für die Zivilbevölkerung bestellten Impfstoffe seien ebenso wirksam wie der Impfstoff der Bundeswehr.

Weltgesundheitsorganisation (WHO)

Impfung

Nach Einschätzung der ist eine Impfdosis pro Person ausreichend. Alle Daten würden darauf hindeuten, dass eine genüge, erklärte die Chefin der WHO-Impfforschung, Marie-Paule Kieny. Die europäische Gesundheitsbehörde EMEA empfahl zuletzt, zunächst jeder Person zwei Mal im Abstand von drei Wochen eine Dosis zu verabreichen. In Deutschland stehen ab Ende Oktober 50 Millionen Dosen des Impfstoffes vom Pharmahersteller GlaxoSmithKline bereit.

chs/AP/AFP/dpa