Ein Blick in die an der Kasse installierte Kamera reicht, und schon ist die Rechnung beglichen. (Bild: Zhang Chenlin / Xinhua / Imago)

Ein Blick in die an der Kasse installierte Kamera reicht, und schon ist die Rechnung beglichen. (Bild: Zhang Chenlin / Xinhua / Imago)

In China bezahlen die Kunden mit einem Lächeln

Wie technikaffin die Chinesen sind, zeigt eine jüngst veröffentlichte Zahl. In dem asiatischen Land nutzen 829 Millionen Personen das Internet. Und annähernd 600 Millionen bezahlen mit ihrem Smartphone. Mobile Payment bekommt jedoch Konkurrenz. Eine wachsende Zahl von Detaillisten ermöglichen Zahlungen mit Gesichtserkennung.

Matthias Müller, Peking
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Der Alibaba-Gründer Jack Ma präsentierte eine Beta-Version von «Smile to Pay» erstmals auf der Messe Cebit 2015 in Hannover. Der in Hangzhou beheimatete Internetkonzern hat sich wegen Sicherheitsbedenken bisher zurückgehalten, das Bezahlen mit dem Gesicht schnell zu etablieren. Inzwischen wächst jedoch die Zahl der Detaillisten in China, welche die Technik ihren Kunden anbieten. (Bild: Lintao Zhang / Getty)

Der Alibaba-Gründer Jack Ma präsentierte eine Beta-Version von «Smile to Pay» erstmals auf der Messe Cebit 2015 in Hannover. Der in Hangzhou beheimatete Internetkonzern hat sich wegen Sicherheitsbedenken bisher zurückgehalten, das Bezahlen mit dem Gesicht schnell zu etablieren. Inzwischen wächst jedoch die Zahl der Detaillisten in China, welche die Technik ihren Kunden anbieten. (Bild: Lintao Zhang / Getty)

Im Jahr 2015 stellte der Gründer des chinesischen Internetkonzerns Alibaba, Jack Ma, an der Cebit in Hannover der Weltöffentlichkeit eine Beta-Version des Bezahlsystems «Smile to Pay» vor. Die Kunden bezahlen ihre Rechnungen nicht länger mit dem in China gängigen Smartphone, sondern das Gesicht wird gleichsam zum Zahlungsmittel. Vier Jahre nach der Präsentation Jack Mas wächst in China die Zahl jener Geschäfte, in denen man nur noch in eine 3-D-Kamera blicken muss, und anschliessend ist der Kauf beglichen. Es spricht viel dafür, dass bereits in wenigen Jahren viele Millionen Chinesen mit Gesichtserkennung zahlen werden.

Die noch junge Geschichte des Mobile Payment in China liefert einen Fingerzeig, welches Potenzial neue Technologien im Reich der Mitte haben. Der Siegeszug des vom Alibaba-Konzern entwickelten Systems Alipay begann 2013; das vom Internetriesen Tencent stammende mobile Bezahlsystem Tenpay drang zwei Jahre später mit Wucht in den Markt. Ende vergangenen Jahres nutzten laut dem China Internet Network Information Center bereits 583 Mio. Chinesen ihr Smartphone, um Rechnungen zu begleichen; gegenüber dem Vorjahr entsprach dies einem Zuwachs von annähernd 11%.

Alipay und Tenpay liefern sich Zweikampf beim Mobile Payment

Anteil am Aussenumsatz in China, in %

Jedes Gesicht hat einen eindeutigen Code

Eine Vorreiterrolle beim Bezahlen mit dem Gesicht nehmen unter den Detaillisten die zum japanischen Mischkonzern 7-Eleven gehörenden 24-Stunden-Geschäfte ein, die in China vielerorts zu finden sind. Auch Filialen der chinesischen Bäckereikette Wedome bieten ihren Kunden die Möglichkeit an, so zu bezahlen. Betritt man eines der Geschäfte, wirkt alles traditionell, nichts deutet auf Hightech hin. Abgetrennt durch Scheiben, bereiten im hinteren Teil der Räumlichkeiten ganz in Weiss gekleidete Angestellte jene Kuchen und Brötchen vor, die später in der Auslage zu finden sein werden.

Die Schnellimbisskette KFC will mit modernen Bezahlformen wie dem «Smile to Pay» die technikaffine chinesische Jugend für sich gewinnen. (Bild: Reuters)

Die Schnellimbisskette KFC will mit modernen Bezahlformen wie dem «Smile to Pay» die technikaffine chinesische Jugend für sich gewinnen. (Bild: Reuters)

Eine junge Frau füllt sich das Tablett mit den Leckereien und geht damit zur Kasse. Eine Angestellte gibt die Preise ein, und anschliessend schaut die Kundin kurz in eine Kamera, und alles ist bezahlt. «Ich nutze dieses System schon seit längerem, weil es bequem ist», sagt die Frau mit einem Lächeln und verlässt die Wedome-Filiale. Die Kassiererin betont, es gebe immer mehr Kunden, die auf Gesichtserkennung setzten. «Jüngst hatten wir eine Werbeaktion. Jeder Kunde, der mit seinem Gesicht bezahlt hat, erhielt einen Rabatt. Wir hatten grossen Zulauf», erinnert sie sich. Solche Aktionen sind in China gängig. Anbieter wie Alibaba oder Tencent nutzen Rabattaktionen, um Kunden für ihre neuen Systeme zu gewinnen.

«Smile to Pay» setzt neben einer 3-D-Kamera auf einen Algorithmus, durch den sich Schatten und andere Merkmale identifizieren lassen, die nur von menschlichen Wesen stammen können. Dadurch wird auch ausgeschlossen, dass Unbefugte mit Fotos oder Videos versuchen, das System zu überlisten und das Alipay-Konto anderer Kunden zu knacken.

Gesichtserkennung ist ein Spielfeld der künstlichen Intelligenz und zählt zu einem Segment, dem grosse Wachstumschancen prophezeit werden. Dabei werden bei jeder Person die Abstände verschiedener Punkte im Gesicht gemessen – etwa die Breite der Nase. So erhält jedes Gesicht einen eindeutig zuordenbaren Code, den «face print». Haben sich die Systeme in der Vergangenheit noch an 86 Punkten orientiert, um die Gesichter zu bestimmen, lassen sich inzwischen so viele Abstände wie gewünscht vermessen. Je mehr Punkte in einem Gesicht bestimmt werden, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass das System die richtige Person identifiziert.

Fliegen ohne Bordkarte

In China gibt es mit Sense Time und Megvii Technology zwei Startups, die bei der Gesichtserkennung im weltweiten Vergleich eine Spitzenstellung einnehmen. Sense Time will im laufenden Jahr in der nächsten Finanzierungsrunde weitere 2 Mrd. $ einsammeln; 2018 nahm die Firma bereits 1,2 Mrd. $ auf. An dem 2014 gegründeten Unternehmen ist neben Alibaba auch der amerikanische Chiphersteller Qualcomm beteiligt. Sense Time gilt als das weltweit wertvollste Startup im Bereich der künstlichen Intelligenz. Einer der Hauptkonkurrenten von Sense Time ist mit Megvii Technology ein aus Peking stammendes Unternehmen. Es wurde 2011 von drei Abgängern der renommierten Pekinger Tsinghua-Universität gegründet. Ende vergangenen Jahres wurde Megvii laut der Nachrichtenagentur Reuters mit 3,5 Mrd. $ bewertet. Einer der wichtigsten Investoren ist wie bei Sense Time Alibaba.

Die Technik des Anbieters Sense Time ist so ausgefeilt, dass man über Passanten viele Informationen erhält. (Bild: Thomas Peter / Reuters)

Die Technik des Anbieters Sense Time ist so ausgefeilt, dass man über Passanten viele Informationen erhält. (Bild: Thomas Peter / Reuters)

Der Internetkonzern setzt bei seiner künftigen Strategie auf künstliche Intelligenz, wie auch ein neues von Alibaba betriebenes Hotel namens Fly Zoo am Konzernsitz in Hangzhou zeigt. Die Zimmer werden zunächst über eine App gebucht. Und die Hotelgäste können vorab auch die Etage des Zimmers sowie die Himmelsrichtung, in welche sie von ihrem Zimmer aus blicken wollen, bestimmen. Im Hotel wickeln chinesische Gäste – im Gegensatz zu Ausländern, die an in der Empfangshalle bereitstehenden Automaten ihre Pässe einscannen müssen – dann den Check-in über die App ab. Viele weitere Vorgänge wie die Nutzung des Aufzugs oder die Öffnung der Zimmertür lassen sich mit einem Blick in eine Kamera erledigen. Die Gäste benötigen nicht länger Zimmerschlüssel oder Karten.

Die Einsatzmöglichkeiten von Gesichtserkennung sind vielfältig. So lassen sich Kunden dank Gesichtserkennung in Restaurants persönlicher bedienen. Das Personal kann die Gäste auf Basis der Bestellungen in der Vergangenheit bei der Auswahl der Gerichte beraten und ihnen Vorschläge machen. Auch die Fluggesellschaft China Southern Airlines hat auf einem Flughafen in der zentralchinesischen Provinz Henan bereits Gesichtserkennung getestet. Um in das Flugzeug einzusteigen, benötigen die Passagiere keine Bordkarte mehr. Das Gesicht reicht aus.

An vielen Automaten der China Merchants Bank müssen die Kunden keine Geld- oder Kreditkarten mehr hervorkramen, um Yuan abzuheben. Sie stellen sich stattdessen vor eine Kamera, die das Gesicht einscannt. Anschliessend untersucht eine 3-D-Kamera, ob es sich um eine reale Person und nicht um eine Fotografie handelt, bevor das Geld ausbezahlt wird. Laut Megvii setzen Banken bei der Technologie weniger auf Effizienz- als vielmehr auf Sicherheitsaspekte, um den Betrug mit gehackten Geld- und Kreditkarten zu minimieren. Die Finanzbranche zählt zu jenen Kunden von Megvii, die das Gesicht der Kunden so exakt wie möglich vermessen lassen, um die Sicherheit zu erhöhen.

Weit und breit kein Personal zu sehen

Das vor diesem Hintergrund schon fast als veraltet erscheinende Mobile Payment ist dennoch allgegenwärtig in China. So fährt die Bäckereikette Wedome zweigleisig. Einige ihrer Geschäfte sind rund um die Uhr geöffnet. Personal sucht man dort vergebens. An der Tür ist ein QR-Code angebracht, der mit der Alipay-App eingescannt wird, und anschliessend erhält man Zugang zu den Räumlichkeiten. Der Kühlschrank und andere Fächer werden wiederum durch das Einscannen eines QR-Codes geöffnet. Die Kunden nehmen sich Getränke oder Speisen heraus, schliessen die Tür, und der anfallende Betrag wird automatisch erfasst und per Mobile Payment abgebucht.