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Ermittlungen zu kreuz.net Die Priester und das Hetzportal

Ein Verlag hat der Berliner Staatsanwaltschaft eine Liste mit den Namen von fünf Kirchenmitarbeitern übergeben, die Verbindungen zu kreuz.net haben sollen. Ein in Verdacht geratener Pfarrer hat sich vom Hetzportal distanziert. Doch Texte und Kommentare lassen daran zweifeln.

Selbst für manche Gegner des Hetzportals kreuz.net war es zunächst gewöhnungsbedürftig, was der Bruno Gmünder Verlag Anfang Oktober verkündete: 15.000 Euro "Kopfgeld" versprach er für Hinweise, die helfen, die Macher von kreuz.net ausfindig zu machen. Doch die Aktion scheint sich gelohnt zu haben.

Seit rund acht Jahren verbreitet kreuz.net nach eigener Darstellung "katholische Nachrichten". Tatsächlich waren die Beiträge anfangs noch geprägt von einer Haltung, die zwar erzkonservativ war, aber nichts Strafbares hervorbrachte. Das änderte sich: Hetzschriften gegen Homosexuelle wurden veröffentlicht, der Ton wurde rauer, die Haltung menschenverachtender.

Immer wieder versuchten privat motivierte und staatliche Ermittler, die Hintermänner des Portals zu ermitteln: erfolglos. Doch ein Beitrag ließ die öffentliche Empörung wieder hochkochen: Nach dem Tod von Dirk Bach erschien ein Text, in dem es heißt: "Jetzt brennt er in der ewigen Homo-Hölle."

Distanzierung per Klarstellung

Es gingen Anzeigen ein gegen Unbekannt, Watchblogs intensivierten ihre Recherche und der Gmünder-Verlag, in dem Medien für Schwule erscheinen, startete seine Aktion . Über 600 Mails gingen beim Verlag ein, zu 90 Prozent unbrauchbar, doch der Rest war offenbar hilfreich. Es gab Hinweise aus dem persönlichen Umfeld von Verdächtigen, manche lieferten Daten, die auf Personen schließen lassen.

Am Dienstagvormittag übergab David Berger, der die Aktion koordiniert, der Berliner Staatsanwaltschaft unter anderem eine Liste mit fünf Namen: Eine Person lebt in Deutschland, eine in der Schweiz, drei Personen leben in Österreich. Allesamt sind sie Mitarbeiter der katholischen Kirche, alle sollen sie enge Verbindungen zum Portal gepflegt haben. Auch ein deutschsprachiger Bischof ist unter den Verdächtigen, doch er wurde von der Liste vorerst gestrichen, die Beweislage ist noch zu dünn.

Sollte sich bewahrheiten, was Bergers Liste vermuten lässt, geriete die katholische Kirche in akute Erklärungsnot.

Ende Oktober noch hatte der Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz den SPIEGEL wissen lassen: "Die eigenen Recherchen stoßen deshalb an Grenzen, weil die Autoren namentlich gekennzeichneter Artikel für uns nicht auffindbar sind."

Es überrascht, dass dies das Problem sein soll. Der SPIEGEL stieß auf dem Portal auf mindestens zwei Dutzend deutschsprachige Autoren mit kirchlichem Hintergrund. Einer davon: Hendrick Jolie, Pfarrer im Bistum Mainz und einer von drei Sprechern des konservativen Netzwerks katholischer Priester.

Das Sprechergremium des Priesternetzwerks, bestehend aus Jolie, Guido Rodheudt und Uwe Winkel, beeilte sich nach dem SPIEGEL-Artikel, in einer auf der eigenen Internetseite veröffentlichten Stellungnahme  jegliche Nähe zu kreuz.net abzustreiten: kreuz.net verbreite bereits publizierte Texte, gebe sie "direkt oder paraphrasiert wieder". Jolie sei "kein ausgewiesener Autor des Internetportals". Kurz: Was können wir dafür, wenn jemand unsere Texte ins Internet stellt, noch dazu wenn er anonym ist?

Doch nach Informationen von SPIEGEL ONLINE legen Texte, Kommentare und Daten zum E-Mail-Verkehr mit der Redaktion von kreuz.net nahe, dass Pfarrer Jolie schon vor über sieben Jahren unter Mitwissen des Priesternetzwerks für kreuz.net schrieb, dass er sich mit Kommentaren rege an der Seite beteiligte und in regelmäßigem Austausch mit den Machern der Seite stand.

Priesternetzwerk verbreitete Hinweis auf Beitrag Jolies

Das Priesternetzwerk verbreitete selbst über seine Internetseite die digitale Version der Juli/August-Ausgabe von "Una Voce Korrespondenz", dem Informationsblatt einer konservativen katholischen Bewegung. Das Dokument wurde inzwischen von der Seite des Netzwerks entfernt, liegt SPIEGEL ONLINE aber vor. In dem Text schreibt Autor Rudolf Kaschewsky über "die Errichtung eines (...) Pastoralverbunds" im Bistum Fulda. Kaschewsky zitiert darin einen Beitrag zum Thema von "Pfarrer Hendrick Jolie in kreuz.net am 23.3.2005".

Der zitierte Beitrag Jolies ist auf kreuz.net verschwunden, liegt SPIEGEL ONLINE aber ebenfalls vor: "Vom Priester zum Zelebrationskasper?" lautet der Titel, unter dem Text die Angaben zum Autor: "Der Priester Hendrick Jolie ist Pfarrer im Bistum Mainz und Initiator im Netzwerk katholischer Priester, einer Vereinigung glaubenstreuer katholischer Geistlicher."

Der Inhalt ist nicht volksverhetzend, es ist eine konservative Schrift zu einem kirchenpolitischen Thema. Eigentlich wäre es also ein leichtes, Texte wie diese einzuräumen, womöglich war man sich der Brisanz des Portals nicht bewusst.

Doch Kommentare auf kreuz.net legen nahe, dass Jolie das Portal recht gut kennt: Über Jahre veröffentlichte ein Nutzer namens "Jolie" unter Artikeln seine Meinung, angemeldet war er seit November 2004, in dem Jahr nahm kreuz.net seine Arbeit auf. Er setzte unter die Kommentare meist den Namen "Jolie", nennt sich den "wichtigsten katholischen Oppositionellen" und schickt "ein dreifaches Hoch auf alle treuen kreuz.net-Leser in den Ordinariaten".

In anderen Kommentaren wirbt "Jolie" für das Priesternetzwerk, insbesondere der Netzwerkkollege Guido Rodheudt wird oft bejubelt, "einer der profiliertesten Priester unserer Tage" sei der. Und: Wenn ein Text von Jolie erschien, setzte Nutzer "Jolie" in seine Kommentare gerne mal den Link zur Originalquelle, oft ist das die private Homepage des Pfarrers Jolie.

Der Teufel steckt im Detail

Wie groß ist also die Distanz von Hendrick Jolie und dem Priesternetzwerk zu kreuz.net tatsächlich? Der Teufel steckt im Detail der Stellungnahme des Priesternetzwerks zum SPIEGEL-Artikel: Das Netzwerk distanziert sich darin von jeglichen Veröffentlichungen, "die diffarmierend und diskriminierend wirken und dadurch geeignet sein können, auf volksverhetzende, antisemitische, menschenverachtende oder kirchenfeindliche Weise personale Rechte und Gefühle von Menschen zu verletzen". Sicher: Darunter fallen die Beiträge Jolies, soweit bekannt, nicht.

Doch sie tragen ihren Teil zum Erfolg des Portals bei, sie geben der Seite den Anstrich und die Legitimation einer konservativ-katholischen Seite, sie öffnen die Seite für Menschen, die von allzu kruder Homo-Hetze allein zurückschrecken würden.

Warum also keine unbedingte Distanzierung? Womöglich sind die Verbindungen einiger Kirchenleute mit den kreuz.net-Machern enger, als sie zugeben möchten. Auch hier deutet im Fall Jolie einiges daraufhin: Nach Daten, die SPIEGEL ONLINE vorliegen, pflegte er bis vor wenigen Wochen regen E-Mail-Austausch mit der Adresse redaktion@kreuz.net, die mehrere Informanten als funktionierende Kontaktadresse der Seite nennen.

SPIEGEL ONLINE konfrontierte Jolie mit den Hinweisen auf Texte, Kommentare und den E-Mail-Verkehr. Jolie wollte sich nicht dazu äußern.

Der Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz, Matthias Kopp, sagte SPIEGEL ONLINE, man nehme Kontakt mit den Bistümern auf, "wenn uns Namen auffallen - und zwar von Personen, die sich im kirchlichen Dienst befinden". Das für Jolie zuständige Bistum Mainz teilte mit, man habe ihn zu dessen Verbindungen zu kreuz.net befragt. "Er hat verneint, mit kreuz.net in Verbindung zu stehen und sich ausdrücklich distanziert", so Bistumssprecher Tobias Blum.