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Als gewalttätige Poltergeister in Zürich alles durcheinanderwarfen

Der grosse Grusel: Noch heute machen Spukgestalten wie diese Figur auf einer Geisterbahn den Menschen Angst.

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Sie halten einen Vortrag über das «gespenstische Zürich», dabei scheint die Stadt doch regelrecht exorziert zu sein. Spukt es hier überhaupt noch? Mir sind tatsächlich nur drei Spukorte in der Stadt bekannt. Einer davon ist das ehemalige Antistitium, das Pfarrhaus neben dem Grossmünster. Dort soll zu Beginn des 18. Jahrhunderts ein Poltergeist beim höchsten Pfarrer der Stadt eingezogen sein. Fälle aus der Landschaft Zürich – also dem heutigen Kantonsgebiet – zeigen jedoch: In der frühen Neuzeit war eine Welt ohne Geister undenkbar. Aus Sicht der reformierten Pfarrer war der Geisterglaube sogar christliche Pflicht: Heimsuchungen wurden als göttliche Zeichen ausgelegt, um Sünder wieder auf den rechten Weg zu bringen und sie dazu anzuhalten, Busse zu tun und zu beten. Wer nicht an Geister glaubte, verkannte auch Gottes Botschaften.

Wie sahen denn diese Geister aus, die göttliche Botschaften überbrachten? Es gibt nur sehr wenige Aussagen über Sichtungen von Geistern. In diesen Fällen war von einer weissen Jungfrau oder einem Pfarrer die Rede. Meist handelte es sich jedoch um unsichtbare Heimsuchungen, um ein mehrmaliges, unerklärliches Klopfen, Schritte oder einen plötzlichen Luftzug. In vielen Gerichtsakten wird aber auch von gewalttätigen Poltergeistern berichtet, die das Mobiliar durcheinanderwarfen oder Menschen gar körperlich angriffen.

Gespenstische Erscheinungen: Totentanz beim Grossmünster Zürich, Darstellung aus dem Jahr 1581 von Johann Jakob Wick.

Es gibt Gerichtsakten über Geistersichtungen? Ja. Exorzismen, Amulette oder andere Schutzmechanismen zur Bekämpfung von Gespenstern waren verboten. Die einzig erlaubte Handlung war das Gebet zu Gott. Die Bevölkerung wollte jedoch aktiv gegen die Eindringlinge vorgehen, da sie Angst vor ihnen hatten. Bekam die Obrigkeit Wind von solchen «verbotenen» Handlungen, mussten sich die betroffenen Personen vor Gericht dafür verantworten. Aus Sicht der reformierten Obrigkeit galten Gespenster nicht etwa als Seelen von Verstorbenen, sondern als Werk des Teufels, der die Menschen im Auftrag Gottes heimsuchte. Die Menschen glaubten natürlich auch im reformierten Zürich weiterhin an Totengeister.

Kommt daher der Glaube, dass es auf Friedhöfen spukt? Während meiner Recherchen bin ich nur auf wenige Fälle gestossen, in denen es auf dem Friedhof gespukt haben soll. In den Akten wird meist von Gespenstern berichtet, die in bewohnten Häusern ihr Unwesen trieben. Sie drangen also in jene Orte ein, wo man sich eigentlich am sichersten fühlen sollte – und sie suchten alle Bevölkerungsschichten heim, von der Bäuerin über den Kaufmann bis hin zum Pfarrer.

Was drohte den Menschen, die Exorzismen vornahmen? Professionelle Geisterbanner, vor allem Wiederholungstäter, mussten durchaus mit der Todesstrafe rechnen. Solche extremen Fälle sind allerdings aus Basel, nicht aber aus Zürich bekannt. Wer sich selbst vor Geistern schützen wollte oder das Gerücht verbreitete, bei einem Gespenst handle es sich um eine verstorbene Person, wurde meist ermahnt. In manchen Fällen kam es aber auch zu einer Ehrenstrafe, das heisst, er oder sie wurde vor die Gemeinde gestellt und öffentlich vom Pfarrer gescholten. Die Akten sind in Sachen Spuk äusserst ergiebig und detailfreudig. Als Historikerin sind die Phänomene an sich nicht Gegenstand meiner Forschung, mir geht es vielmehr um die Frage, wie man Gespenster nach der Reformation versuchte zu deuten und zu bewältigen.

«Ich bin der Meinung, dass es in unserem Leben Platz haben muss für das Ungewisse und Unerklärliche»: Eveline Szarka, Historikerin, Zürich (Bild: Sabina Bobst/TA)

Mit welchen Methoden haben sich die Leute denn vor Geistern geschützt – ausser mit Beten? Neben den Aussagen in den Gerichtsakten sind auch Arznei- und Rezeptbücher überliefert, denen Bannsprüche oder Anleitungen zur Herstellung von Amuletten zu entnehmen sind. Ein beliebtes Mittel war ein gebundener Leinenbeutel – gefüllt mit heiligem Abendbrot, Salz und Kräutern –, der in die Türschwellen vergraben wurde. So sollte den Geistern der Zugang zum Haus oder Stall verwehrt werden.

Gab es denn nur böse Spukgestalten? Mit der Reformation scheinen die Gespenster tatsächlich wütender und bedrohlicher geworden zu sein. Im Spätmittelalter galten Geister meist als die Seelen von Verstorbenen, die im Fegefeuer litten und der Hilfe der Lebenden bedurften, um beispielsweise mit Wallfahrten oder Kirchenspenden erlöst zu werden.

Wann hat die Gesellschaft aufgehört, an Geister zu glauben? In der Forschung wird leider noch immer fälschlicherweise angenommen, dass der Geisterglaube mit der Aufklärung ein abruptes Ende fand. Juristisch verloren sie im Laufe des 18. Jahrhunderts sicherlich ihre Bedeutung, ebenso ihre religiöse Funktion als Gottes Strafe. Man hatte nun vermehrt Angst davor, öffentlich zu diesem Glauben zu stehen. Ich würde aber provokativ sagen, dass Geister nie aufgehört haben, Teil unseres Weltbildes zu sein. Das, was sich ändert, ist unsere Beziehung zu ihnen.

Glauben Sie selbst an Geister? Nein, eigentlich nicht. Zumindest bin ich noch nie einem begegnet. Ich bin aber der Meinung, dass es in unserem Leben Platz haben muss für das Ungewisse und Unerklärliche. Ich hoffe, dass ich mit meinem Vortrag im Friedhof-Forum dazu beitragen kann, die spannende Geschichte der Geister im historischen Zürich wiederaufleben zu lassen. Vielleicht kann ich ja bei der einen oder anderen Person auch eine kleine Ungewissheit wecken.

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Vortrag: Gespenstisches Zürich

Am Donnerstag, 6. Juni 2019, berichtet die Historikerin Eveline Szarka über längst vergessene Spukfällen in und um Zürich. Der Vortrag basiert auf historischen Aufzeichnungen, die im Zürcher Staatsarchiv aufbewahrt sind, und leuchtet insbesondere den Einfluss der Reformatoren Huldrych Zwingli und Heinrich Bullinger auf den Geisterglauben aus.

Der Vortrag beginnt um 18.30 Uhr im Friedhof Forum an der Aemtlertrasse 149