Sagenhafte Profite bei LNG: „Es ist eine unglaubliche Arbitrage“

US-Unternehmen streichen 150 Millionen Dollar Gewinn pro Flüssiggas-Schiff ein. Die EU will jeden Preis überbieten. Am Ende zahlen die privaten Haushalte.

Der Flüssiggas-Tanker Armada LNG Mediterrana fährt im Hafen Marsaxlokk, Delimara, Malta, ein.
Der Flüssiggas-Tanker Armada LNG Mediterrana fährt im Hafen Marsaxlokk, Delimara, Malta, ein.EPA

Der Ankauf von US-amerikanischem Flüssiggas (LNG) ist extrem teuer für die europäischen Endkunden und wirft zugleich sagenhafte Profite für die Lieferanten ab.

Das Problem für die deutschen Konsumenten: Die Preise für LNG werden weiter steigen. Die Europäische Union ist nach Einschätzung des Wirtschaftsmagazins Fortune gewillt, jeden Preis zu zahlen. Um die Energiekrise zu verhindern, werden die Preise im großen Stil an die privaten Haushalte und Unternehmen weitergereicht. Europa sei bereit, „die Heizkosten für alle Bürger weiter in die Höhe zu treiben, um die Versorgung mit Erdgas für den kommenden Winter zu sichern“, schreibt Fortune. Nach Angaben von namentlich nicht genannten EU-Beamten sei Europa bereit, für einen Tanker mit Flüssiggas jeden Weltmarktpreis zu überbieten. Bislang funktioniere der Plan, sich einen größeren Anteil am weltweiten Wettlauf um Flüssigerdgas zu sichern, indem man tief in die Tasche greift, so der Beamte. Die EU versucht mit dieser Taktik, alle anderen Interessenten am Weltmarkt auszustechen. Weil viele Länder vor allem in Asien nicht bei diesem Wettlauf mitmachen wollen, haben die EU-Staaten laut Fortune in den vergangenen Monaten 21 Milliarden Kubikmeter aus den globalen LNG-Beständen zugekauft.

Die europäischen Gaspreise könnten in diesem Winter um 60 Prozent auf mehr als 4.000 US-Dollar pro 1.000 Kubikmeter steigen, teilte der russische staatliche Gaskonzern Gazprom am Dienstag. Der Grund: Der eigene Export und die Produktion des Unternehmens aufgrund westlicher Sanktionen werden weiter zurückgehen, was zu einer Verknappung des Angebots bei steigender Nachfrage und damit zu erheblichen Preiserhöhungen führen werde, so der Konzern laut der türkischen Zeitung Sabah.

Besonders profitiert haben die US-Lieferanten: Der französisch-britische Investmentbanker und Energieexperte Laurent Segalen sagte dem Business Insider (BI), Unternehmen würden in den USA ein großes Schiff füllen und es für rund 60 Millionen Dollar (etwa 59 Millionen Euro) über den Atlantik schicken, wobei die Ladung dann in Europa rund 275 Millionen Dollar (knapp 270 Millionen Euro) einbringen würde. „Wir reden hier nicht über eine Marge. Es geht um einen Multiplikator. Alles in allem ist es verrückt“, sagte Segalen. Felix Booth, Leiter der Flüssigerdgas-Analyse bei Vortexa, sagte dem BI, er gehe davon aus, dass die Unternehmen bei jeder Lieferung rund 150 Millionen Dollar (knapp 147 Millionen Euro) verdienen könnten. „Es ist eine unglaubliche Arbitrage, die im Moment möglich ist“, so Booth.

Europa ist folgerichtig der wichtigste Markt für die US-Unternehmen: Laut Vortexa gingen im August knapp 60 Prozent der LNG-Lieferungen aus den USA nach Europa. Im August 2021 waren es nur 19 Prozent gewesen.

Diese Gewinne werden den US-Unternehmen von den deutschen Konsumenten unter anderem mit der vom Bundeswirtschaftsminister verordneten Gasumlage gezahlt. Zugleich wurden und werden die Gasrechnungen für Privatpersonen und Unternehmen laufend erhöht.

Deutschland hat trotzdem als erstes Land ein prominentes Opfer auch auf Unternehmensseite zu beklagen: Der strauchelnde Energiekonzern Uniper hat im ersten Halbjahr mehr als zwölf Milliarden Euro Verlust gemacht. Hauptgrund sind die weggebrochenen Gaslieferungen aus Russland, wie Konzernchef Klaus-Dieter Maubach am Mittwoch erklärte. Dazu kommen Milliarden-Abschreibungen für die Pipeline Nord Stream 2. Die Bundesregierung hat bereits ein Rettungspaket in Höhe von 15 Milliarden Euro geschnürt, um Uniper vor der Pleite zu bewahren. Uniper sieht sich als Opfer in einem geopolitischen Konflikt – zumal dem Unternehmen vonseiten der Bundesregierung jahrelang das Gefühl gegeben wurde, dass Nord Stream 2 als privatwirtschaftliches Projekt ein sicheres Investment sei. Die Russland-Sanktionen haben dem Unternehmen schließlich den Rest gegeben. Maulbach sagte laut Reuters: „Für global agierende ausländische Öl- und Gasunternehmen dürften solche Verluste verkraftbar sein. In Deutschland dagegen gibt es kein einziges Energieunternehmen, das eine solche Entwicklung nicht in die Knie zwingen würde.“ Uniper sei de facto zu einem Bauernopfer in diesem Konflikt geworden.

Aufgeben will das Unternehmen allerdings nicht – und neben dem vom Staat bereitgestellten Eigenkapital und den KfW-Krediten werde auch die Gasabgabe helfen, mit der die Versorger den größten Teil der Kosten für teureres Gas ab Oktober an die Kunden weitergeben können, so der Uniper-Chef. Zugleich warnte er davor, dass die Energiekrise noch lange nicht zu Ende sei und die Gasversorgung im kommenden Winter schwierig bleibe. Die nun verstaatlichte Uniper dürfte am Ende ebenfalls nicht umhinkommen, beim teuren LNG-Poker mitzumachen. „Die dringlichste Aufgabe für Uniper ist es, alternative Gaslieferungen zu finden“, sagte Allegra Dawes, Analystin bei Third Bridge, der Nachrichtenagentur Reuters. Sie erwarte Lieferungen von verflüssigtem Erdgas (LNG) über ein geplantes, von Uniper geführtes Terminal in Wilhelmshaven bis zur ersten Hälfte des Jahres 2023. Maulbach sagte, man befinde sich in Verhandlungen mit Kanada und anderen Lieferanten über den Bezug von LNG.

Ende August reist Bundeskanzler Olaf Scholz nach Kanada, um Gespräche über potenzielle Lieferungen von Flüssigerdgas (LNG) von Kanada nach Deutschland zu führen. Er will ein Abkommen mit Kanada über LNG-Lieferungen schließen. Schon jetzt gibt es Protest dagegen aus der Umweltszene. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) warnt in einem Statement: „Das Ergebnis könnte ein neuer Deal zwischen den Ländern sein, der fossile Abhängigkeiten schafft und die Klimakatastrophe weiter anheizt.“