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Pastor stirbt bei umstrittenem Schlangen-Ritual

Jamie Coots hatte über 20 Jahre mit Schlangen gearbeitet. Jetzt biss ihn ein Tier bei einer seiner umstrittenen Messen. Er starb am Gift der Viper Jamie Coots hatte über 20 Jahre mit Schlangen gearbeitet. Jetzt biss ihn ein Tier bei einer seiner umstrittenen Messen. Er starb am Gift der Viper
Jamie Coots hatte über 20 Jahre mit Schlangen gearbeitet. Jetzt biss ihn ein Tier bei einer seiner umstrittenen Messen. Er starb am Gift der Viper
Quelle: AP
Eigentlich sollte ihn die Klapperschlange erlösen. Doch dann biss die giftige Viper Jamie Coots bei einer Messe in die Hand. Der zweifache Vater starb. Ärztliche Hilfe hatte er immer abgelehnt.

Für seine Anhänger war Jamie Coots ein Messias, zu dem sie aufblickten. Für andere war er eher ein verrückter Priester aus Kentucky, der während seiner Gottesdienste mit giftigen Schlangen tanzte, um so seinen Glauben unter Beweis zu stellen. „Snake Handling“ (zu Deutsch: Schlangen anfassen) heißt das Ritual, das Coots praktizierte – und das ihn jetzt das Leben kostete. Bei einer seiner umstrittenen Messen im US-Bundesstaat Kentucky hatte ihn eine Klapperschlange in die Hand gebissen. Die Hilfe eines Arztes lehnte er ab. Coots wollte, dass Gott über sein Schicksal entscheide.

„Jamie tanzte mit einer Schlange in der Hand und kam direkt auf mich zu“, beschrieb Cody Winn, ein Anhänger Coots’ und selbst Priester, die Situation gegenüber der lokalen TV-Station WBIR-TV. Er habe das Tier genau sehen können. Alles schien wie immer zu sein. Doch dann habe die Schlange von einer Sekunde auf die andere ihren Kopf gedreht und Jamie in den rechten Handrücken gebissen. „Es ging alles sehr schnell.“

Coots’ Anhänger alarmierten sofort den Notarzt. Doch als dieser gegen 20.30 Uhr in der Kirche „Full Gospel Tabernacle in Jesus Name“ in Middlesboro ankam, einer 10.000-Seelen-Gemeinde viereinhalb Autostunden nördlich von Atlanta, da war der tödlich Gebissene schon weg. „Mein Vater ist nach Hause gegangen“, berichtete Coots’ Sohn Cody den ankommenden Rettungskräften. Er habe sich auf das Sofa gelegt und leide an seinen Schmerzen. „Aber er wird zu Gott beten, und dann werde wieder alles gut sein. So ist das immer gewesen.“

Wie in Trance tanzte er durch die Kirche

Jamie Coots ist mit seinen umstrittenen Schlangenmessen, die offiziell verboten sind, in den USA bundesweit berühmt geworden. Der Sender National Geographic widmete ihm eine mehrteilige Dokumentationsreihe. „Snake Salvation“ zeigte ihn, wie er bei Zeremonien wie in Trance mit Schlangen in der Hand oder auf dem Arm durch seine Kirche tanzte.

Coots hatte aber auch immer wieder Ärger mit der Polizei. Er wurde mehrmals beim Schmuggeln von Giftschlangen erwischt. Zuletzt schnappte ihn die Polizei im vergangenen Jahr mit drei Klapper- und vier Mokassinschlangen, die er in seinem Auto von Tennessee nach Kentucky bringen wollte. Insgesamt konnten die Beamten später 74 Schlangen in seinem Haus sicherstellen. Coots wurde damals zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr verurteilt.

Der Fundamentalist gehört zu einer christlichen Kirche der Pfingstbewegung. Deren Ritual des „Schlangenanfassens“ soll mehr als 100 Jahre alt sein. Für die wenigen Anhänger, die es heute fast nur noch in den ländlichen Gebieten im Süden der USA gibt, ist es ein Beweis ihres festen Glaubens an Gott. Dabei berufen sie sich auf ein Zitat aus dem Markus-Evangelium (16, 17–18), in dem es unter anderem heißt: „... wenn sie Schlangen anfassen oder tödliches Gift trinken, wird es ihnen nicht schaden.“

„Schlangen anfassen ist für mich ein Gottesgesetz“, hatte Coots gegenüber National Geographic gesagt. „Es hat für mich den gleichen Stellenwert wie die Zehn Gebote, wie zum Beispiel das Gesetz, ich soll keinen Ehebruch begehen.“ Wie fest sein Glaube an Gott und die Bibel war, untermauerte Coots in einem Interview im vergangenen Jahr. „Wenn die Bibel mir sagen würde, ich müsse aus einem Flugzeug springen, dann würde ich das jederzeit tun.“

Nach einem Biss faulte der rechte Mittelfinger ab

Mindestens acht Mal, so berichtete sein Sohn Cody, sei Coots in den vergangenen Jahren von giftigen Schlangen gebissen worden. „Und er hat immer überlebt.“ Bei seinem schwersten Zwischenfall hatte der Pastor den Mittelfinger seiner rechten Hand verloren. Eine Viper hatte ihn gebissen. Der Finger sei abgefault und am Ende „einfach abgefallen“, sagte Cody.

21 Jahre lang – in vierter Generation – hatte Coots das Schlangenritual praktiziert. In Interviews betonte er immer wieder, dass er medizinische Hilfe nach einem Unfall grundsätzlich ablehne. „Als ich meine Kirche eröffnete, war für mich klar, dass ich in kein Krankenhaus gehe oder mich von einem Arzt behandeln lassen werde“, sagte er in einer Episode von National Geographic. „Gott wird dann über mein weiteres Schicksal entscheiden.“

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An dieses Gelübde hielt sich der Vater zweier Kinder auch diesmal. Der Notarzt hatte noch 40 Minuten auf ihn eingeredet, ihn vor einem qualvollen Tod gewarnt. Knapp anderthalb Stunden dauerte Coots’ Kampf gegen das Gift der Klapperschlange, dann starb er umgeben von seiner Familie in seinem Haus in Middlesboro.

Er selbst ist das zweite Opfer seiner fragwürdigen Schlangenmessen. 1995 starb in seiner Kirche bereits die 28 Jahre alte Melinda Brown. Die Mutter von fünf Kindern wurde auch während eines Gottesdienstes von einer Klapperschlange gebissen. Damals ermittelte die Polizei, doch verurteilt wurde Coots nicht. Ein Richter erklärte damals, dass der Angeklagte, obwohl Schlangen in einer Kirche verboten seien, nicht wegen seines Glaubens verurteilt werden könne.

Der Tod des Pastors bedeutet allerdings nicht das Ende seiner Kirche. Sein Sohn Cody hat angekündigt, dass er das Erbe seines Vaters fortführen werde. Coots’ Frau Linda und Tochter Trina wollen ihn unterstützen.

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