Heftige Unwetter in NRW: Hagen ruft Bewohner zur Evakuierung auf
Notstand ausgerufen ++ Feuerwehrmann im Sauerland ertrunken ++ Innenminister Reul: „Außerordentlich schwierige Lage“
Hagen/Düsseldorf – Unglaubliche Szenen in Hagen! Der vom Starkregen in einen reißenden Fluss verwandelte Wesselbach trat über die Ufer, fließt jetzt mitten durch ein Seniorenheim. Die Bundeswehr kämpft weiter mit Wasser und Geröllmassen. Nun ruft die Stadt ihre Bewohner zur Evakuierung auf.
Die Stadt fordert alle Personen, die in der Nähe von Flüssen wohnen, auf, sich in gesicherte, höherliegende Bereiche zu begeben. Wer das Haus nicht verlassen kann, soll sich in höhere Etagen begeben.
Außerdem hat die Stadt den Notstand ausgerufen. Laut dem Krisenstab wird in den kommenden Stunden mit einem Hochwasser gerechnet, das nur alle 25 Jahre auftritt. „Die Situation ist ernst“, heißt es in der Mitteilung.
Das Altenheim wurde bereits am Nachmittag evakuiert, die Bewohner auf andere Heime und Krankenhäuser umverteilt. Strömungsretter retteten fünf Menschen, die in ihrem Haus eingeschlossen waren.
Henning Keune, Technischer Beigeordneter der Stadt Hagen, sprach am Nachmittag vom „heftigsten Hochwasser seit Beginn der Aufzeichnungen von Starkregen. Die Niederschlagsmenge ist eine der höchsten, die jemals in Deutschland gemessen wurde. 211 Liter pro Quadratmeter.“
Etliche Straßen und Keller wurden geflutet. Schon in der vergangenen Nacht gingen Hunderte Notrufe bei der Feuerwehr ein.
„Die Leute sind verzweifelt“, sagte ein Polizeisprecher mit Blick auf die vielen vollgelaufenen Keller in der Stadt. Von Hängen wurden zudem Schlammmassen auf Straßen gespült, viele Ortsteile sind nicht befahrbar.
Das Rote Kreuz versorgt betroffene Anwohner. Im Kampf gegen die Wassermassen hilft seit dem Nachmittag auch die Bundeswehr mit.
Stellvertretender Feuerwehrchef Ralf-Guido Blumenthal: „Wir sind hier auf landesweite Hilfe angewiesen. Wir sind bemüht, alle Straßen freizumachen für den Rettungsweg und den Verkehr. Schweres Gerät vom THW reichte nicht aus – deshalb hilft jetzt die Bundeswehr.“
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (60, CDU) will am Donnerstagmorgen nach Hagen reisen, um sich mit Oberbürgermeister Erik Schulz (55, parteilos) ein Bild von der Lage vor Ort zu machen.
Blumenthal warnt: „Ein fließendes Gewässer ist unberechenbar – bleiben Sie zu Hause. Eine Entspannung ist noch nicht absehbar.“
Wie gefährlich Wassermassen sein können, zeigt auch dieses Beispiel: Eine Straße unter einer Brücke in Hagen wurde so stark geflutet, dass die festsitzenden Insassen zweier Autos von der Feuerwehr gerettet werden mussten.
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Eltern im gesamten Stadtgebiet wurden am Morgen gebeten, ihre Kinder nicht in die Kita zu schicken und an dem Ferientag auch nicht die sonstige Betreuung der Grundschulen zu nutzen.
Polizeisprecher Tino Schäfer: „Zahlreiche Gaffer suchten die Einsatzstellen auf und behindern die Einsatzkräfte. Bitte meiden Sie Hagen, wenn Sie nicht hier hin müssen!“
Düsseldorf räumt ganze Siedlung
Auch in Düsseldorf ließ der Starkregen die Feuerwehr nicht ruhen: 330 Einsätze allein in der vergangenen Nacht! Am Mittwochnachmittag rief die Stadt die Bewohner der Ostpark-Siedlung an der Düssel wegen des anhaltenden Starkregens dazu auf, das Gebiet freiwillig zu verlassen und stellte vorsorglich den Strom in den betroffenen Häusern ab.
Wegen eines überfluteten Tunnels ist die A44 bei Düsseldorf am Mittwoch auf einem Abschnitt in beide Fahrtrichtungen gesperrt, laut Autobahn GmbH bis zum Donnerstag. In beide Richtungen bildeten sich mehrere Kilometer Stau.
Auch auf weiteren Autobahnabschnitten sorgten überschwemmte Fahrbahnen für Verkehrsbehinderungen.
Der Deutsche Wetterdienst warnte auch für den Mittwoch vor Dauerregen in der Region um Düsseldorf mit Niederschlagsmengen von 70 bis 120 Liter pro Quadratmeter.
Und auch der Rheinpegel steigt durch die starken Regenfälle weiter kontinuierlich an. Am Mittwochvormittag lag der Messwert für Köln um 11.30 Uhr schon bei 5,59 Metern – Tendenz stark steigend!
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Feuerwehrmann in Altena ertrunken
Die heftigen Unwetter haben ein erstes Todesopfer gefordert. In Altena im Sauerland ist ein Feuerwehrmann ums Leben gekommen.
Dem jungen Mann seien im Einsatz die Beine weggerissen worden und er sei ertrunken. Von den umliegenden Hängen seien an mehreren Stellen größere Wassermengen auf die Stadt herabgestürzt, es sei zu „massiven Abrutschen“ gekommen.
Die Feuerwehr werde auch von THW und DRK unterstützt. „Unser Hauptaugenmerk liegt auf dem Stadtzentrum“, hieß es.
In Iserlohn-Lasbeck mussten 35 Anwohner aus zwölf Häusern evakuiert werden. Am frühen Morgen war hier der Damm gebrochen, der den Lasbecker Bach hält. Zahlreiche Gebäude wurden geflutet. Die Bahnstrecke von Hagen nach Siegen wurde gesperrt.
NRW-Innenminister Herbert Reul (68, CDU) sprach von einer „außerordentlich schwierigen Lage“ in einigen Regionen des Landes. „Die weitere Entwicklung ist derzeit nicht mit Sicherheit absehbar“, sagte er am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. Er dankte allen Helfern, von denen viele auch ehrenamtlich gegen die Wassermassen ankämpfen.