Verbot von Verhütung und gleichgeschlechtlicher Ehe möglich

Richter Thomas stellt weitere US-Grundsatzurteile infrage

Verfassungsrichter Clarence Thomas hat angedeutet, dass weitere US-Grundsatzurteile zu überprüfen wären. In dieser Woche haben die Richter des Supreme Court mehrmals tief in die Rechte der Bürger eingegriffen.

Autor/in:
Christiane Laudage
Diskussion um Ehe für alle
 / © N.N. (dpa)
Diskussion um Ehe für alle / © N.N. ( dpa )

Nachdem Anfang Mai ein Entwurf zur Abschaffung des Grundsatzurteils gegen Abtreibung durchgestochen wurde, kam das tatsächliche Urteil des Höchsten Verfassungsgerichts der USA, dem Supreme Court, am Freitag nicht mehr wirklich überraschend.

Richter Clarence Thomas / © Erin Schaff (dpa)
Richter Clarence Thomas / © Erin Schaff ( dpa )

Der (zustimmenden) Urteilsbegründung von Clarence Thomas, einem der sechs konservativen Richter, ist zu entnehmen, dass er nun noch weitere Urteile überprüfen lassen will.

Recht auf Gebrauch von Verhütungsmitteln

Da geht es etwa um das Urteil Griswold v. Connecticut (1965). Mit dieser Entscheidung in letzter Instanz hatten damals die Richter des Supreme Court Ehepaaren ein Recht auf Privatheit in der Ehe zugestanden - einschließlich dem Recht auf Gebrauch von Verhütungsmitteln. Dieses Urteil floss auch in die nun ausgehebelte Grundsatzentscheidung zu Abtreibung (Roe vs. Wade) von 1973 ein.

Füße unter einer Bettdecke / © Varavin88 (shutterstock)
Füße unter einer Bettdecke / © Varavin88 ( shutterstock )

Ebenfalls sprach Richter Thomas über das Urteil Lawrence v. Texas von 2003, das gleichgeschlechtlichen Paaren eine intime Beziehung erlaubt. 2015 öffnete der Supreme Court überdies die Ehe für homosexuelle Paare (Obergefell v. Hodges). In republikanischen und evangelikalen Kreisen, deren Schnittmenge sehr groß ist, wird auch dieses Urteil zunehmend in Frage gestellt. Clarence Thomas hat das jetzt höchstrichterlich aufgenommen.

Richter Samuel Alito hatte zwar als Autor der Mehrheitsmeinung im Urteil geschrieben, es würde hier nur um die Abtreibung gehen, weitere Grundsatzurteile stünden nicht zur Disposition. Aber sein Kollege Clarence Thomas sieht das offensichtlich anders. In seiner zustimmenden Urteilsbegründung sagte der Richter, dass Gericht solle die Urteile, die einen freien Zugang zu Verhütungsmitteln, den Schutz gleichgeschlechtlicher Beziehungen und der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare garantieren, überdenken.

Ehe für Menschen unterschiedlicher Hautfarbe

Nicht angesprochen hat Thomas das Urteil Loving v. Virginia (1967); doch jüngst haben sich sogar einige Republikaner dazu hinreißen lassen, selbst diese Entscheidung anzuzweifeln. Damals entschied der Supreme Court einstimmig, dass Menschen unterschiedlicher Hautfarbe nicht die Ehe verboten werden dürfe.

Clarence Thomas ist ein Afroamerikaner, der mit einer weißen Frau verheiratet ist. Seine Frau Ginni kam jüngst in die Schlagzeilen, weil sie in enger Verbindung zum früheren US-Präsidenten Donald Trump stand, als dieser vor und am 6. Januar 2021 bei der Feststellung der Stimmen des Electoral College den Wahlausgang anzweifelte. Ob und inwiefern Trump gegen den Staat zum Aufstand aufrief, ist derzeit Gegenstand einer Untersuchungskommission. In diesem Zusammenhang tauchten auch Textnachrichten von Ginni Thomas an Trump auf.

Donald Trump / © Andrew Harnik (dpa)
Donald Trump / © Andrew Harnik ( dpa )

Ende Juni geht das höchste Verfassungsgericht in die Sommerpause. In diesen letzten Tagen haben die Richter entlang ihrer Berufungen - sechs konservative gegen drei liberale Richter -  verschiedene, sehr weitreichende Urteile veröffentlicht, die tief in die Rechte der US-Bürger eingreifen.

Während im US-Senat überraschend eine Mehrheit für eine erste vorsichtige Regelung zur Eingrenzung des Schusswaffenbesitzes möglich wurde, nachdem in den vergangenen Monaten mehrere Amokläufe mit Waffen die Nation erschütterten, haben die US-Verfassungsrichter nun noch einmal den zweiten Zusatz zur Verfassung bestätigt. Dieser erlaubt das Tragen von Waffen außerhalb des eigenen Hauses. Mit dieser Entscheidung vom Donnerstag wurde ein entsprechendes Gesetz des Bundesstaates New York hinfällig.

Urteil zur Trennung von Staat und Kirche

Die Verfassungsrichter äußerten sich am Ende ihres Gerichtsjahres auch zum Grundsatzurteil Miranda v. Arizona zum Aussageverweigerungsrecht - und schränkten die Rechte der Bürger gegenüber der Polizei ein. Bislang mussten Bürger bei der Festnahme über ihre Rechte ("Miranda Rights") belehrt werden; sonst konnten sie später klagen. Das ist in dieser Form nun nicht mehr möglich.

Supreme Court in den USA / © Konstantin L (shutterstock)
Supreme Court in den USA / © Konstantin L ( shutterstock )

Auch veröffentlichten die Richter ein Urteil zur Trennung von Staat und Kirche. "Eine Mauer der Trennung zwischen Kirche und Staat": Das hatte Thomas Jefferson, einer der Gründerväter der USA, als festen Grundsatz etabliert, an dem nie gerüttelt wurde; seit einiger Zeit aber doch. In dieser Woche ging es wieder mal um die schon oft diskutierte Frage, ob der Staat oder die Bundesstaaten Geld für Schulen zur Verfügung stellen müssen, die von einer Glaubensgemeinschaft getragen werden oder einen Religionsunterricht anbieten. Die Richter beantworteten das nun positiv.

Die Richter am Supreme Court haben ihr Gerichtsjahr also mit gleich mehreren Grundsatzurteilen beendet - von denen die Aufhebung des Abtreibungsurteils mit Sicherheit das meiste Aufsehen erregt. Doch Richter Clarence Thomas hat schon angedeutet, wie weit das konservativ dominierte Verfassungsgericht in die privaten Rechte der Bürger einzugreifen bereit sein könnte.

Supreme Court

Der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten ist das oberste rechtsprechende Staatsorgan der Vereinigten Staaten. Neben diesem obersten Bundesgericht existieren auch Supreme Courts in jedem einzelnen Bundesstaat. Der Supreme Court ist das einzige amerikanische Gericht, das explizit in der Verfassung der Vereinigten Staaten vorgesehen ist. Der Supreme Court tagt in Washington, D.C., die anderen Bundesgerichte sind landesweit verteilt.

Justitia (dpa)
Justitia / ( dpa )
Quelle:
KNA