Querdenkerin vergleicht sich mit Sophie Scholl: Ordner verliert die Fassung
Bei der Querdenken-Demo in Hannover am Samstag waren zahlreiche Polizisten im Einsatz.
Quelle: Hauke-Christian Dittrich/dpa
Hannover. Bei der Querdenken-Demonstration in Hannover am Samstag kam es zu einem etwas anderen Polizeieinsatz – gegen einen aufmüpfigen Sicherheitsdienst, der in den sozialen Netzwerken allerdings für sein Eingreifen gefeiert wird.
Auf der Bühne stand zu diesem Zeitpunkt Jana aus Kassel. „Ich bin Jana aus Kassel und ich fühle mich wie Sophie Scholl, da ich seit Monaten aktiv im Widerstand bin, Reden halte, auf Demos gehe, Flyer verteile und auch seit gestern Versammlungen anmelde“, sagte sie zu der jubelnden Masse und verhaspelte sich mehrfach.
Zum Hintergrund: Die zitierte Sophie Scholl hatte als Mitglied der studentischen Widerstandsgruppe Weiße Rose gegen die Diktatur der Nationalsozialisten gekämpft. Im Februar 1943 war sie bei einer Flugblattaktion zusammen mit ihrem Bruder erwischt, von der Gestapo vier Tage lang verhört und schließlich am 22. Februar zum Tode verurteilt worden.
Corona-Gegner-Demos: Festnahmen und Angriffe in Leipzig
Zwei Wochen nachdem in Leipzig eine Querdenken-Demonstration aufgelöst werden musste, waren diesmal 500 Teilnehmer genehmigt worden.
Quelle: Reuters
Ordner übergibt seine Weste: „Für so einen Schwachsinn mache ich keinen Ordner mehr“
Die Rednerin fuhr fort: „Ich bin 22 Jahre alt, genau wie Sophie Scholl, als sie den Nationalsozialisten zum Opfer fiel.” Das stimmt nicht – denn Sophie Scholl wurde im Alter von 21 Jahren von den Nazis hingerichtet. Weiter sagte Jana aus Kassel: „Ich kann und werde niemals aufhören, mich für Freiheit, Frieden, Liebe und Gerechtigkeit einzusetzen.“
Dann wurde sie unterbrochen – von einem Ordner. Der Mann ging auf die Bühne zu, seine Warnweste in der Hand und wollte sie der Frau geben. „Für so einen Schwachsinn mache ich keinen Ordner mehr“, sagt der Mann mehrfach.
Während Jana aus Kassel ungläubig guckte und mehrfach „Was?“ fragte, wiederholte der Mann seinen Satz immer wieder. „Beim besten Willen, so ein Schwachsinn. Sophie Scholl – du bist doch hängen geblieben.“ Während eine Frau im Publikum den Mann auffordert, die Rede nicht zu unterbrechen, kommen Kollegen des Mannes hinzu und fragen, was das Problem sei. Der Ordner bleibt bei seiner Ansicht: „Sie verharmlost den Holocaust.“
Nur wenige Sekunden später sind auch Polizisten vor der Bühne versammelt und führen den Mann ab – der der 22-Jährigen aber noch zuruft, dass sie „mehr als peinlich“ sei. Und die Rednerin? Die dreht sich mit dem Rücken zum Publikum, fängt an, ins Mikrofon zu weinen, und stürmt von der Bühne.
Nach einem Bericht der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ soll der Mann der linksextremen Szene der Stadt angehören. Demnach hatten sich Mitglieder der linken Szene unerkannt unter die „Querdenken“-Demo auf dem Opernplatz gemischt. Einer der falschen Ordner soll der Mann gewesen sein, welcher der Rednerin sein Leibchen gab. Er soll auch bei vielen anderen Demonstrationen in Erscheinung getreten sein. Die Inszenierung habe nach Informationen der Zeitung offenbar vorführen sollen, dass die „Querdenker“-Bewegung gespalten ist.
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Sicherheitsmann wird auf Youtube für sein Eingreifen gefeiert
Während sich die Demonstranten empören und die Moderatorin des Events in Hannover sagte, es sei „furchtbar, was in diesem Land passiert. Ich bin erschüttert“, findet sich in den sozialen Medien viel Zuspruch für den beherzten Ordner, der den Holocaust-Vergleich von Corona-Leugnern und Verschwörungstheoretikern satt hat. Auf Youtube wurde die Querdenken-Demo aus Hannover nämlich live gestreamt und User konnten ihre Kommentare abgeben. „Ehrenmann!“ und „Bester Mann!“ heißt es dort immer wieder, oder auch: „Woah, und ich war live dabei!“ und „Sag ich doch, jetzt wird’s komisch“.
Erst vor wenigen Tagen hatte sich eine Elfjährige auf einer Querdenken-Demo in Karlsruhe mit Anne Frank verglichen – sie habe ihren Geburtstag heimlich mit Freunden feiern müssen, sagte sie in Anspielung auf die junge Jüdin, die sich jahrelang in einem Hinterhaus in Amsterdam vor den Nazis verstecken musste.
RND/msk