BILD in Bergamo, wo die Corona-Hölle begann: „Die Menschen sind noch immer traumatisiert“

Quelle: BILD/Kira Ortmann
Von: Kira Ortmann

Vor einem Jahr begann in Bergamo Italiens Albtraum: Das Coronavirus brach dort so stark aus wie in kaum einer anderen Region Europas.

Der Höhepunkt der Krise: Am 16. März kamen mehr als 90 neue Corona-Patienten auf die Intensivstation des Krankenhauses „Papa Giovanni XXIII“. Innerhalb eines Tages mussten so 160 Personen wegen Corona behandelt werden, zusätzlich zu den anderen Patienten.

„Heute sind es nur noch 15 am Tag“, sagt Dr. Roberto Cosentini, Chefarzt der Notfallstation.

In jeder Familie mindestens ein Todesfall

Mario Beretta wohnt schon sein Leben lang in Bergamo: „Ich brauchte viel Zeit, um mit der Situation klarzukommen und zu verstehen, was da gerade passiert. Wir haben einen hohen Preis gezahlt, aber wir haben wieder gelernt, zusammenzuhalten, in unserer Stadt, in unserer Region und in unserem ganzen Land.“

Mario Beretta wohnt schon sein Leben lang in Bergamo: „Ich brauchte viel Zeit, um mit der Situation klarzukommen und zu verstehen, was da gerade passiert. Wir haben einen hohen Preis gezahlt, aber wir haben wieder gelernt, zusammenzuhalten, in unserer Stadt, in unserer Region und in unserem ganzen Land“

Foto: Fredrik von Erichsen

Chiara Passoni arbeitet in dem Eisladen ihrer Familie. Sie sagt: „In jeder Familie ist mindestens eine Person an Corona gestorben. Auch ich habe meine Großmutter verloren – ich vermisse sie sehr.“

Chiara Passoni arbeitet in dem Eisladen ihrer Familie. Sie sagt: „In jeder Familie ist mindestens eine Person an Corona gestorben. Auch ich habe meine Großmutter verloren – ich vermisse sie sehr“

Foto: Fredrik von Erichsen

„Die Menschen sind immer noch traumatisiert. Wir haben auch einen psychologischen Dienst im Krankenhaus eingerichtet, der auch immer noch verfügbar ist. Es gibt immer noch einige Wunden, die geheilt werden müssen“, erzählt Dr. Cosentini.

Insgesamt hat die Provinz Bergamo rund 1,1 Millionen Einwohner, 6000 Menschen sind hier an Covid-19 gestorben. Zum Vergleich: Die Stadt Köln ist ähnlich groß, verzeichnet bis heute knapp 550 coronabedingte Todesfälle.

Auch heute arbeitet das Krankenhauspersonal nur mit Schutzkleidung. Es liegen immernoch einige Corona-Patienten auf der Intensivstation, jedoch fast zehnmal weniger als noch vor einem Jahr

Auch heute arbeitet das Krankenhauspersonal nur mit Schutzkleidung. Es liegen noch immer einige Corona-Patienten auf der Intensivstation, jedoch fast zehnmal weniger als noch vor einem Jahr

Foto: MIGUEL MEDINA/AFP

Drei Dinge habe das Krankenhaus aus der schlimmen Zeit im März 2020 jedoch gelernt, erzählt Dr. Cosentini: „Wir haben so viel durchgestanden und dazugelernt, unter anderem, dass wir nicht bescheiden sein brauchen. Auch wissen wir jetzt, wie wir uns in Zukunft auf solche Situationen vorbereiten. Wir würden jetzt zum Beispiel mehr Leute schneller aus dem Krankenhaus entlassen, wenn man nochmal in so einer Situation ist, damit es nicht wieder überfüllt.“

Weiter: „Und das Dritte, das wir gelernt haben, ist die Dankbarkeit. Obwohl wir in der schlimmsten Situation im März 2020 waren, waren wir als Krankenhauspersonal dankbar, dass wir Leuten helfen konnten. Und nicht nur, dass wir den Leuten helfen durften: Wir waren auch dankbar für jeden Kollegen auf der ganzen Welt, der uns selbst geholfen hat. Das war total schön, und wir waren stolz, im Gesundheitssystem zu arbeiten.“

Dr. Roberto Cosentini arbeitet als Chefarzt auf der Notfallstation im Krankenhaus in Bergamo. Auch er hat im März 2020 die vielen Corona-Patienten behandelt

Dr. Roberto Cosentini arbeitet als Chefarzt auf der Notfallstation im Krankenhaus in Bergamo. Auch er hat im März 2020 die vielen Corona-Patienten behandelt

Foto: BILD

40 Prozent der Einwohner waren infiziert

In Bergamo sind die Menschen noch sehr vorsichtig, warnen vor Leichtsinn. Obwohl 40 Prozent der Einwohner nachweislich mit dem Coronavirus infiziert waren, ist eine Herdenimmunität in der Region noch nicht zweifelsfrei bewiesen.

Bergamo ist mittlerweile in der „gelben Zone“ – Restaurants dürfen bis 18 Uhr öffnen, Geschäfte bis 20 Uhr. So versucht die Region, ein Stück Normalität wiederzubekommen

Bergamo ist mittlerweile in der „gelben Zone“ – Restaurants dürfen bis 18 Uhr öffnen, Geschäfte bis 20 Uhr. So versucht die Region, ein Stück Normalität wiederzubekommen

Foto: Fredrik von Erichsen

Aktuell wird überprüft, inwiefern die Behörden für den starken Ausbruch des Virus verantwortlich waren, was falsch gelaufen ist. Die meisten Bürger wollen aber nach vorne schauen und hoffen, dass die Pandemie schnell auf der ganzen Welt ein Ende nimmt.

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