§ 2.
1) Zunächst wird untersucht, warum das Feuer so oft als Sinnbild für die Eigenschaften der Engel verwendet wird: feurige Räder, feurige Lebewesen, feurige Männer, feurige Throne, feurige Seraphim u. s. w. 2) Das Feuer bezeichnet den höchsten Grad der Gleichförmigkeit mit Gott, weil auch die Eigenschaften Gottes in der heiligen Schrift vielfach mit den Eigenschaften des Feuers verglichen werden. Deren werden sechsunddreißig aufgezählt, ohne sie erschöpfen zu wollen.
Wir müssen aber die Rede beginnen und im Eingang unserer Erläuterung der Typen untersuchen, warum, wie sich herausstellt, die Offenbarung Gottes vor allen andern gerade das vom Feuer entlehnte heilige Bild bevorzugt. Du wirst wenigstens finden, daß sie nicht bloß feurige Räder schildert 1, sondern auch feuerglühende Lebewesen 2 und Männer, die gleichsam von Blitzen zucken 3, daß sie sogar um die himmlischen Wesen her Haufen feuriger Kohlen 4 und lodernde Feuerströme mit unermeßlichem Rauschen 5 anbringt. Auch von den Thronen sagt sie, daß sie feurig seien und selbst bei den höchsten Seraphim deutet sie durch den Namen an, daß sie feurig erglühen und legt ihnen die Eigenart und Wirkung des Feuers bei 6. Überhaupt liebt sie allerorts die vom Feuer hergenommene bildliche Darstellung in vorzüglichem Grade. Meine Ansicht ist nun, daß das Charakteristische des Feuers die größte Gottähnlichkeit der himmlischen Geister andeute. Denn die heiligen inspirierten Schriftsteller schildern die überwesentliche und gestaltlose Wesenheit vielfach im Bilde S. 77 des Feuers, weil dieses, (wenn man so sagen darf), von der urgöttlichen Eigentümlichkeit viele Abbilder im Sichtbaren darbietet. Das sinnlich wahrnehmbare Feuer ist nämlich sozusagen in allen Dingen und durchdringt unvermischt alle und ist allen entrückt. Während es ganz Licht und zugleich verborgen ist, ist es an und für sich unerkennbar, wenn ihm nicht ein Stoff vorgelegt wird, an dem es seine eigentümliche Wirkung offenbaren kann. Es ist unbezwingbar und unerkennbar, Herr über alles und zieht alles, woran es kommt, in seine eigene Wirkung hinein. Es hat die Kraft zu verwandeln, sich allem mitzuteilen, was irgendwie in seine Nähe kommt, mit seiner feurig belebenden Wärme zu verjüngen, mit seinen unverhüllten Strahlungen zu erleuchten, unbesiegt, unvermischt, zertrennend, unveränderlich, aufwärts steigend, scharf durchdringend, hochgehend, keinerlei Niedersinken zum Boden duldend, immer beweglich, selbstbewegt, anderes bewegend, umfassend, selbst nicht umfaßt, keines andern bedürftig, unvermerkt sich selbst vergrößernd, an den aufnahmsfähigen Stoffen seine gewaltige Größe zeigend, wirksam, mächtig, allem unsichtbar gegenwärtig. Wenn man sich nicht darum bemüht, scheint es nicht da zu sein, über dem Reiben aber flammt es, gleichwie wenn es sich suchen ließe, seiner Natur und Eigenart entsprechend plötzlich auf und entflattert hinwieder ohne Bleibens, unvermindert bei all seinen allbeglückenden Mitteilungen. Noch viele andere Eigentümlichkeiten des Feuers möchte einer ausfindig machen, insofern sie in sinnlichen Bildern der urgöttlichen Wirksamkeit entsprechen 7. Da nun die Gotteskundigen das wissen, so kleiden sie die himmlischen Wesen in vom Feuer entlehnte Formen und S. 78 offenbaren so deren Gottähnlichkeit und Bestreben, nach Möglichkeit Gott nachzuahmen 8.
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Dan. 7, 9. ↩
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Ezech. 1, 13. ↩
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Matth. 28, 3. ↩
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Ezech. 10, 2. 6. 7. ↩
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Dan. 7, 10. Den ausschmückenden Zug „mit unermeßlichem Rauschen“ hat D. in den heiligen Text eingetragen. ↩
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Js. 6, 6. 7. (vgl. oben Kap. VII, 1 und Kap. XIII, 3). ↩
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Diese ausgiebige Betrachtung der Eigenschaften des Feuers mag darin ihren Grund haben, daß die Neuplatoniker (Plotin Ennead. 1, 6, 3) das Feuer unter den „vier Elementen“ am höchsten stellen. Zugleich dürfte aber der Hinweis auf Isidor v. Pel. Epp. 4, 66 (M. s. gr. 78, 1124) am Platze sein wo die Frage beantwortet wird: „Warum alle göttlichen Dinge mit dem Namen des Feuers bezeichnet werden.“ D. scheint die kurzen Andeutungen daselbst zum Ausgangspunkt seiner Studie gemacht zu haben. ↩
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Eine aszetisch-mystische Anwendung s. bei Dionys dem Karthäuser im Kommentar zur Stelle. ↩