Kommentar zur Tafel :
Was Merkel nicht wahrhaben will

Jasper von Altenbockum
Ein Kommentar von Jasper von Altenbockum
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Ein beschmierter Wagen der Essener Tafel
Der Fall der Essener Tafel zeigt: Angela Merkels Flüchtlings- und Einwanderungspolitik endet in vielen deutschen Stadtvierteln in Verunsicherung, Verdrängung, Verlust, Ungerechtigkeit, Abstieg, Angst.

Was der „Essener Tafel“ widerfährt, zeigt im Kleinen, was seit geraumer Zeit in Deutschland aus dem Ruder läuft. Der Druck, der durch Migration und Integration entsteht (in Wahrheit kann von Integration bestenfalls in Generationen die Rede sein), wird so lange nach unten weitergegeben, bis die Konflikte nicht mehr unter den Teppich gekehrt werden können. So kam „Köln“, so kamen die „Clans“, so kam jetzt die Tafel, und in den kosmopolitischen Kreisen der Republik herrscht großes Erstaunen, was sich da unten alles tut. Statt aber das eigene Weltbild zu kontrollieren, ist die Reaktion die übliche: Auch in den Tafeln, die soziale Brennpunkte bedienen, müssen „Nazis“ am Werk sein, herrscht „Ausländerhass“. So reden Sozialdemokraten wie Karl Lauterbach, die sich nicht wundern sollten, warum die SPD in der Krise steckt.

Worin besteht also dieser „Ausländerhass“? In der Essener Tafel hatten sich alte Stammkunden – die Rede ist unter anderem von alleinerziehenden Müttern und Rentnern – nicht mehr sehen lassen, seitdem der Anteil ausländischer Bedürftiger stark gestiegen war. Sie blieben nicht weg, weil sie ausländerfeindlich sind, sondern weil sie verdrängt wurden, unter anderem von robust auftretenden jungen Männern. Die Tafel zog die Notbremse: Neu registrieren durften sich nur Bedürftige mit deutschem Pass, die bisher registrierten Ausländer dürfen aber weiter kommen. Es ist also das, was auf nationaler Ebene lange Zeit wie Teufelswerk behandelt wurde: eine Verschnaufpause in der Einwanderungspolitik. Was in aller Welt ist daran „Nazi“?

Die Kanzlerin hat die Sache mit dem „Druck“ verstanden. Das geht aus einer Mitteilung hervor, die ansonsten aber ganz im 2015-Ton gehalten ist. „Das ist nicht gut“, wie die Tafel das Problem handhabe, schreibt Merkel, ohne einen Tipp zu geben, wie man es denn besser machen könnte. Das muss die Kanzlerin auch gar nicht, weil es sich um eine gemeinnützige Einrichtung handelt, aus der sich der Staat heraushalten sollte.

Es war aber auch deshalb nicht nötig, weil spätestens diese Mitteilung offenbart, was längst vermutet wurde – dass Merkel einfach nicht wahrhaben will, womit die von ihr ganz persönlich betriebene Flüchtlings- und Einwanderungspolitik in vielen Stadtvierteln dieser Republik endet: in Verunsicherung, Verdrängung, Verlust, Ungerechtigkeit, Abstieg, Angst. Ja, es gibt zweifellos auch gute Seiten. Aber wann endlich nimmt Merkels Tafel die Schattenseiten wahr?