(Rom) Wann immer Papst Franziskus ein anderes Land besucht, gehört ein Fixpunkt zum Reiseprogramm: ein Treffen mit der örtlichen Jesuitengemeinschaft. Der Inhalt seiner Gespräche mit den Jesuiten von Mosambik und Madagaskar (auf Mauritius gibt es keine) wurden nun veröffentlicht. Franziskus äußerte sich dabei höchst abschätzig über konservative und traditionalistische Seminaristen und sagte von sich selbst, von Dämonen „umsessen“ zu sein.
Der Ablauf dieser Begegnungen erfolgt jeweils nach demselben, festen Muster. Die Treffen werden vom Heiligen Stuhl als „privat“ eingestuft und finden unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt. Franziskus hält seinen Ordensmitbrüdern keine Ansprache, sondern antwortet auf ihre Fragen.
In einem zweiten Moment, meist nach einigen Wochen, wird der Inhalt der Gespräche von P. Antonio Spadaro, selbst Jesuit und einer der ständigen Begleiter von Franziskus bei Auslandsreisen, in der römischen Jesuitenzeitschrift veröffentlicht.
Am 5. September traf sich Franziskus in Mosambik mit einer Gruppe von 24 Jesuiten. Drei von ihnen kamen aus Simbabwe und einer aus Portugal. Die Ende 2014 errichtete Jesuitenprovinz Mosambik-Simbabwe zählt 163 Ordensangehörige, von denen 90 sich in der Ausbildung befinden.
Am 8. September folgte auf Madagaskar die Begegnung mit 200 der insgesamt 260 Angehörigen der dortigen Ordensprovinz, die 1971 errichtet wurde.
Die Aufmerksamkeit soll an dieser Stelle auf die Antworten des Papstes gelenkt werden, die er in Mosambik gab. Dort kritisierte Franziskus die „Fremdenfeindlichkeit“ und den „Klerikalismus“. Ihm hielt das Kirchenoberhaupt eine „Souveränität des Volkes Gottes“ entgegen. Der Gedanke wurde nicht weiter ausgeführt, erinnerte jedoch an eine Übertragung demokratischer und staatsrechtlicher Vorstellungen vom Staatsrecht auf das Kirchenrecht vom Volk als Souverän. Würden demnach die Kleriker den gewählten Volksvertretern entsprechen die auf kommunaler, Landes‑, Bundes- und EU-Ebene gewählt werden? Der in der Antwort von Franziskus auf die Frage von P. Joaquim Biriate, Sekretär des Provinzials, aufflackernde Kirchenverständnis wirft zahlreiche, grundsätzliche Fragen mit weitreichenden Folgen auf.
Einige Auszüge aus der Antwort an P. Biriate:
„Habt Ihr jemals junge Priester in schwarzen Soutanen gesehen? Die haben ernste Probleme!“
P. Joaquim Biriate: „Wie kann es vermieden werden, im Laufe der Priesterausbildung in den Klerikalismus zu fallen?“
Papst Franziskus: Der Klerikalismus ist eine wahre Perversion in der Kirche. Der Hirte hat die Möglichkeit, der Herde voranzugehen, um den Weg zu weisen, inmitten der Herde zu sein, um zu sehen, was in ihr passiert, und auch hinter der Herde zu sein, um sicherzustellen, daß niemand zurückgelassen wird. Der Klerikalismus dagegen verlangt, daß der Hirte immer vorne ist, die Route festlegt und mit der Exkommunikation bestraft, wer sich von der Herde entfernt. Kurz gesagt: Er ist das genaue Gegenteil von dem, was Jesus getan hat. Der Klerikalismus verurteilt, spaltet, geißelt und verachtet das Volk Gottes. […]
Der Klerikalismus hat als direkte Konsequenz die Starrheit. Habt Ihr jemals junge Priester in schwarzen Soutanen und mit Hüten in der Form des Planeten Saturn auf dem Kopf gesehen? Eben: Hinter dem ganzen, starren Klerikalismus stecken ernsthafte Probleme! Ich mußte kürzlich in drei Diözesen intervenieren wegen Problemen, die sich in diesen Formen der Starrheit äußerten, die Unausgeglichenheit und moralische Probleme verstecken.
Ein so irrational abschätziger Ton war bisher gelegentlich von manchen Priestern zu hören. Nun ist es der Papst selbst, der sich so verächtlich und im Zusammenhang mit schweren Unterstellungen äußert. Neu ist diese Haltung von Franziskus allerdings nicht.
Und noch ein Ausschnitt aus der päpstlichen Antwort auf die gestellte Frage:
Eine der Dimensionen des Klerikalismus ist die ausschließliche, moralische Fixierung auf das Sechste Gebot. Einmal sagte mir ein Jesuit, ein großer Jesuit, ich solle vorsichtig sein, wenn ich die Absolution erteile, denn die schwersten Sünden sind diejenigen, die eine größere „Engelhaftigkeit“ haben: Stolz, Arroganz, Herrschsucht… Und die weniger schweren sind diejenigen, die geringere „Engelhaftigkeit“ haben wie Völlerei und Wollust. Wir konzentrieren uns auf Sex und legen dann kein Gewicht auf soziale Ungerechtigkeit, Verleumdung, Klatsch und Lüge. Die Kirche braucht heute in diesem Punkt eine tiefgreifende Umkehr.
„Der Papst ist (von Dämonen) sehr umsessen“?
Bei der Begegnung in Mosambik bat P. Alfonso Mucane, Pfarrer von St. Ignatius im Bistum Tete, den Papst um einige Gedanken über das Gebetsapostolat, das sich jetzt Weltgebetsnetz des Papstes nennt und seit 175 Jahren aktiv ist.
Papst Franziskus: Ich denke, wir müssen den Menschen das Fürbittgebet beibringen, das ein Gebet des Mutes und der Parrhesie ist. Denken wir an Abrahams Fürsprache für Sodom und Gomorra. Denken wir an Moses Fürsprache für sein Volk. Wir müssen den Menschen helfen, öfter Fürbitte zu halten. Und wir müssen es selbst mehr tun. Dem Weltgebetsnetz des Papstes, wie es jetzt heißt, geleitet von P. Fornos, geht es sehr gut. Es ist wichtig, daß die Menschen für den Papst und seine Anliegen beten. Der Papst ist versucht, er ist sehr umsessen: Nur das Gebet seines Volkes kann ihn befreien, wie wir in der Apostelgeschichte lesen. Als Petrus inhaftiert war, betete die Kirche ununterbrochen für ihn. Wenn die Kirche für den Papst betet, ist das eine Gnade. Ich habe wirklich ständig das Bedürfnis, um das Almosen des Gebets zu bitten. Das Gebet des Volkes stützt.
Der Papst gebrauchte zur Schilderung seines Zustandes, das Verb „assediare“ (belagern) in der Passivform, die im Deutschen mit den Hilfsverben sein oder werden wiedergegeben werden kann. In Kombination mit dem päpstlichen Verweis auf „Befreiung“, besteht kein Zweifel, daß Franziskus von Dämonen und Befreiungsgebet sprach. In diesem Kontext meint das italienische Verb „assediare“ im Deutschen den Zustand der Umsessenheit. In der Dämonologie bezeichnet mit Umsessenheit den Zustand, wo Dämonen vom Betroffenen noch nicht Besitz ergriffen haben, ihn aber bedrängen – sehr bedrängen wie Franziskus keinen Mitbrüdern sagte.
Auch das sind ungewöhnliche Worte aus dem Mund eines Papstes.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: La Civiltà Cattolica (Screenshot)