Mainz (dpa/lrs) - Bei 15 Begegnungen mit Schülerinnen und Schülern im Bistum Mainz hat der Zeitzeuge Ignacy Golik von seiner Gefangenschaft im NS-Vernichtungslager Auschwitz berichtet - am Mittwoch feierte er seinen 100. Geburtstag. "Er lebt mit seiner Frau in Warschau, ist geistig nach wie vor rege und als ehemaliger Journalist weiterhin sehr interessiert an allen politischen Ereignissen", sagte Alois Bauer von der Geschäftsstelle Weltkirche/Gerechtigkeit und Frieden des Bischöflichen Ordinariats in Mainz.

Zuletzt war Golik im Mai 2019 zu Gesprächen mit Jugendlichen im ehemaligen Kloster Jakobsberg bei Ockenheim (Kreis Mainz-Bingen). Eine andere Zeitzeugin begrüßte er damals mit den Worten: "Ich lebe noch!"

Nach dem Überfall deutscher Truppen auf Polen und der Besetzung von Warschau engagierte sich Golik im Widerstand. Am 12. Januar 1941 wurde er im Alter von 19 Jahren von der Gestapo verhaftet und nach Auschwitz deportiert. Golik berichtete über seine Eindrücke bei der Ankunft, er habe damals gedacht: "Ich bin ein Schlitzohr aus der Warschauer Vorstadt, ich bin jung und schlau, ich werde es schon irgendwie überstehen." Im November 1944 wurde er ins Konzentrationslager Sachsenhausen und dann nach Barth, ein Nebenlager des Konzentrationslagers Ravensbrück, verlegt. Nach Zwangsarbeit für den Flugzeughersteller Heinkel wird er schließlich zu einem Fußmarsch in Richtung Rostock gezwungen und kann sich bei einem sowjetischen Luftangriff in die Freiheit absetzen.

Nach dem Krieg half Golik 1964 als Zeuge beim Frankfurter Auschwitz-Prozess bei der Identifizierung von SS-Offizieren, die in Auschwitz eingesetzt waren. Er arbeitete 40 Jahre als Reporter bei Warschauer Zeitungen. Im Jahr 2006 begann Ignacy Golik damit, als Zeitzeuge Jugendlichen im Bistum Mainz über seine Erfahrungen zu berichten.

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Audio-Aufnahme der Zeugenaussage von Ignacy Golik beim Frankfurter Auschwitz-Prozess