Wie eine Kampagne rechter Propagandisten Österreichs Ausstieg aus dem Migrationspakt beeinflusste

Aktivisten und Medien am rechten Rand haben in Österreich gegen den Uno-Migrationspakt getrommelt. Die Regierung übernimmt ihr Narrativ.

Meret Baumann, Wien
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Beim Migrationspakt der Uno unterschiedlicher Meinung: Österreichs Kanzler Sebastian Kurz, Vizekanzler Heinz-Christian Strache und Bundespräsident Alexander Van der Bellen (von links nach rechts). (Bild: Ronald Zak / AP)

Beim Migrationspakt der Uno unterschiedlicher Meinung: Österreichs Kanzler Sebastian Kurz, Vizekanzler Heinz-Christian Strache und Bundespräsident Alexander Van der Bellen (von links nach rechts). (Bild: Ronald Zak / AP)

In einer seiner seltenen innenpolitischen Interventionen hat sich am Freitag Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen zum am Mittwoch von der Regierung beschlossenen Rückzug aus dem Uno-Migrationspakt geäussert. Grosse Herausforderungen wie die Migration könnten nicht auf nationalstaatlicher Ebene allein gelöst werden, schreibt das Staatsoberhaupt in seiner Stellungnahme. Er begrüsse deshalb «den von Österreich mitausverhandelten» Migrationspakt, der keine bindende Wirkung entfalte, aber zahlreiche vernünftige Vorschläge enthalte. Van der Bellen gibt seiner Sorge um das Ansehen und die Glaubwürdigkeit Österreichs Ausdruck und fordert die Regierung auf, ein gutes Gesprächsklima mit den internationalen Partnern aufrechtzuerhalten.

Applaus für den Ausstieg gibt es dafür von anderer Seite. Martin Sellner, der Chef der rechtsextremen Identitären Bewegung Österreich, bejubelt den Entscheid auf Twitter und spricht in unzähligen Postings von einem Sieg der «Aufklärungskampagne» der Identitären, die auch in Deutschland und anderen europäischen Ländern existieren. Sowohl in Deutschland wie in Österreich wird die Bewegung vom Verfassungsschutz beobachtet. Sie macht seit Wochen Stimmung gegen das globale Rahmenabkommen.

Bereits Mitte September rief Sellner in einem Youtube-Video zum Widerstand auf, besiegle der Pakt doch den «Untergang der europäischen Völker». Interessanterweise erklärte Sellner in dem professionell gemachten Film, dass das Abkommen eine weltweite Personenfreizügigkeit festsetze – exakt dieses Argument führt derzeit die SVP in der Schweiz gegen den Pakt ins Feld. Sellner sprach weiter von einem Todesurteil für die nationalstaatliche Souveränität und die Demokratie. Er lancierte mit dem Video eine Petition gegen den Migrationspakt und kündigte einen «Info-Krieg» an, um diesen so bekannt zu machen wie Coca-Cola.

Erfolg für die FPÖ

In Österreich hatte er willige Helfer. Die rechte Plattform «Wochenblick» berichtete bald über die Petition – unter dem Titel «Der Widerstand wächst». Anfang Oktober appellierte der Chefredaktor des Portals an Bundeskanzler Sebastian Kurz, den Vertrag nicht zu unterzeichnen (es handelt sich allerdings nicht um einen völkerrechtlichen Vertrag; an der Konferenz im Dezember in Marokko werden auch keine Staats- oder Regierungschefs anwesend sein). Der «Wochenblick» betont zwar stets die eigene Unabhängigkeit, das Magazin «Profil» zeigte aber schon vor zwei Jahren auf, dass zahlreiche Redaktoren einen Bezug zur FPÖ haben.

Auch inhaltlich ist die Nähe offensichtlich, und von der FPÖ geführte Ministerien schalten regelmässig Inserate. Zudem teilt der FPÖ-Vorsitzende und Vizekanzler Heinz-Christian Strache immer wieder Beiträge des Portals auf seinen Facebook-Seiten, mit denen er Hunderttausende von Fans erreicht. Österreichs Presserat kam allerdings zur Einschätzung, dass das Portal «mit professionellem und verantwortungsvollem Journalismus nichts gemein» habe. Die Kampagne gegen den Migrationspakt griff rasch die Plattform «Unzensuriert» auf, ebenfalls ein Medium mit unbestrittener Nähe zur FPÖ. Schliesslich stimmte auch das Massenblatt «Kronen-Zeitung» in den Alarmismus ein.

Bereits Ende September erklärte Strache, die FPÖ lehne das Abkommen ab. Das Kanzleramt hielt sich zunächst bedeckt. Noch vor drei Wochen sprach Kurz davon, Vorbehalte anbringen zu wollen, wie es auch die Schweiz getan hatte. Dass sich Österreich nun ganz zurückzieht, ist unbestritten ein Erfolg für die FPÖ, was diese auch durchblicken lässt. Ein in dieser Form ungeahnter Triumph ist es aber auch für Sellners Kampagne, zumal die Regierung in ihrer Argumentation deren Schlagworte übernimmt. Obwohl im Pakt mehrmals die Souveränität der Staaten festgehalten wird, wiederholen Kanzler und Vizekanzler, Österreich müsse weiterhin selbst über Zuwanderung entscheiden können.

Entsprechend dem Narrativ der Identitären ist zudem von einem Menschenrecht auf Migration die Rede, was selbst die bürgerliche Zeitung «Die Presse» in ihrem Leitartikel vom Freitag als Propagandalüge geisselt. Völkerrechtler schliessen zudem auch aus, dass der Pakt so bald zu verbindlichem Völkergewohnheitsrecht werden könnte, wie die Regierung befürchtet. Dafür brauche es jahrzehntelange Praxis und einen Konsens, was nicht absehbar sei.