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Causa McCarrick: Späte Gerechtigkeit

Der frühere Kardinal Theodore McCarrick ist das prominenteste Gesicht des US-Missbrauchsskandals. Nun muss er sich vor einem weltlichen Gericht verantworten.
McCarrick wird der Prozess gemacht
Foto: Andrew Medichini (AP) | McCarrick hatte sich Medienberichten zufolge nie konsequent auf ein Leben in Buße und Zurückgezogenheit eingelassen.

Im Kampf gegen Missbrauchsfälle in Kirchenkreisen bahnt sich in den Vereinigten Staaten ein Durchbruch an. Nach zwanzig schier endlosen Jahren, in denen die Gläubigen mit immer neuen Schreckensmeldungen über Missetaten katholischer Geistlicher konfrontiert wurden, muss sich das prominenteste Gesicht des Skandals vor einem weltlichen Gericht verantworten.

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Anhörung Ende August

Für den 26. August ist die Anhörung des früheren Kardinals Theodore McCarrick wegen des Vorwurfs der Nötigung und des sexuellen Missbrauchs an einem Minderjährigen im Jahr 1974 vor einem Gericht im Bundesstaat Massachusetts anberaumt. Auch wenn Papst Franziskus den früheren Erzbischof von Washington bereits aus dem Kardinalsstand entlassen und in den Laienstand versetzt hat, hat der Prozess Signalwirkung. Der umtriebige 91-Jährige hatte sich Medienberichten zufolge nie konsequent auf ein Leben in Buße und Zurückgezogenheit eingelassen. Im Unterschied zu einem Diözesanpriester braucht er als Laie auch niemandem mehr Auskunft über seinen Aufenthaltsort zu geben.

Dass der Bundesstaat New York inzwischen die Verjährungsfrist für sexualisierte Gewalttaten aufgehoben hat, könnte nicht nur dem mutmaßlichen Opfer zugute kommen. Auf der Linie dieses Verfahrens dürften sich auch in anderen Fällen Türen öffnen, die Gerechtigkeit widerfahren lassen.

Dass McCarrick vor Gericht erscheint, ist keineswegs wahrscheinlich. Aufgrund seines Alters könnte ein Attest ihm den Unbill eines Medienhypes vom Hals schaffen. Bestenfalls wird der Prozess ein Anstoß zur Gewissenserforschung für einen alten Mann, der bisher keine glaubhaften Zeichen der Reue erkennen lässt, aber seinem ewigen Richter einst Rechenschaft ablegen für sein Leben muss. Noch ist es dafür nicht zu spät.

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