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"Bild"-Chefredakteur Reichelt: Missbrauch? Verleger stoppte kritischen Bericht


Recherche über Missstände
Verleger stoppte kritischen Bericht über "Bild"-Chefredakteur

Von t-online, lr, ne, NoS

Aktualisiert am 18.10.2021Lesedauer: 3 Min.
Julian Reichelt: Neue Details sollten über den "Bild"-Chef veröffentlicht werden – doch der Verleger Dirk Ippen verhinderte das.Vergrößern des BildesJulian Reichelt: Neue Details sollten über den "Bild"-Chef veröffentlicht werden – doch der Verleger Dirk Ippen verhinderte das. (Quelle: Jörg Schüler/imago-images-bilder)
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Die "New York Times" sorgt mit einer Recherche über den Axel-Springer-Verlag für Aufruhr in der deutschen Medienbranche. Es geht um Vorwürfe gegen "Bild"-Chefredakteur Julian Reichelt – und Verleger Dirk Ippen, der einen kritischen Bericht verhinderte.

"Bild"-Chefredakteur Julian Reichelt sieht sich bereits seit Monaten mit Anschuldigungen des Machtmissbrauchs konfrontiert. Nun legt die "New York Times" mit einem Report nach. Das US-Medium zeichnet dabei das Bild eines toxischen Arbeitsklimas im Axel-Springer-Verlag, zu dem "Bild" gehört, und veröffentlicht weitere Details über eine Beziehung Reichelts zu einer jüngeren Kollegin.

Doch auch einen anderen großen deutschen Medienverlag stellt der Bericht in ein schlechtes Licht: Verleger Dirk Ippen stoppte laut "NY Times" kurz vor der geplanten Veröffentlichung eine kritische Recherche über "Bild"-Chefredakteur Reichelt. Das Investigativteam der Ippen-Verlagsgruppe, zu der unter anderem "Münchner Merkur" und "Frankfurter Rundschau" gehören, hatte zuvor monatelang zu den Missständen und dem mutmaßlichen Machtmissbrauch gegenüber Frauen recherchiert.

Investigativteam veröffentlicht Protestschreiben

Ippen soll aber schließlich sein Veto eingelegt haben. Die Reporter seines Verlages reagierten empört, ein Protestschreiben ist inzwischen öffentlich geworden. Darin heißt es, das Investigativteam sei schockiert über die Entscheidung, da die Recherche "redaktionell und juristisch über Monate abgestimmt wurde". Die Entscheidung widerspreche "allen Regeln der unabhängigen Berichterstattung".

Pikant sei vor allem, dass weder juristische noch redaktionelle Gründe genannt worden seien. Da die Recherchen Machtmissbrauch aufdecken, sei das öffentliche Interesse besonders hoch. "Die Entscheidung ist eine absolute Verletzung des Grundsatzes der Trennung von Redaktion und Verlag. Wir fühlen uns dadurch in unserer Arbeit als Investigativteam beschnitten", so die Redakteure. Für die Recherche seien "Hunderte Dokumente recherchiert und die Belege in umfangreichen Faktenchecks" besprochen worden.

Auch der Deutsche Journalistenverband (DJV) kritisiert die Entscheidung der Ippen-Gruppe. Sollten die Vorwürfe stimmen, wäre "ein solcher Eingriff nach Gutsherrenart völlig inakzeptabel", so DJV-Bundesvorsitzender Frank Überall in einer Mitteilung. "Verleger haben grundsätzlich die Finger von redaktionellen Entscheidungen zu lassen." Die Bundesvorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju), Tina Groll, nannte die Vorwürfe einen "schwerwiegenden Eingriff in die Pressefreiheit".

Der Ippen-Verlag begründete den Beschluss am Montag damit, dass man den Eindruck vermeiden wolle, einem Wettbewerber wie Springers Boulevard-Zeitung "Bild" wirtschaftlich schaden zu wollen. Verleger Dirk Ippen habe klar das Recht, Richtlinien für seine Medien vorzugeben. Eine Beeinflussung durch Springer habe es nicht gegeben.

"Mutig gegen den neuen DDR-Autoritätsstaat"

So ist es nun die "New York Times", die über weitere Missstände bei "Bild" berichtet. Im Artikel geht es vor allem um ein fragwürdiges Arbeitsklima. Die Arbeitsplatzkultur vermische "Sex, Journalismus und Firmengeld", so Autor Ben Smith. Exemplarisch wird der Fall einer anonymen "Bild"-Redakteurin geschildert, die nach eigenen Angaben infolge einer Affäre mit Chefredakteur Reichelt befördert worden sei. Eine Sprecherin des Springer-Verlages sagte der "NY Times", die Aussage der Frau enthalte "falsche Tatsachenangaben".

Im Frühjahr musste Reichelt sich bereits nach ähnlichen Enthüllungen von "Spiegel" und "Zeit" einem Compliance-Verfahren stellen. Im Anschluss an die Untersuchung durch eine externe Anwaltskanzlei kehrte er nach einer kurzen Pause jedoch wieder in seinen Job zurück.

Auch der Springer-Vorstandsvorsitzende Mathias Döpfner spielte im Umgang mit dem Fall Reichelt offenbar eine wichtige Rolle. Die "New York Times" zitiert eine Nachricht Döpfners an einen Freund. Darin schreibt er, man müsse "besonders vorsichtig sein", weil Reichelt "wirklich der letzte und einzige Journalist in Deutschland" sei, "der noch mutig gegen den neuen DDR-Autoritätsstaat rebelliert". Reichelt habe "mächtige Feinde".

Auf Anfrage von t-online hat sich ein Unternehmenssprecher von Axel-Springer zu den Vorwürfen in der "NY Times" geäußert: "Mit Wissen von Axel Springer gab es keinen Versuch, Veröffentlichungen im Zusammenhang mit der Compliance-Untersuchung zu verhindern."

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