Kardinal Zen an die Kardinäle: „Können wir zusehen, wie sie die Kirche in China töten?“

Die ausstehende Antwort von Papst Franziskus


Kardinal Zen übergibt Papst Franziskus im Juli 2019 die Dubia zum jüngsten China-Dokument des Vatikans.
Kardinal Zen übergibt Papst Franziskus im Juli 2019 die Dubia zum jüngsten China-Dokument des Vatikans.

(Rom) Kar­di­nal Joseph Zen, der eme­ri­tier­te Bischof von Hong Kong und graue Emi­nenz der chi­ne­si­schen Unter­grund­kir­che, schlägt mit einem Schrei­ben an alle Kar­di­nä­le der Kir­che Alarm: „In Chi­na wird die Kir­che getötet“. 

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Nach den jüng­sten Ereig­nis­sen in der Volks­re­pu­blik, die sei­ne Beden­ken zum Geheim­ab­kom­men zwi­schen dem Vati­kan und dem kom­mu­ni­sti­schen Regime bestä­tig­ten, hat sich der chi­ne­si­sche Kar­di­nal ent­schlos­sen, sein Schrei­ben zu ver­öf­fent­li­chen. Ver­faßt wur­de es von ihm bereits am ver­gan­ge­nen 27. Sep­tem­ber, Anlaß war der erste Jah­res­tag der Unter­zeich­nung des Geheim­ab­kom­mens im Sep­tem­ber 2018.

Kar­di­nal Zen wen­det sich an die Kar­di­nä­le „im Bewußt­sein, daß das Pro­blem, das ich dar­le­ge, nicht nur die Kir­che in Chi­na betrifft, son­dern die gan­ze Kir­che, und wir Kar­di­nä­le die gro­ße Ver­ant­wor­tung haben, dem Hei­li­gen Vater in der Lei­tung der Kir­che zu helfen“.

Im Zen­trum sei­ner Aus­füh­run­gen steht das vati­ka­ni­sche Doku­ment „Pasto­ra­le Richt­li­ni­en des Hei­li­gen Stuhls zur zivi­len Regi­strie­rung des Kle­rus in Chi­na“ vom 28. Juni 2019, von dem man selt­sa­mer­wei­se bis heu­te offi­zi­ell nicht weiß, von wel­chem Dik­aste­ri­um es her­aus­ge­ge­ben und von wem es unter­zeich­net wur­de, kurz, von dem es ver­ant­wor­tet wird. Da es jedoch im Namen „des Hei­li­gen Stuhls“ auf des­sen offi­zi­el­ler Inter­net­sei­te ver­öf­fent­licht wur­de, trägt letzt­lich – soviel ist klar – Papst Fran­zis­kus die Ver­ant­wor­tung dafür.

Bereits damals kri­ti­sier­te Kar­di­nal Zen:

„Mit dem neu­en Chi­na-Doku­ment könn­te man sogar Apo­sta­sie rechtfertigen“.

Nun alar­miert er sei­ne Mit­brü­der im Kardinalskollegium:

Das Doku­ment „ermu­tigt die Gläu­bi­gen in Chi­na einer schis­ma­ti­schen Kir­che bei­zu­tre­ten (unab­hän­gig vom Papst und unter dem Befehl der kom­mu­ni­sti­schen Partei)“. 

„Bis heute habe ich noch nichts gehört“ von Franziskus

Dann äußert er auch Kri­tik an Papst Franziskus:

„Am 10. Juli [2019] über­gab ich dem Papst mei­ne ‚Dubia‘ [Zwei­fel]. Sei­ne Hei­lig­keit ver­sprach mir, sich dafür zu inter­es­sie­ren, doch bis heu­te habe ich noch nichts gehört.“

Schließ­lich kommt Kar­di­nal Zen auf Kar­di­nal­staats­se­kre­tär Paro­lin zu sprechen:

„Card. Paro­lin sagt: Wenn man heu­te von der unab­hän­gi­gen Kir­che spricht, dür­fe man die­se Unab­hän­gig­keit nicht mehr abso­lut ver­ste­hen, weil in dem Abkom­men die Rol­le des Pap­stes in der Katho­li­schen Kir­che aner­kannt wird.“

Der eme­ri­tier­te Bischof von Hong Kong bezwei­felt jedoch in aller Form, daß sich eine sol­che Fest­stel­lung in dem Abkom­men findet. 

„Im übri­gen: War­um ist die­ses Abkom­men geheim und wur­de nicht ein­mal mir, einem chi­ne­si­schen Kar­di­nal, zur Ansicht gegeben?“

Die „gesam­te Wirk­lich­keit“ seit der Unter­zeich­nung des Abkom­mens, bewei­se, „daß sich nichts geän­dert hat. Im Gegenteil.“

„Die Manipulation“ der Worte von Papst Benedikt XVI.

Der Kar­di­nal­staats­se­kre­tär habe, so Kar­di­nal Zen, aus dem Brief von Bene­dikt XVI. an die chi­ne­si­schen Katho­li­ken vom Mai 2007 einen „völ­lig aus dem Zusam­men­hang geris­se­nen Satz zitiert“, sodaß er das genaue Gegen­teil des gan­zen Absat­zes aussage.

„Die­se Mani­pu­la­ti­on des Den­kens des eme­ri­tier­ten Pap­stes ist ein schwer­wie­gen­der Man­gel an Respekt, ja, eine bekla­gens­wer­te Belei­di­gung der Per­son des so mil­den, noch leben­den Papstes.“

Es las­se ihn „erschau­dern“, daß wie­der­holt erklärt wer­de, die der­zei­ti­ge Linie sei „in Kon­ti­nui­tät mit dem Den­ken des vori­gen Pap­stes“, denn „das Gegen­teil ist wahr“.

Kar­di­nal Zen wird noch deutlicher:

„Ich habe Grund zu glau­ben (und hof­fe, es eines Tages mit Archiv­do­ku­men­ten bewei­sen zu kön­nen), daß das unter­zeich­ne­te Abkom­men das­sel­be ist, das Papst Bene­dikt sei­ner­zeit zu unter­schrei­ben sich gewei­gert hat.“

Der Schluß­satz wen­det sich direkt an die Ange­hö­ri­gen des Kardinalskollegiums:

„Kön­nen wir taten­los zuse­hen, wie die Kir­che in Chi­na getö­tet wird durch jene, die sie vor den Fein­den schüt­zen und ver­tei­di­gen soll­ten?

Auf den Knien fle­hend Euer Bruder

Card. Joseph ZEN, S.D.B.“

Die Haupt­an­kla­ge, die der Kar­di­nal for­mu­liert, rich­tet sich nicht gegen die kom­mu­ni­sti­schen Macht­ha­ber in Chi­na, die er illu­si­ons­los aus eige­ner Erfah­rung kennt. Die Haupt­an­kla­ge rich­tet sich gegen die kirch­li­chen Ver­ant­wort­li­chen für die aktu­el­le Chi­na-Poli­tik. Zur Fra­ge, wer das ist, nahm Papst Fran­zis­kus am 25. Sep­tem­ber 2018 auf dem Rück­flug von Tal­linn (Reval) ein­deu­tig Stel­lung:

„Ich tra­ge die Verantwortung.“

Dem Schrei­ben füg­te Kar­di­nal Zen sei­ne Dubia bei, die er im Juli 2018 Papst Fran­zis­kus über­ge­ben hat­te, ohne bis­her eine Ant­wort dar­auf zu erhalten.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Stilum Curiae

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