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Herforder Ditib-Moscheegemeinde übt Selbstkritik – Ostermann schaltet Staatsschutz ein – mit Video

Gemeindesekretär zu Kindern in Militäruniform: »Das haben wir falsch eingeschätzt«

Herford (WB). »Wir bedauern diesen Vorfall und werden dafür Sorge tragen, dass sich so was nicht wiederholt.« Necati Aydin spricht unumwunden von einem Fehler, den die Ditib-Gemeinde Herford gemacht habe.

unserer Nachrichtenredaktion

Die in Militäruniformen gekleideten Kinder liegen zum Gedenken an gefallene Soldaten unter einer türkischen Flagge: Dieses Foto stand seit dem 2. April bis Mittwoch auf der Facebook-Seite der Ditib-Gemeinde Herford. Im Laufe des Tages wurde es mit anderen Fotos entfernt.
Die in Militäruniformen gekleideten Kinder liegen zum Gedenken an gefallene Soldaten unter einer türkischen Flagge: Dieses Foto stand seit dem 2. April bis Mittwoch auf der Facebook-Seite der Ditib-Gemeinde Herford. Im Laufe des Tages wurde es mit anderen Fotos entfernt.

Das Video, das marschierende Kinder in Militäruniform in der Herforder Ditib-Moschee zeigt, hat am Mittwoch hohe Wellen geschlagen. »Wir haben völlig falsch eingeschätzt, wie diese Aufführung interpretiert werden kann«, sagt Aydin im Gespräch mit dem WESTFALEN-BLATT. Das für die Aufführung zuständige Gemeindemitglied sei kurzfristig schwer erkrankt gewesen, sodass die Aufführung von einer anderen Person

vorbereitet worden sei. »Aufgrund der Kurzfristigkeit konnte bedauerlicherweise die übliche Qualitätskontrolle nicht erfolgen, sodass auch die Gemeinde von der Aufführung überrascht war.« Die auf dem Video zu sehende Darbietung sei »ohne unser Zutun entstanden und findet nicht unsere Zustimmung«, sagt der 41 Jahre alte Aydin, der in Deutschland aufgewachsen ist und einen deutschen Pass hat. »Unsere Gemeinde unterbreitet seit dem Bestehen 1979 in unserer Stadt Herford wertvolle soziale und religiöse Dienste – dies werden wir auch weiterhin tun«, betont er im Namen des Vorstandes.

»Kinder steckt man doch nicht in Uniformen!«

Der Herforder CDU-Kreisvorsitzende Tim Ostermann ist dennoch fassungslos: »Halten Sie dies für integrationsfördernd oder handelt es sich nicht vielmehr um eine Instrumentalisierung der Kinder, die einer Integration absolut abträglich ist?« Diese Frage hatte er bereits vergangene Woche der Ditib-Gemeinde Herford gestellt, nachdem ihm das Video zugespielt worden war. Auf eine persönliche Antwort wartet er bis heute. »Wenn da erwachsene Männer in Uniform stünden, fände ich das auch nicht toll, das wäre aber etwas anderes – hier geht es jedoch um Kinder«, sagt der Christdemokrat. Er ist besorgt, hat das Video dem für politische Straftaten zuständigen Staatsschutz in Bielefeld zugeschickt, »aber nur, um die Beamten zu informieren«. Er gehe nicht davon aus, dass mit dem Gezeigten eine Straftat begangen worden sei.

Allerdings löst auch unter türkischstämmigen Menschen das Video Kopfschütteln aus. »Das ist mehr als grenzwertig. Ich bin fassungslos«, urteilt Mehmet Ali Ölmez, Chef des Bielefelder Integrationsrates. »Kinder steckt man doch nicht in Uniformen!« Diese Art der »nationalistischen Anstachelung« – so beschreibt es die Herforder Lehrerin und Islam-Expertin Birgit Ebel – komme auch in die Schulen. »Und wir müssen dann damit umgehen. Das ist sehr schwierig«, berichtet sie aus ihrem Berufsalltag. Lehrerinnen und Lehrer müssten gezielt geschult werden und viel mehr Hilfen an die Hand bekommen.

Linnemann: »Beispiel für sich verfestigende Parallelgesellschaften«

Der Paderborner CDU-Bundestagsabgeordnete Carsten Linnemann, der immer wieder vor dem wachsenden Einfluss des politischen Islams in Deutschland und Europa warnt, sagte dem WESTFALEN-BLATT am Mittwoch: »Die Bilder wirken auf mich verstörend. Das bedarf dringend weiterer Erklärungen.« Der Unionsfraktionsvize fühlt sich durch den Vorgang in seiner Haltung bestätigt. »Das ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, dass Parallelgesellschaften nicht nur existieren, sondern dass sie sich auch verfestigen«, erklärte Carsten Linnemann.

Ditib ist die türkische Abkürzung für die »Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V.«. Der bundesweite Dachverband etwa 900 türkischer Moscheegemeinden untersteht der Aufsicht des staatlichen Präsidiums für religiöse Angelegenheiten der Türkei, das beim türkischen Ministerpräsidenten in Ankara angesiedelt ist.

Ditib behauptet zwar, politisch neutral zu sein, doch in den Moscheen wird nationalistische Werbung für den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan betrieben. Erdogan richtete am Dienstag einen Appell »an meine Bürger in Europa«. Vor AKP-Abgeordneten forderte er türkischstämmige Bürger in EU-Staaten auf: »Übernehmt persönlich Aufgaben in politischen Parteien und politischen Mechanismen.«

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