Kardinal: „Kirche wächst, wenn Liebe zu Gott wächst“

Zur spirituellen Erneuerung als Basis für die Reformbemühungen in der Kirche hat Kardinal Christoph Schönborn am Abschlusstag der Wiener Diözesanversammlung aufgerufen.

„Wenn die Liebe zu Gott wächst, dann wächst eine Gemeinde, dann ist sie stark und lebendig“, betonte der Wiener Erzbischof am Samstag im Stephansdom.

1.700 Delegierte aus Pfarren, Gemeinschaften und Orden in der Erzdiözese Wien berieten dort seit Donnerstag über die nächsten Schritte des seit zehn Jahren laufenden diözesanen Reformprozesses.

Kardinal Christoph Schönborn bei der Maria-Namen-Feier im Stephansdom 2018

Kathpress/Franz Josef Rupprecht

Kardinal Christoph Schönborn referierte über Perspektiven für die Zukunft

Kleine Gemeinden entlasten

In seinem rund halbstündigen Impuls mit Perspektiven für die Zukunft betonte Schönborn u.a. den Wert des gemeinsamen Priestertums aller Gläubigen oder die Bedeutung der Ökumene auch mit Freikirchen. Auch das gekippte gesellschaftliche Klima beim Thema Migration sprach der Kardinal an.

Dass kleine kirchliche Gemeinden vor Ort auch in Zukunft lebendig bleiben, sei „Kernanliegen“ des Entwicklungsprozesses in der Erzdiözese Wien, betonte der Wiener Erzbischof gleich zum Auftakt mit Blick auf oft geäußerte Ängste vor Pfarrschließungen und „Großpfarren“.

Die kleinen Gemeinden könnten aber nur dann leben, „wenn sie entlastet werden“, sagte Schönborn zu den Delegierten. Es gehe um einen „Weg der Gemeinschaft zwischen Gemeinschaften“ äußerte sich der Kardinal zum Ziel des mitterweile seit zehn Jahren laufenden Erneuerungsprozesses in der Erzdiözese und damit einhergehende Änderungen von Organisationsformen in den Pfarren.

„Über „Tellerrand“ hinausschauen“

„Kirche ist Gemeinschaft“, hob der Kardinal hervor. Gleichzeitig müssten die Gemeinden über ihren „Tellerrand“ hinausschauen. „Sehr oft sind wir die sogenannten Fernstehenden, weil wir selbstgenügsam sind und unter uns bleiben.“

Schönborn schlug den Pfarren u.a. einen „Welcomeservice“ vor, um jene Menschen direkt anzusprechen, die heute neu oder wieder an die Kirche andocken. Außerdem appellierte er zum Offenhalten von Gotteshäusern, auch wenn dort nicht gerade eine Messe stattfindet.

Ausdrücklich rief der Kardinal die Versammelten dazu auf, in Sachen Zukunft der Kirche nicht nur auf den Bischof zu schauen. Er nehme die Aufgabe des Hirtenamts an und bemühe sich, es zu erfüllen, so Schönborn.

„Aber“, wandte er sich an die Delegierten aus Pfarren, Gemeinschaften und Orden, „Jünger sein heißt zuerst: Ich bin bereit. Und ihr macht das und engagiert euch auf vielfältigste Weise.“ Ohne diesen Beitrag engagierter Gläubiger könnten Gemeinden nicht leben, betonte der Wiener Erzbischof. „Ihr seid da, weil ihr glaubt, ihr seid engagiert weil die Kirche euch kostbar ist“, so Schönborn zu den Versammelten.

Teamarbeit in der Gemeindeleitung

Die Priester seiner Diözese rief der Kardinal zur Teamarbeit mit Laien in der Gemeindeleitung auf. Dabei täten sich vor Ort auch manchmal Schwierigkeiten auf, aber „Zusammenarbeit und Vertrauen ist das A und O“. Gleichzeitig dankte der Kardinal den Priestern für ihren Einsatz und würdigte auch die seelsorgliche Arbeit der rund 200 in der Erzdiözese tätigen Diakone.

Schönborn berichtete, dass er erst vor wenigen Tagen 14 verheiratete Männer zu Ständigen Diakone geweiht habe. „Vielleicht eines Tages auch Frauen als Diakone“, fügte der Kardinal unter großem Applaus der Delegierten der Diözesanversammlung hinzu. Es habe Diakoninnen in der Kirche gegeben, in manchen Ostkirchen bis heute, erinnerte Schönborn. „Grundsätzlich ist das offen.“

Ökumene auch mit Freikirchen „unumgänglich“

Er sehe mit Freude die Vielfalt in der Erzdiözese, sagte der Kardinal weiter und nannte explizit die vielen Gläubigen in den rund 30 sogenannten anderssprachigen katholischen Gemeinden der Erzdiözese. „Sie sind nicht Gäste, sie sind Teil der Kirche von Wien“, spielte Schönborn darauf an, dass nach Schätzungen rund jeder fünfte Wiener Katholik anderssprachiger Herkunft ist.

Ein klares Plädoyer legte Schönborn zudem für die Ökumene mit Christen andere Konfessionen ab. „Die Ökumene ist wirklich unumgänglich“, so der Kardinal. Dies gelte trotz mancher Schwierigkeiten auch für die Freikirchen. „Wir können voneinander lernen ohne unsere Identität aufzugeben.“

Kritik an „Wahlkampf gegen Flüchtlinge“

„Caritas und geistliche Erneuerung gehören zusammen“, betonte Schönborn schließlich. Gläubige sollten „aus der inneren Kraft ihrer Beziehung zu Jesus“ heraus, „ganz offen sein für die Not der Menschen“. Er wünsche sich von den Gemeinden, „Aufmerksamkeit für die Wunden der Gesellschaft und in den Herzen der Menschen“, sagte der Kardinal.

Kirche Sankt Elisabeth Wien Wieden

ORF/Martin Cargnelli

Im Pfarrhaus der Sankt Elisabeth Kirche wurden Wohnungen für Flüchtlinge zur Verfügung gestellt

Schönborn dankte in diesem Zusammenhang ausdrücklich all jenen, die sich für Flüchtlinge und Integration einsetzen. Noch 2015 habe es eine Welle der Sympathie und der Willkommenskultur in Österreich gegeben, tausende Menschen aus verschiedensten Teilen der Zivilgesellschaft hätten mitgeholfen. „Das ist gekippt. Heute kann man einen Wahlkampf machen gegen die Migration, gegen die Flüchtlinge“, mahnte Schönborn.

Diese Entwicklung sei eine Realität, der man dennoch in der Kirche das konkrete Engagement für Geflüchtete entgegensetzen müsse. Bischöfe würden oft für ein Schweigen zu diesem Thema kritisiert, dabei täten sie „enorm viel“ - oft aber im Stillen, „weil wir die Erfahrung gemacht haben, dass öffentlicher Druck den Rollladen herunterlässt“, so der Kardinal: „Entscheidend ist das Engagement für Flüchtlinge an der Basis. Das kann oft Situationen retten, wo ein öffentliches Wort es nicht kann.“

Dank via Twitter

Die von Kardinal Schönborn via Twitter verbreiteten Äußerungen zum Thema Flüchtlinge und weibliches Diakon-Amt waren am Samstag beim Abschlusstag der Wiener Diözesanversammlung in Wiener Stephansdom gefallen. Laut kathpress fand Schönborns vorsichtiger Vorstoß für Diakoninnen großen Zuspruch unter den Delegierten.

Sendungsfeier zum Abschluss

Die bereits fünfte Diözesanversammlung im 2008 von Kardinal Schönborn zur Erneuerung und Entwicklung der Diözese gestarteten Prozess „APG2.1“ hatte am vergangenen Mittwoch mit einem vorgeschalteten „Tag der Religionslehrer/innen“ begonnen. Nachdem in den vergangenen Jahren vor allem die Strukturentwicklung im Vordergrund stand - die Schaffung von regionalen pastoralen Räumen zum effizienteren Einsatz der Ressourcen und zur besseren Bildung kleiner Gemeinschaften für das Christsein im Alltag -, stand diesmal die spirituelle Erneuerung im Vordergrund.

Das dreitägige Programm im Stephansdom umfasste u.a. Plenarsitzungen mit „offenem Mikro“, Vorträge, Gebetseinheiten, gemeinsame Gottesdienste und insbesondere Möglichkeiten zum Austausch von Erfahrungen mit missionarischen Projekten. Am Freitag konnten sich die Delegierten bei zahlreichen Workshops über „neue, unerwartete und überraschende“ Beispiele, in denen sich einzelne Pfarrgemeinde auf neue Wege in der Seelsorge eingelassen haben, informieren. Diese sollen sie für ihre weitere Arbeit ermutigen.

Derzeit 140 Entwicklungsräume

Begonnen wurde der Weg der Wiener Diözesanreform mit einem Hirtenbrief von Kardinal Schönborn 2008. Mittlerweile gab es in dem Prozess fünf Diözesanversammlungen.

2012 gab Schönborn als Erzbischof Leitlinien für die strukturelle Erneuerung vor. Sie sehen größere Organisationseinheiten vor, in denen jeweils drei bis fünf Priester im Team mit Laien arbeiten und Laien auch die Leitung von einzelnen Teilgemeinden übernehmen können.

Im November 2015 wurden unter Mitwirkung der Basis alle Pfarren der Erzdiözese Wien in 140 Entwicklungsräume eingeteilt. Sie sind aufgerufen, in Zusammenarbeit neue missionarische Formen und Initiativen zu entwickeln, in denen das Christsein für die Menschen vor Ort relevant wird und die Welt zu einem besseren Ort macht. Die Entwicklungsräume sollen dabei auch immer verbindlichere Formen der pfarrübergreifenden Zusammenarbeit praktizieren.

So gibt es derzeit bereist in zwölf Entwicklungsräumen je eine Pfarre mit Teilgemeinden (Eine Pfarre mit einem Pfarrer, mehreren Priestern sowie mehreren Gemeinden). In weiteren 24 Entwicklungsräumen bestehen Pfarrverbände (Ein Pfarrer, mehrere Priester, mehrere selbstständige Pfarren) und in 25 Entwicklungsräumen gibt es Seelsorgeräume (selbstständige Pfarren mit eigenen Pfarrern, einer davon leitet den Seelsorgeraum).

Nächste Schritte im Frühjahr

Die nunmehr fünfte Diözesanversammlung diente als Standortbestimmung des Erneuerungsprozesses. Anfang 2019 folgen ein Treffen der Vikariatsräte mit Kardinal Schönborn und eine Dechanten-Klausur.

Aus den drei Zusammenkünften heraus will die Erzdiözese im kommenden Frühjahr die nächsten Schritte der Diözesanreform festlegen.

religion.ORF.at/KAP

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