Politik

Wie einigt man eine Partei? Clinton wird es machen wie Trump

"Liebe sticht Hass", bei den Demokraten ein beliebtes Wortspiel.

"Liebe sticht Hass", bei den Demokraten ein beliebtes Wortspiel.

(Foto: imago/UPI Photo)

Wie kaum jemand sonst steht Hillary Clinton in der Politik der USA für das Establishment. Für ihren Wahlkampf ist das ein Problem, und auch weite Teile ihrer Partei sind von ihr nicht begeistert. Zwei Männer können ihr helfen: Sanders und Trump.

Eine Woche nach den Republikanern veranstalten auch die Demokraten ihren Nominierungsparteitag. In Philadelphia im Bundesstaat Pennsylvania werden sich von Montag bis Donnerstag mehr als 4700 Delegierte treffen, um ihre Präsidentschaftskandidatin zu wählen.

Hillary Clinton und ihr Vize-Kandidat Tim Kaine.

Hillary Clinton und ihr Vize-Kandidat Tim Kaine.

(Foto: imago/ZUMA Press)

Dabei steht das Ergebnis längst fest: In dem monatelangen Prozess der Vorwahlen hat die ehemalige Außenministerin Hillary Clinton mehr Stimmen bekommen als ihr linker Mitbewerber Bernie Sanders.

Allerdings war es diesmal ungewöhnlich knapp. Das lag einerseits daran, dass Clinton bei den Amerikanern fast so unbeliebt ist wie der frisch gekürte republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump, und andererseits an ihrem Mitbewerber, der zwar unterlag, aber die politische Stimmung in den USA oft besser traf als Clinton. "Es gibt viele Menschen in den USA, die sehr wütend sind", sagt CNN-Journalist Jonathan Mann. Und Clinton sei eine Kandidatin der Kontinuität. "Für ihren Wahlkampf ist das ein Problem."

Zwar steht Clinton in den meisten Umfragen noch immer vor Trump. Aber die Wahl wird in den USA nicht von der Summe der Einzelstimmen entschieden, sondern von den Wahlmännern und -frauen, die in den Bundesstaaten gewählt werden. Aller Voraussicht nach wird die Entscheidung in wenigen "Swing States" fallen, weil die anderen Bundesstaaten mehrheitlich ohnehin auf eine Partei festgelegt sind. Wenn Trump es schafft, die Staaten des "Rostgürtels" im deindustrialisierten Nordosten der USA sowie Florida zu gewinnen, dann wird er Präsident.

Geleakte Mails und ein "dummes" Vorwahlverfahren

Statistisch gesehen ist es noch immer wahrscheinlicher, dass Clinton gewinnt, aber um Trump wirklich zu besiegen, braucht sie zumindest einen Teil der Sanders-Anhänger auf ihrer Seite. Erst vor zwei Wochen, mehr als einen Monat nach der letzten Vorwahl, erklärte der Senator aus Vermont offiziell seine Unterstützung für Clinton.

Bei der Comic Con in San Diego, einer Comic-Buchmesse, posiert dieses Ehepaar als Zombie-Version von Hillary Clinton und Donald Trump.

Bei der Comic Con in San Diego, einer Comic-Buchmesse, posiert dieses Ehepaar als Zombie-Version von Hillary Clinton und Donald Trump.

(Foto: dpa)

Anders als im parteiinternen Wahlkampf der Republikaner gab es bei den Demokraten zwar keine wüsten Beschimpfungen. Aber auch die Demokraten sind zerrissen. Die von Wikileaks veröffentlichten E-Mails haben dies noch verstärkt. Die Enthüllungsplattform stellte am Freitag mehr als 19.000 Mails und mehr als 8000 Mail-Anhänge ins Netz, die von der Parteiführung versandt oder an sie geschickt worden war. Die Mails machen deutlich, dass die Spitze der Demokratischen Partei – anders als vorgeschrieben – im Vorwahlkampf nicht neutral war. Der Finanzvorstand der Demokraten, Brad Marshall, schlug beispielsweise in einer Mail vor, Sanders als Atheisten zu entlarven, weil ihn das in den Bundesstaaten Kentucky und West Virginia ein paar Prozentpunkte kosten könne, wie die Nachrichtenseite The Intercept berichtet.

Wirklich neu ist das nicht, bereits im Vorwahlkampf warfen Sanders-Unterstützer der Parteispitze vor, ihren Favoriten zu benachteiligen. Sanders selbst hat das System der Vorwahlen mit seinen vielen komplizierten Regeln ein "dummes Verfahren" genannt, das seinen Wahlkampf benachteiligt habe, auch wenn er den Begriff "rigged" (manipuliert), mit dem seine Unterstützer und auch Trump das "System" belegen, ausdrücklich nicht benutzte.

Ihre erste Parteitagsniederlage mussten die Sanders-Unterstützer bereits hinnehmen. Sie wollten erreichen, dass das System der Superdelegierten beendet wird, zumindest aber, dass ihre Zahl reduziert wird. Superdelegierte sind Funktionäre und Mandatsträger, die nicht gewählt werden, sondern sich frei entscheiden können, wen sie unterstützen. Der Vorwurf aus dem Sanders-Lager lautet, dass Superdelegierte das Ergebnis der Vorwahlen verzerren. Richtig daran ist, dass Clinton nur mit Hilfe der Superdelegierten die Schwelle zum Sieg in den Vorwahlen überspringen konnte: Sie zog laut CNN rund 600 Superdelegierte auf ihre Seite, Sanders nur 47. Richtig ist aber ebenso, dass sie auch ohne die Superdelegierten mehr Stimmen gewonnen hat als Sanders.

"Die Empörung schwelt nicht, sie brennt"

Der Ablauf der Convention

Montag: Motto des ersten Tags ist "United Together" (zusammen vereint). Hauptredner ist Bernie Sanders, nach ihm spricht First Lady Michelle Obama.

Dienstag: Hauptredner ist Ex-Präsident Bill Clinton, Motto des Tages ist "A Lifetime of Fighting for Children and Families" (was ausdrücken soll, dass Hillary Clinton schon ihr ganzes Leben für Kinder und Familien kämpft).

Mittwoch: Unter dem Motto "Working Together" (vereint arbeiten) ist es der Tag des Amtsinhabers. Barack Obama tritt auf.

Donnerstag: Hillary Clintons nimmt die Nominierung an und hält die große Abschlussrede. Der Schlusstag steht unter dem Motto "Stronger Together" (stärker vereint).

Als Kompromiss einigte sich das für die Parteitagsregeln zuständige Gremium, dass die meisten Superdelegierten so abstimmen müssen, wie das Vorwahlergebnis ihres Bundesstaates ausgefallen ist. Frei entscheiden dürfen nur Kongressmitglieder, Gouverneure und Mitglieder der Parteispitze.

Verärgert ist das Sanders-Lager aber nicht nur wegen der Mails und der Superdelegierten, sondern auch, weil es unzufrieden mit dem Vizepräsidentschaftskandidaten ist, den Clinton sich ausgesucht hat. In Sanders' Umfeld hatte man gehofft, Clinton würde jemanden vom "progressiven" Parteiflügel nehmen. Der von ihr ausgesuchte Senator Tim Kaine ist jedoch ein moderater Demokrat, der sich selbst als "Langweiler" bezeichnet. Clinton hat ihn offenbar erwählt, weil er einen Gegenentwurf zu Trump darstellt. Linke Träume beflügelt Kaine jedenfalls nicht. Eine Gewerkschaft von Krankenschwestern, die Sanders unterstützt, erwägt sogar, eine Gegenkandidatin aufzustellen.

"Die Empörung schwelt nicht, sie brennt", sagte der kalifornische Delegierte Norman Solomon, der die Sanders-Anhänger koordiniert, der "Washington Post". In der Partei habe es einen Aufstand gegeben, der größer gewesen sei, als irgendjemand erwartet hätte. "Hillary bemüht sich sehr, deutlich zu machen – nicht nur ihren eigenen Delegierten, sondern auch den Progressiven – dass sie nichts daraus gelernt hat."

Von inhaltlichen Differenzen abgesehen gibt es auch atmosphärische Unterschiede zwischen den Lagern. Viele Sanders-Anhänger sind zum ersten Mal parteipolitisch engagiert, für viele wird der Nominierungsparteitag die erste Veranstaltung dieser Art sein. Das bedeutet, dass sie die ungeschriebenen Gesetze nicht kennen und für die Parteitagsregie weniger leicht zu steuern sind. Ein Aufruhr wie zu Beginn der republikanischen Convention vor einer Woche ist auch in Philadelphia möglich.

Trump versucht natürlich, aus dem Streit bei den Demokraten Profit zu schlagen – so wie Clinton ja auch das Zerwürfnis bei den Republikanern in ihrem Sinne nutzt. Die von Wikileaks veröffentlichten Mails seien so schlimm, dass es für Sanders jetzt unmöglich sei, Clinton zu unterstützen, "außer, er ist ein Schwindler", teilte Trump am Samstag mit. Am Sonntag legte er nach: Sanders sei zu einer bemitleidenswerten Figur geworden.

Sanders ist am Montag der erste politische Hauptredner. Wahrscheinlich wird er wieder viel über seine politischen Ziele sprechen. Mit Sicherheit jedoch wird er keine Rede halten wie bei den Republikanern der gescheiterte Präsidentschaftsbewerber Ted Cruz, der Trump die Gefolgschaft verweigerte und dafür ausgebuht wurde.

Ansonsten dürften es die Demokraten in Philadelphia ähnlich machen wie die Republikaner. Angesichts interner Verletzungen und Differenzen fand die Trump-Partei einen kleinsten gemeinsamen Nenner, der völlig ausreichte, um den Saal zum Toben zu bringen: "Sperrt sie ein!", skandierten die Delegierten in Cleveland. Ganz so hemmungslos werden die Demokraten sich wohl kaum aufführen, aber auch sie sind dankbar, dass sie es mit einem Kandidaten zu tun haben, der als Feindbild funktioniert – Donald Trump.

 

 

Quelle: ntv.de

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