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Masern-Impfung und Autismus Spätes Ende eines Medizin-Skandals

Es geht um Angst, Geld und schlechte Forschung. 1998 verkündete der Brite Andrew Wakefield, die Kombi-Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln könne Autismus auslösen. Obwohl inzwischen widerlegt, taucht die Horror-These immer wieder auf. Jetzt wurde dem Arzt die Zulassung entzogen.
Von Nina Bublitz

Zwölf Jahre ist es her, dass der britische Arzt Andrew Wakefield die Öffentlichkeit mit der These schockte, dass die Kombi-Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln (MMR) bei Kindern Autismus auslösen könnte. Und noch immer sind die Folgen dieser Aussage spürbar - obwohl Wakefields These lediglich auf der Untersuchung von zwölf Kindern beruhte, durch zahlreiche spätere Studien widerlegt wurde und sich zehn der insgesamt 13 Studienautoren bereits im Jahr 2004 von Teilen der Schlussfolgerungen des damls im "The Lancet" veröffentlichten Artikels distanziert haben. In Großbritannien sank die Impfrate gegen Masern von rund 92 auf unter 80 Prozent. Auch in Deutschland kommt es immer wieder zu Ausbrüchen der durchaus gefährlichen Kinderkrankheit: An Masern-Komplikationen kann man sterben; auch in Deutschland gibt es nach größeren Masernausbrüchen Tote.

Doch noch heute führen Impfkritiker Wakefields These ins Feld und sorgen so für Verunsicherung. Da wird wohl auch das Urteil der britischen Ärztekammer nicht helfen, die Wakefield jetzt seine Zulassung entzogen hat. Der "General Medical Council" urteilte, dass Wakefield unethische Forschungsmethoden angewendet hat. Zusätzlich habe er seine Ergebnisse in "unehrlicher" und "unverantwortlicher" Weise dargestellt. Das Fachblatt "The Lancet" zog die Studie im Februar diesen Jahres offiziell zurück. "Er hat das Magazin betrogen", sagte Herausgeber Burt Horton gegenüber dem "Guardian".

Ob eine Verbindung zwischen MMR-Impfung und Autismus besteht, war kein Bestandteil der Untersuchung, betont das Ärztegremium in seinem 143 Seiten umfassenden Abschlussbericht.

Patent auf eine Alternativimpfung

Tatsächlich musste diese These nicht einmal auf den Prüfstand, um die Methoden des Arztes zu verurteilen. Im Rahmen der Studie führten Ärzte bei elf Kindern invasive Untersuchungen durch, ohne dass dies medizinisch notwendig gewesen wäre oder eine Ethikkommission die Versuche erlaubt hätte. Unter anderem mussten sie eine Lumbalpunktion über sich ergehen lassen, bei der eine Nadel im Bereich der Lendenwirbel in den Rückenmarkskanal gestochen wird, um von dort Flüssigkeit zu entnehmen. Zudem hielt der Mediziner seit 1997 ein Patent auf einen angeblich sicheren Masern-Impfstoff, der als Alternative für die kombinierte Impfung gegen Mumps, Masern und Rötel infrage gekommen wäre. Dass hätte Wakefield dem "Lancet" zumindest mitteilen müssen. Und es lässt seine Schlussfolgerung, dass der MMR-Impfstoff durch besser verträgliche Mittel, die in größerem zeitlichen Abstand verabreicht werden sollen, in einem anderen Licht erscheinen.

Schon vor der Ärztekammer-Untersuchung deckten britische Journalisten seltsame Verstrickungen auf. Gelder für seine Studie wurden von einer Anwaltskanzlei organisiert, die eine Schadensersatzklage potenziell betroffener Eltern gegen die Impfstoffhersteller plante. Und als wäre das alles noch nicht genug, stimmen die in der Studie präsentierten Daten in den meisten Fällen nicht: Bei den meisten Kindern traten die gesundheitlichen Probleme nicht kurz nach der Impfung auf, sondern häufig schon davor.

Entwarnung in folgenden Studien

Mit Blick auf diese Ungereimtheiten scheint es erstaunlich, dass Wakefields Untersuchung noch immer Glauben geschenkt wird. Noch erstaunlicher wird es allerdings beim Blick auf die wissenschaftlichen Fakten. Untersucht wurden damals zwölf Kinder - sehr, sehr wenige also. Bei acht entdeckten die Forscher einen Zusammenhang zwischen der MMR-Impfung und danach auftretenden entzündlichen Darmerkrankungen sowie Entwicklungsstörungen, in den meisten Fällen Autismus. Nun ist es in der Wissenschaft normal, dass kleinere Studien durchgeführt werden, die später durch größere bestätigt oder entkräftet werden. Die Veröffentlichung im "Lancet" endete dementsprechend mit dem Hinweis, dass weitere Studien nötig seien, um diese Erkrankung und einen möglichen Zusammenhang mit der Impfung zu untersuchen. Die Studien folgten - und mit ihnen immer wieder Entwarnungen. Mehrere groß angelegte Untersuchungen - unter anderem in Kalifornien und Großbritannien, bei denen Daten tausender Kinder ausgewertet wurden, kamen zu dem Schluss, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass die MMR-Impfung zu Autismus führt. Auch Forscher, die versuchten, die 1998 veröffentlichten Laborwerte bei erkrankten Kindern erneut zu ermitteln, konnten dies nicht. Damit hat sich Wakefields Untersuchung in jeglicher Hinsicht überlebt.

Es bleibt zu hoffen, dass dies bei allen Eltern ankommt, die sich zurecht Gedanken machen, ob, wann und wogegen sie ihr Kind impfen. Diese Entscheidungen können schwierig genug sein - und sollten nicht durch Horror-Thesen wie die von Wakefield erschwert werden.

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