Händler wollen keine Miete zahlen: Adidas, Deichmann und Co. machen offenbar Schule

Einkaufen während Corona: Das müssen Sie beachten
Adidas hat es vorgemacht, ruderte dann aber wegen der heftigen Kritik zurück. Deichmann, H&M und C&A halten an ihrer Entscheidung fest. Der Schritt sorgt bei Kunden für Aufsehen. Sie rufen zum Boykott auf. Laut Medienbericht sollen auch Edeka Nord und Hit keine Miete zahlen wollen - beide Unternehmen dementieren das gegenüber CHIP.

Das neuartige Coronavirus verunsichert immer mehr Menschen. Seit einer Woche läuft Deutschland im Notfallbetrieb. In allen Bundesländern gelten Einschränkungen im Alltag. Große Unternehmen zwingt das in die Knie.

Sie suchen Auswege, um die finanziellen Auswirkungen dieser Corona-Krise einigermaßen einzudämmen.

Während große Hersteller, Fabriken und namhafte Firmen bereits Kurzarbeitergeld angekündigt haben und somit die Personalkosten drücken, geht der Einzelhandel andere Wege. Einige Firmen setzen ab April die Miete aus.

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C&A, Pimkie, Deichmann und H&M zahlen keine Miete mehr

Der Modehändler H&M setzt Mietzahlungen "bis zur Klärung der Sachlage" aus, heißt es auf Anfrage. Man habe die Vermieter "darüber informiert".

Damit nicht genug. Sogar die aktuellen Profiteure der Corona-Krise informieren ihre Vermieter bereits über mögliche Mietstundungen. Die "Welt am Sonntag" berichtet aus Briefen von einzelnen Filialen von Edeka Nord. Darin schreibt die Regionalgesellschaft an die Vermieter: "Wir bitten um Verständnis, dass unsere Mietzahlungen ab sofort nur noch unter dem Vorbehalt der Rückzahlung geleistet werden."

Besonders Edeka Nord hat derzeit keinen Grund die Miete zu kürzen oder gar nicht zu bezahlen. Die Regionalgesellschaft ist Teil von Edeka (besteht aus insgesamt sieben Gesellschaften). Der Supermarktriese machte zuletzt einen Umsatz von über 53 Milliarden Euro. Während der aktuellen Coronavirus-Krise laufen die Geschäfte sehr gut.

Eine Edeka-Nord-Sprecherin erklärte, der Brief sei "präventiv" verschickt worden. Die Mieten wurden normal bezahlt. Experten erklärten, das Unternehmen wappne sich lediglich vor behördlichen Maßnahmen. So will Edeka Nord sich rechtlich absichern, falls Filialen wegen geltender Schutzmaßnahmen geschlossen werden müssen. Doch dazu gibt es derzeit keinen triftigen Grund. Aus allen Bundesländern heißt es, dass die Lebensmittelversorgung gesichert sei.

Die Edeka Zentrale erklärt dazu in einem Statement: "Wir bedauern sehr, dass in einem Schreiben der Edeka Regionalgesellschaft Nord ein missverständlicher Eindruck entstanden ist." Ein Pressesprecher betonte: "Wir stellen klar: Edeka Nord wird keine Mietzahlungen unter Vorbehalt tätigen." Das Unternehmen stehe in der aktuellen Situation fest an der Seite der Vermieter. "Selbstverständlich hat die Edeka Nord alle Mieten für ihre Märkte bezahlt und wird diese auch in Zukunft zu 100 Prozent bezahlen."

Laut "Welt am Sonntag" soll auch Supermarkt-Riese HIT einen ähnlichen Brief verschickt haben. Gegenüber CHIP dementiert das Unternehmen: "Hit zahlt weiterhin die Miete und wird die Miete auch weiterhin bezahlen."

Vorreiter der Mietstundungen war der Sportartikelhersteller Adidas, der ebenfalls angekündigt hatte, vorerst keine Mieten mehr zahlen zu wollen. Nach heftiger Kritiker ruderte das Unternehmen zurück und entschuldigte sich.

In einem offenen Brief heißt es: "Die Entscheidung, von VermieterInnen unserer Läden die Stundung der Miete für April zu verlangen, wurde von vielen von Ihnen als unsolidarisch empfunden." Und weiter:"Ihre Meinung ist uns wichtig, und Ihre Meinung ist eindeutig: Sie sind von Adidas enttäuscht."

Aus diesen Gründen entschuldige sich das Unternehmen "in aller Form". Die Miete für den Monat April sei bezahlt worden. "Fairness und Teamgeist sind seit jeher eng mit Adidas verknüpft."

Der Sportartikelhersteller hatte wegen der Corona-Pandemie seine Geschäfte schließen müssen. "Es ist richtig, dass Adidas, wie viele andere Unternehmen auch, vorsorglich Mietzahlungen temporär aussetzt", hatte eine Sprecherin damals erklärt.

Adidas braucht nun allerdings einen Milliardenkredit. Die Nachrichtenagentur Bloomberg hatte von Staatshilfen gesprochen. Das Unternehmen dementierte die Meldung, erklärte man werde Kredite in Anspruch nehmen.

Das Unternehmen hatte bereits vor zwei Tagen mitgeteilt, angesichts der hohen wirtschaftlichen Unsicherheit im Zusammenhang mit dem Ausbruch des Coronavirus "proaktiv einen konservativen Ansatz beim Liquiditätsmanagement zu verfolgen, um die finanzielle Flexibilität des Unternehmens im derzeitigen Umfeld zu erhalten."

Adidas stoppte etwa auch sein geplantes Programm zum Aktienrückkauf.

Deichmann, C&A und Pimkie wollen keine Miete bezahlen

Doch es gibt ebenfalls Händler und Unternehmer, die Mieten nicht zahlen wollen.

Deichmann zahlt ab April keine Miete, sprach von einer "präventive Maßnahme, um die wirtschaftliche Handlungsfähigkeit des Unternehmens zu erhalten". In einer Stellungnahme, die auf Instagram veröffentlicht wurde, schreibt das Schuh-Unternehmen: "Wir sind gerade in einer wirklich schwierigen Situation. Auch so ein großes Unternehmen wie wir kann an seine Grenzen kommen."

Daher habe man gebeten, "die während der Schließung anstehenden Mietzahlungen vorübergehend auszusetzen". Dem Unternehmen sei wichtig, dass durch die Stundung kein Vermieter in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerate. "Das werden wir nicht zulassen und im Zweifel die Miete wie gewohnt weiter zahlen."

Die "Bild"-Zeitung berichtete, dass auch C&A, Hunkemöller, Pimkie und Apollo Optik wohl weniger oder gar keine Miete mehr für ihre Filialen zahlen wollen. Anfang der Woche kündigte auch Galeria Karstadt Kaufhof an, die Mieten aussetzen zu wollen. Dies gelte zunächst für den Zeitraum bis Juni 2020. Wie es danach weiter gehe, werde "Galeria Karstadt Kaufhof zu gegebener Zeit entscheiden".

Die Händler nutzen ein Schlupfloch aus einem Notfallgesetz, dass die Bundesregierung entschieden hatte. Vom 1. April bis 30. Juni 2020 dürfen Vermieter in Deutschland ihren Mieter nicht kündigen, wenn diese ihr Zuhause nicht mehr bezahlen können. Die Betroffenen müssen die ausstehenden Mieten aber trotzdem bezahlen – bis spätestens Ende Juni 2022. Dann wäre eine nachträgliche Kündigung auch rechtmäßig.

Mit dem Notfallgesetz sollten vor allem Selbstständige und Geringverdiener geschützt werden, denen durch die Coronakrise die Einnahmen wegbrechen. Viele müssen wegen der geltenden Einschränkungen ihre Filialen schließen, ihrer Arbeit nicht nachgehen oder können ihre Dienstleistungen nicht anbieten.

Für millionenschwere Unternehmen war das Gesetz eigentlich nicht gedacht.

Kunden rufen zum Boykott auf

In den sozialen Netzwerken hagelt es auf den offiziellen Facebook- und Instagram-Seiten der Unternehmen Kritik. Viele Kunden kündigten an Firmen, die Mieten nicht bezahlen, zu boykottieren.

"Ich habe soeben meine Bestellung an euch zurückgeschickt", heißt es auf der Adidas-Facebook-Seite in der vergangenen Woche. Unter einem Deichmann-Beitrag schreiben User: "Wenn das alles vorbei ist, werde ich nie wieder bei euch einkaufen" oder "In der Not zeigt ihr euer wahres Gesicht".

Auf der H&M-Seite heißt es unter anderem "Ruft alle die Servicenummer an und fordert sie auf, die Mieten zu zahlen".

Politik "enttäuscht" von Vorgehen

"Wenn jetzt finanzstarke Unternehmen einfach ihre Mieten nicht mehr zahlen, ist dies unanständig und nicht akzeptabel", sagte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht.

Alle Mieter müssten "weiterhin selbstverständlich ihre Miete zahlen", ihnen könne lediglich im Fall "ernsthafter Zahlungsschwierigkeiten" nicht wegen Mietrückständen gekündigt werden.

Auch Verkehrsminister Andreas Scheuer zeigte sich "sehr enttäuscht" über den Sportartikelhersteller Adidas. Die Ankündigung des Unternehmens, die Mietzahlungen vorerst einzustellen, sei "eine völlig inakzeptable Botschaft".