Papst Franziskus :
„Wir haben keine christliche Leitkultur mehr“

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Papst Franziskus feiert am 15. Dezember im Petersdom eine Messe für die philippinische Gemeinschaft.
Der Papst zeichnet kurz vor Heiligabend ein nüchternes Bild von der Situation des Christentums. Die katholische Kirchenleitung schwört er auf tiefgreifende Veränderungen ein.

Kurz vor Weihnachten hat Papst Franziskus die katholische Kirchenleitung auf tiefgreifende Veränderungen eingeschworen. Das Christentum sei keine dominante Größe mehr, sagte er in seiner traditionellen Ansprache vor Kurienleitern am Samstag. Es brauche Wandel in der Seelsorge und einen missionarischen Neuaufbruch, aber auch neue Formen der Kommunikation in der Kirche. Franziskus warnte vor den Versuchungen, „sich in die Vergangenheit zurückzuziehen“ und zu erstarren.

Von der Situation des Christentums zeichnete der Papst ein nüchternes Bild. „Wir haben keine christliche Leitkultur, es gibt keine mehr! Wir sind heute nicht mehr die einzigen, die Kultur prägen, und wir sind weder die ersten noch die, denen am meisten Gehör geschenkt wird“, sagte er.

„Der Glaube, vor allem in Europa, aber auch im Großteil des Westens, stellt keine selbstverständliche Voraussetzung des allgemeinen Lebens mehr dar“, so Franziskus. Auf mögliche Faktoren für einen Glaubwürdigkeitsverlust wie den Missbrauchsskandal, mangelnde Transparenz oder fehlende Mitbestimmungsmöglichkeiten ging das Kirchenoberhaupt nicht ein.

Abermals forderte der Papst von der Kirche einen verstärkten Dienst an Armen, Ausgegrenzten und besonders Migranten. Sie stellten „einen Schrei in der Wüste unserer Menschheit“ dar. Es gehe um „Brüder und Schwestern“, die von der globalisierten Gesellschaft ausgesondert würden. Die Kirche müsse Zeugnis dafür geben, „dass es für Gott niemanden gibt, der fremd oder ausgeschlossen ist“. Das Mittelmeer sei für „zu viele zu einem Friedhof geworden“.

„Wenn wir wollen, dass alles bleibt wie es ist, dann ist nötig, dass alles sich verändert“, zitierte Franziskus aus dem Roman „Der Leopard“ von Giuseppe Tomasi di Lampedusa (1896-1957). Der Papst verteidigte seine Kurienreform. Sie maße sich nicht an, so zu tun, als ob vorher nichts existiert hätte, sondern ziele im Gegenteil darauf, „all das Gute zu würdigen, das in der komplexen Geschichte der Kurie getan worden ist“.

Franziskus verlangte eine Rückbesinnung auf die „erste und wichtigste Aufgabe der Kirche: die Evangelisierung“. Die Erneuerung der Kurienstrukturen solle dazu dienen, „dass sie alle missionarischer werden“. Zugleich wandte er sich gegen eine „relativistische Pastoral“ oder eine Orientierung am „Zeitgeschmack“.