„Onkel Ted“ – McCarricks eigene Worte

Sexueller Mißbrauchsskandal


AP-Bericht mit Original-Ansichtskarte von McCarrick.
AP-Bericht mit Original-Ansichtskarte von McCarrick.

(New York) Die Asso­cia­ted Press-Jour­na­li­stin Nico­le Win­field gehört zu den weni­gen Jour­na­li­sten in welt­li­chen Medi­en, die mit Ein­satz und Nach­druck zum sexu­el­len Miß­brauchs­skan­dal in der Kir­che recher­chie­ren und berich­ten. In ihrer jüng­sten Repor­ta­ge vom ver­gan­ge­nen Diens­tag legt sie Doku­men­te vor, die bele­gen, wie Ex-Kar­di­nal Theo­do­re McCar­ri­ck sei­ne künf­ti­gen Opfer „prä­pa­rier­te“.

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Dazu gehört eine Ansichts­kar­te, die McCar­ri­ck, der es bis zum Erz­bi­schof von Washing­ton und Kar­di­nal der hei­li­gen Kir­che brach­te, an den damals 12 Jah­re alten James Grein schick­te. James Grein bela­stet den ehe­ma­li­gen Kar­di­nal schwer. Er soll von McCar­ri­ck über Jah­re sexu­ell miß­braucht wor­den sein. Dabei war McCar­ri­ck von der Fami­lie wie ein Mit­glied auf­ge­nom­men worden. 

Grein, der heu­te 61 Jah­re alt ist, sag­te aus, von McCar­ri­ck seit sei­nem 11. Lebens­jahr miß­braucht wor­den zu sein, sogar im Rah­men der Beich­te und am Ran­de von Fami­li­en­fei­ern. Die Fami­lie ver­stand nicht, was vor­ging, und för­der­te den Kon­takt ihres Soh­nes mit McCar­ri­ck als „guten Umgang“.

„Die Zeit für Dei­nen Besuch im Osten rückt näher“, schrieb McCar­ri­ck an Grein, als er Ende der 1970er Jah­re im Inter­nat der Woodsi­de Prio­ry School in Kali­for­ni­en war. McCar­ri­ck, damals längst Prie­ster, stand kurz vor dem Beginn einer gro­ßen Kar­rie­re. 1981 wur­de er Bischof von Metu­chen im Staat New Jer­sey. Er unter­schrieb die Ansichts­kar­te mit: 

„Ich lie­be dich sehr, Dein Onkel, Father Ted.“

Indem McCar­ri­ck Ansichts­kar­ten, die offen­ste Form der Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­tel, nütz­te, signa­li­sier­te er allen even­tu­el­len Beob­ach­tern, vor allem den Fami­li­en, daß er nichts zu ver­ber­gen habe. Das Gegen­teil sei aber der Fall gewe­sen, so Moni­ca App­le­white, eine von Win­field zitier­te Expertin.

Auch als Bischof beharr­te er gegen­über sei­nen Semi­na­ri­sten auf ein kol­le­gia­les, fami­liä­res Ver­hält­nis von „Onkel“ und „Nef­fe“. Er woll­te, daß ihn alle „Onkel Ted“ nen­nen. Mit die­sem locke­ren, ver­trau­li­chen Umgang habe er die Sicher­heits­bar­rie­ren her­ab­ge­setzt und es den poten­ti­el­len Opfern erschwert, sich auf Distanz zu halten. 

Im ver­gan­ge­nen Jahr wur­de durch ehe­ma­li­ge Semi­na­ri­sten bekannt, daß McCar­ri­ck an Wochen­en­den wie­der­holt Grup­pen von Jugend­li­chen, alle männ­lich, zu sich in sein Strand­haus ein­lud. Immer einen zuviel, sodaß einer bei ihm im Zim­mer schla­fen mußte.

Sei­nen Opfern gegen­über setz­te er auch sei­nen Ein­fluß ein, indem er ihnen gegen­über in einem ver­trau­lich wir­ken­den Gespräch sei­ne Rol­le und Bedeu­tung in der Nähe des damals regie­ren­den Pap­stes Johan­nes Paul II. her­aus­strich. Eliza­beth Jeg­lic, Pro­fes­so­rin der Psy­cho­lo­gie und Exper­tin für Prä­ven­ti­on sexu­el­ler Gewalt am John Jay Col­lege für Straf­recht in New York, sieht dar­in eine sub­ti­le, aber wirk­sa­me Form der Ver­füh­rung jun­ger Men­schen. McCar­ri­ck habe ihnen auf die­se Wei­se gesagt: „Komm mit mir, und Du wirst auch Zugang zu alle dem erhalten“.

Ein Semi­na­rist schrieb nach einem sol­chen Wochen­en­de einem ande­ren Bischof, um die­sem mit­zu­tei­len, was sich in McCar­ri­cks Strand­haus abge­spielt hat­te. Er berich­te­te von den sexu­el­len Bezie­hun­gen zwi­schen McCar­ri­ck und Semi­na­ri­sten und wie der Bischof ihn eines Nachts berühr­te. Er habe sich wegen des Trau­mas danach im Bad erbrochen. 

McCar­ri­ck hin­ge­gen schrieb ihm weni­ge Tage spä­ter eine Ansichtskarte:

„Ich will Dir dan­ken, daß Du am Frei­tag in der Nacht zu mir gekom­men bist. Ich habe Dei­nen Besuch genossen.“

Acht wei­te­re Male schrieb McCar­ri­ck dem­sel­ben Semi­na­ri­sten und dräng­te ihn, sich tele­fo­nisch bei ihm zu mel­den und ihn zu besu­chen. Wegen Aus­la­stung der zustän­di­gen Stel­len sol­le sich der Semi­na­rist direkt an ihn wen­den. Dafür über­mit­tel­te er ihm jeweils eine direk­te Tele­fon­num­mer und Adres­se. Jeg­lic sieht dar­in den Tat­be­stand der Belä­sti­gung erfüllt, deren psy­cho­lo­gi­sches Ziel es sei, das Opfer „in Reich­wei­te“ zu behalten.

Die Belä­sti­gung habe in eini­gen Fäl­len sogar Züge der Nöti­gung ange­nom­men. So spiel­te McCar­ri­ck auf eine Epi­so­de an, in der sie einen Geschäfts­mann getrof­fen hat­ten, der mit der Mafia in Ver­bin­dung stand und kurz dar­auf getö­tet wurde.

Im Som­mer 1987 schrieb er vor einer Rei­se nach Polen:

„Komm mit Dei­nem Onkel und Du wirst wich­ti­ge Leu­te kennenlernen.”

Glei­ches bestä­tigt der Prie­ster Des­mond Ros­si, Semi­na­rist in Newark, als McCar­ri­ck dort Erz­bi­schof war. McCar­ri­ck habe stän­di­gen Kon­takt mit den Fami­li­en sei­ner Opfer gehal­ten und ließ immer Grü­ße an die Eltern aus­rich­ten. Damit, so Exper­ten, habe er sich den Rücken in den Fami­li­en frei­ge­hal­ten. Er habe sie ent­waff­net. Er war beliebt bei den Fami­li­en, das was sie sich wünsch­ten, ein siche­rer Umgang für ihre Söh­ne, sodaß die­se nicht mehr aus­rei­chend sen­si­bi­li­siert waren, für Signa­le ihre Kinder.

App­le­white wird von Win­field mit den Wor­ten zitiert:

„Wenn wir nach bösen Gestal­ten suchen, wer­den wir nie jemand erwischen.“

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: AP (Screen­shot)

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