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Der Fall Relotius Die Antworten auf die wichtigsten Fragen

Knapp 60 Artikel veröffentlichte der Redakteur Claas Relotius beim SPIEGEL in den vergangenen Jahren. In mehreren Fällen hat er eingeräumt, Geschichten erfunden oder Fakten verzerrt zu haben.
Foto: SPIEGEL ONLINE

Was ist passiert?

Der SPIEGEL-Redakteur Claas Relotius hat in großem Umfang seine eigenen Geschichten gefälscht und Protagonisten erfunden - er hat die Leser und seine Kollegen getäuscht. Aufgedeckt wurde das nach internen Hinweisen, eigenen Recherchen und schließlich einem umfassenden Geständnis des Redakteurs selbst.

Wie ist der Betrug herausgekommen?

Erste Verdachtsmomente ergaben sich nach Veröffentlichung des Textes "Jaegers Grenze" über eine US-Bürgerwehr an der Grenze zwischen Mexiko und den USA, der im November 2018 erschien.

Reporterkollege Juan Moreno, der diese Geschichte zusammen mit Relotius für den SPIEGEL recherchierte, wurde misstrauisch. Er glaubte an seine Fakten, recherchierte immer weiter. Er meldete dem SPIEGEL seine Bedenken.

Leicht war das nicht für ihn. Anfangs rannte er gegen Wände wie ein Whistleblower, dem nicht geglaubt wird. Aber er ließ nicht locker und nutzte eine Recherchereise in anderer Sache in die USA, um Material gegen Relotius zu sammeln - und um sich selbst zu schützen. Denn auch sein Name steht über der zweifelhaften Geschichte.

Nach anfänglichem Leugnen gestand Relotius schließlich Ende vergangener Woche. Es stellte sich heraus, dass er ganze Passagen frei erfunden hatte, nicht nur in der Geschichte "Jaegers Grenze", sondern in einer Vielzahl von Texten.

Wie hat Relotius gefälscht?

Claas Relotius hat mit Vorsatz, methodisch und hoher krimineller Energie getäuscht. Er hat beispielsweise viele der Protagonisten nie getroffen oder gesprochen, von denen er erzählt und die er zitiert. Stattdessen stützten sich seine Schilderungen seinen Angaben zufolge unter anderem auf andere Medien und Filmaufnahmen. So entstanden Charakter-Collagen real existierender Figuren, denen Relotius zusätzlich eine fiktive Biografie andichtete. Außerdem erfand er Dialoge und Zitate. (Weitere Beispiele, Details und die Erklärung der Methode Relotius finden Sie hier und hier)

Welche und wie viele Texte sind betroffen?

Relotius schrieb erst als freier Mitarbeiter für das Haus, seit anderthalb Jahren war er als Redakteur fest angestellt. Von ihm sind seit 2011 knapp 60 Texte im SPIEGEL und bei SPIEGEL ONLINE erschienen. Seinen Angaben zufolge sind mindestens 14 betroffen und zumindest in Teilen gefälscht. Kann man ihm glauben? Könnten es nicht deutlich mehr sein? Noch lässt sich das nicht mit Sicherheit sagen: Die Aufarbeitung hat gerade erst begonnen.

Zu den betroffenen Texten gehören große Erzählungen, die für Journalistenpreise nominiert wurden oder ausgezeichnet worden sind. Zum Beispiel:

  • "Die letzte Zeugin" über eine Amerikanerin, die angeblich als Zeugin zu Hinrichtungen fährt
  • "Löwenjungen" über zwei irakische Kinder, die vom IS verschleppt und umerzogen worden sein sollen
  • "Nummer 440"  über einen vermeintlichen Gefangenen in Guantanamo

Sind auch andere Redaktionen betroffen?

Das lässt sich nach jetzigem Stand nicht ausschließen. Relotius hat auch für andere Medien im In- und Ausland gearbeitet. Er publizierte in seiner Zeit als freier Journalist unter anderem in "Cicero", der "Neuen Zürcher Zeitung am Sonntag", der "Financial Times Deutschland", der "taz", der "Welt", im "SZ-Magazin", in der "Weltwoche", auf "Zeit Online" und in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung".

Wie reagiert der SPIEGEL?

Die von Relotius verfassten Artikel bleiben bis zu einer weitgehenden Klärung der Vorwürfe unverändert, aber mit einem Hinweis versehen im Archiv, das online zugänglich ist, auch um transparente Nachforschungen zu ermöglichen. Wir bitten um Hinweise an hinweise@spiegel.de .

Die Leitung des SPIEGEL wird eine Kommission aus erfahrenen internen und externen Personen einsetzen, die den Hinweisen auf Fälschungen nachgehen sollen. Deren Erkenntnisse und Empfehlungen zur Verbesserung der Sicherheitsmechanismen wird der SPIEGEL öffentlich dokumentieren. (Mehr dazu lesen Sie hier.)

red